Grosshöchstetten - Besuch aus der Vergangenheit

Grosshöchstetten feiert das 175-jährige Bestehen des Dorfmarktes mit einem Blick in die Vergangenheit: Am Samstag zeigten «Wöschwyber», «Chacheliflicker» und «Deuchelbohrer», was echte Handarbeit ist.

Christian Zeier, Berner Zeitung BZ
So muss es vor 175 Jahren ausgesehen haben: Vor der Gemeindeverwaltung Grosshöchstetten, mitten im Markttreiben, haben sich zwei «Wöschwyber» breitgemacht. An einer langen Leine hängt die saubere Wäsche, der Dorfbrunnen wurde kurzerhand zum Waschtrog umfunktioniert. Rhythmisch klatscht das weisse Hemd auf das Waschbrett, Rosmarie Gerber macht dem ärgsten Schmutz den Garaus. Zusammen mit Elsbeth Geissbühler zeigt die Sumiswalderin den Besuchern des Dorfmärits, wie zu Gotthelfs Zeiten gewaschen wurde.

Ohne Schleudergang

Die älteren Semester sind begeistert, die jüngeren scheinen ob der umständlichen Handarbeit eher verunsichert. Statt Schleudergang und Feinwaschmittel heisst es für einmal Waschbrett und Seifenflocken. «Schau, so haben wir das früher gemacht», erklärt eine Grossmutter ihrer Enkelin und möchte am liebsten gleich selber mit anpacken. Weil am diesjährigen Dorfmärit aber noch rund 60 andere Aussteller warten, lässt sie es doch bei einem Erinnerungsfoto bleiben.

Solche Szenen sind es, welche den beiden Wäscherinnen die Freude an der Arbeit erhalten: Bereits früh am Morgen sind die beiden Frauen angereist, denn die Vorbereitungen für einen Waschtag sind nicht ohne. Um achtUhr, eine Stunde vor Marktbeginn, musste der Waschhafen angeheizt werden, ohne warmes Wasser wurden auch vor hundert Jahren keine Hemden weiss. Vor gut fünf Jahren hat Rosmarie Gerber das erste Mal bei den «Wöschwybern» mitgemacht. Weil sie es schade fand, dass sich kaum mehr Leute für das Handwerk interessierten, liess sie sich damals beim Sumiswalder Gotthelf-Märit anlernen. Seither geniesst sie es, mit Kopftuch und Schürze auch den Jüngeren einen Einblick in die Vergangenheit zu gewähren.

1834 ist zum Greifen nah

Das gleiche Ziel verfolgt Alfred Ramseier aus Grünenmatt. In stilechter Kleidung sitzt der «Chacheliflicker» auf seinem Stuhl und hantiert voller Konzentration an einer kaputten Tonschüssel. Mit Klammern aus Draht fixiert er die einzelnen Teile, um später die Bruchstellen mit Fensterkitt abzudichten. Zum ungewöhnlichen Hobby kam Ramseier durch einen Zufall: Bei seiner Grossmutter stiess er auf das alte Werkzeug und begann so, sich mit dem Handwerk auseinanderzusetzen.

Die Arbeit, die heute dank Sekundenkleber in kürzester Zeit erledigt wäre, dauert bei ihm mehrere Stunden. Voller Interesse bleiben die Marktbesucher an seinem Tischchen stehen. Ein Schicksal, welches ihm vor hundert Jahren sicher nicht widerfahren wäre. Damals waren es in erster Linie Randständige, welche Geschirr und Töpfe flickten.

An diesem Samstagmorgen fällt es nicht schwer, sich die Szenerie von damals vorzustellen, als der Höchstette-Märit zum ersten Mal abgehalten wurde. Für das Jubiläum hat das OK eine strikte Ordnung ausgegeben: Für alle Marktfahrer ist altväterische Kleidung obligatorisch. Diese Vorgabe wurde sogar übertroffen: Immer wieder sind Marktbesucher zu sehen, die sich in eine alte Tracht oder ein nostalgisches Gewand geworfen haben. Für einen Tag ist Grosshöchstetten dem Jahr 1834 ganz nah.

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Erstellt: 14.09.2009
Geändert: 14.09.2009
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