Grosshöchstetten - Am Flohmarkt spricht der Computer

Donnerstags ist im Aarhus Flohmärit. Betreut wird er von Bewohnerinnen, die mit schweren Behinderungen leben. Gelacht wird trotzdem viel.

Laura Fehlmann, Berner Zeitung BZ

"Willkommen", begrüsst eine etwas seltsam klingende Stimme die Kunden im Flohmärit, der Institution für Behinderte Aarhus in Grosshöchstetten. Der Gruss ertönt aus einem Sprachcomputer, der am Rollstuhl von Alexandra Ramseier befestigt ist. Die schwer behinderte junge Frau kann nicht sprechen. Sie ist auf das moderne Kommunikationsmittel angewiesen, mit dem sie sich erst vertraut macht. Mit Mühe sucht sie auf dem Gerät nach den entsprechenden Botschaften. "Kundenbetreuung" steht auf einem Schild auf ihrer Brust. Alexandra Ramseier beantwortet Fragen zur Flohmarktware und gibt die Preise durch. Das klappt noch nicht perfekt: Auf die Frage, was denn ein gestrickter Eierwärmer kosten würde, antwortet die PC-Stimme: "50 Franken." Ateliermitarbeiter Stefan Looser räumt ein, dass die junge Frau sich mit den Preisen noch nicht so gut auskenne. Man lacht gemeinsam. Überhaupt sind Lachen, Mimik und Berührungen nebst dem PC wichtig für die Kommunikation. Denn keine der drei Bewohnerinnen, die sich um den Flohmärit kümmern, kann sprechen. Denise Blaser schafft es mit Mühe, den Kopf zu schütteln oder zu nicken. Kassierin Irene Henzer lacht viel, dazu packt sie die Hand ihrer Gesprächspartner und will fast nicht mehr loslassen.

 

Keine Möbel

 

Der Flohmärit befindet sich im Untergeschoss des ehemaligen Spitals Grosshöchstetten. Er findet jeden Donnerstagnachmittag statt. Vor dem Eingang stehen Ständer mit Kleidern, im Verkaufsraum – einem Korridor – fällt als Erstes ein Tisch mit Neuheiten zum Thema Ostern auf: Da sind die gestrickten Eierwärmer, Körbchen, Hasen, Dekor und Karten. In Gestellen stehen Geschirr, Haushalt- und Dekorationsgegenstände. An den Wänden hängen Bilder und Modeschmuck. Möbel sind keine vorhanden, weil die Ware immer wieder weggeräumt werden muss. Der Korridor darf nicht für eine Woche blockiert sein.

 

Viele Stammkunden

 

Der Aarhus-Flohmärit ist versteckt, Werbung gibt es kaum und auch Passanten kommen hier kaum vorbei. Trotzdem floriert das Geschäft mit den ausrangierten Sachen. "Es kommen immer wieder Leute vorbei, und wir haben auch eine Stammkundschaft", sagt Stefan Looser. Das Geld fliesst in die Werkkasse und kommt den Bewohnern für Freizeitaktivitäten zugute. Eine weitere Kasse bewahrt Bewohnerin Denise Blaser in ihrem Zimmer auf, wie die 49-Jährige mit ihrem PC schreibt. «Ich bin auch verantwortlich, dass die Einnahmen aus Verkäufen an Mitarbeitende in die Flohmarktkasse fliessen», schreibt Denise Blaser. Und weiter: "Diese Arbeit erledige ich sehr gern, auch weil es mir den Kontakt mit der Kundschaft ermöglicht." Verkauft wird die Flohmarktware noch über einen weiteren Kanal. Cedric Jenzer – auch er ist schwer behindert im Rollstuhl – stellt Angebote auf Ricardo.ch. "Zuletzt habe ich eine Kamera verkauft", freut er sich. Das neueste Angebot sei ein Klavierstuhl.

 

18.30 Uhr. Der Flohmärit schliesst. "Auf Wiedersehen. Danke für Ihren Besuch", tönt es zum Abschied aus Alexandra Ramseiers Sprachcomputer. Sie selber schenkt zum Abschied ein Lächeln.

 

[i] Die Stiftung Aarhus: Fünf Standorte

 

Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit schweren Körper- und Mehrfachbehinderungen finden bei der Stiftung Aarhus Betreuungs-, Bildungs-, Wohn- und Therapieangebote. Ausser im alten Spital Grosshöchstetten hat Aarhus Standorte in Gümligen, Muri, Wichtrach und Zollikofen.

 

Der Flohmärit im Untergeschoss am Neuhausweg 6 in Grosshöchstetten findet jeden Donnerstag von 13.30 bis 18.30 Uhr statt. Gut erhaltene gebrauchte Artikel können jederzeit gebracht werden. Das Aarhus führt auf Anfrage auch Hausräumungen durch.

 

www.aarhus.ch


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Erstellt: 02.04.2014
Geändert: 02.04.2014
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