Grosshöchstetten - In der Opposition
Susanne Berger tritt kürzer. Aber engagiert wird sie wohl bleiben.
Susanne Berger blinzelt und kramt ihre Sonnenbrille hervor. Ein Spaziergang durchs Dorf biete sich doch an, an diesem sonnigen Nachmittag im Dezember. Beim Spazieren durch Grosshöchstetten grüsst sie hier jemanden, fragt da nach dem Befinden. Geschichten kennt sie zu jedem Gebäude.
Berger wohnt seit über zwanzig Jahren in Grosshöchstetten. Fast gleich lang ist sie engagiert in der Kerngruppe der SP – gemeinsam mit Karin Berger und Martin Binggeli koordiniert sie die Parteiaktivitäten. Herkömmliche Strukturen wie einen Vorstand gibt es nicht mehr. Wie vielerorts im Osten von Bern hat es die SP in Grosshöchstetten nicht leicht. Seit 2013 ist sie ohne Vertretung im Gemeinderat. Wieso engagiert man sich dennoch für die SP? «Das Leben hat mich einfach so dazu gebracht.»
Die Vergangenheit
Kurz nachdem sie mit Mann und Kindern ins Dorf gezogen war, fragte sie der damalige SP-Präsident, ob sie für die Schulkommission kandidieren wolle. «Ich war an Politik zwar interessiert, strebte aber nie ein Amt an», sagt Berger. Dennoch trat sie an – beim zweiten Anlauf schaffte sie es. «Die SP und ihr Präsident galten zu jener Zeit als Stürmis.» Ihr habe das gefallen. «Es ist besser, etwas zu machen statt immer nur die Faust im Sack.» Doch was konnte die SP machen? «Wir haben Fragen gestellt und gaben uns erst zufrieden, wenn wir Antworten erhielten.»
Berger schlendert durch Grosshöchstetten und bleibt vor der Militärunterkunft stehen. Das Gebäude spielte immer mal wieder eine Rolle für sie. Etwa 2014, als der Kanton nach Unterkünften für unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) suchte. «Ob unsere Militärunterkunft wohl geeignet wäre?», fragte sie sich damals. Kurzerhand erkundigte sie sich beim Kanton. Der Gemeinderat fühlte sich hintergangen. Eier landeten an der Fassade der Bergers, anonyme Drohbriefe im Briefkasten. Nur einen kurzen Moment habe sie ans Aufhören gedacht. Und konnte dann einen kleinen Erfolg verbuchen: In der Gemeinde wurde eine Integrationsgruppe gebildet.
Die Gegenwart
2018. Die UMA zogen nie nach Grosshöchstetten. Trotzdem hört man an diesem Samstag Anfang Dezember die unterschiedlichsten Sprachen in der Küche der Militärunterkunft. Aus den Töpfen dampft es. Curry, Sambusa und Kottu Roti stehen auf der Speisekarte. Und mittendrin: Susanne Berger.
Sie kocht mit Frauen und Männern aus der Integrationsgruppe für die Besucher des Weihnachtsmarkts. «Welchen Knopf muss ich drücken, Susi?» «Es gibt ein Problem!» «Susi, meine Schürze ist zu weit! Machst du mir die Klammer dran?» Berger rennt vom einen in den anderen Raum, hört hier zu, löst da ein Problem. Nicht nur reden, sondern wirklich etwas machen, das sei ihr wichtig.
Die Zeiten, in denen die SPler als Stürmis galten, sind vorbei. Zwar sei es nicht einfach ohne eigenen Gemeinderat. «Wir sehen nicht so richtig rein und haben nicht immer alle Informationen.» Dennoch spüre man in der Bevölkerung auch Unterstützung. So etwa, als die Partei Unterschriften für Tempo 30 sammelte. Die Petition wurde 2013 eingereicht – diesen Sommer sagte die Gemeindeversammlung Ja zu Tempo 30 auf Quartierstrassen. «Trotzdem will sich kaum jemand zur SP bekennen.» So erhalte man keine Listenstimmen für einen Sitz im Gemeinderat.
Die Zukunft
Wäre Susanne Berger auch in der Partei aktiv, wenn sie in einer Gemeinde mit einer präsenteren SP leben würde? «Ich denke schon. Die SP ist mir am nächsten. Und engagiert hätte ich mich wohl so oder so.» Seit zwanzig Jahren ist sie in der Kerngruppe. Das sei genug. Sie wolle Platz machen für neue Ideen. «Ich weiss die Gruppe in guten Händen. Karin Berger und Martin Binggeli finden bestimmt jemanden, der motiviert ist mitzumachen.»
Nach dem Spaziergang durchs Dorf setzt sich Susanne Berger auf einen Stuhl in ihrem Garten. Noch immer scheint die Sonne, in der Ferne ist das Stockhorn zu sehen. Und was wünscht sie sich für die Zukunft? «Mir liegt es am Herzen, dass Grosshöchstetten ein Dorfzentrum erhält. Einen Ort, wo sich die Menschen begegnen können.» Sie könnte sich auch vorstellen, dass die Militärunterkunft eine Rolle dabei spielt. «Einen solchen Saal, mitten im Dorf, den muss man doch für etwas Gutes nutzen.»