Grosshöchstetten - Gemeinderat zieht sich aus Gruppe Asyl zurück
Der Gemeinderat von Grosshöchstetten hat beschlossen, seine Vertretung aus der Gruppe Asyl zurückzuziehen. Der Entscheid kam für die freiwillig engagierten "Gotten" und "Göttis" überraschend. Ihre Arbeit wollen sie trotzdem weiterführen.
In Grosshöchstetten leben knapp 40 anerkannte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene in vom Kanton und von der Flüchtlingshilfe der Heilsarmee zugewiesenen Wohnungen. Die meisten von ihnen hätten sich sehr danach gesehnt, den engen und teilweise konfliktgeladenen Verhältnissen in den Asylzentren zu entfliehen, heisst es im letzten "Dorf-Spiegel". Danach würden sie aber oft von der Tatsache überrascht, wie einsam das Leben ausserhalb der Zentren ist und wie schwierig es sich gestaltet, mit Schweizern in Kontakt zu treten.
Hier kommt die Begleitgruppe Asyl ins Spiel. Gegründet wurde sie 2016. Die sogenannte "Flüchtlingswelle" war auf dem Höhepunkt und die Truppenunterkunft Grosshöchstetten war im Gespräch als Asylzentrum. Um den neu Angekommenen das Einleben zu erleichtern, bildete sich eine Begleitgruppe Asyl aus Vetretern von SP, freien Wählern, Landeskirche, Freier Evangelischer Gemeinde (FEG), dem Verein Welc-home sowie aus dem Frauenverein.
Der Bruch
Das wichtigste Projekt der Gruppe ist ein Gotten- und Götti-System, das jeweils eine Einzelperson oder eine Familie, die neu in der Gegend leben, und eine einheimische Gotte oder einen einheimschen Götti zusammenbringt. Ziel ist, dass die Asylsuchenden eine Bezugsperson vor Ort haben, mit der sie Deutsch praktizieren und Alltagsfragen besprechen können und von der sie Unterstützung erhalten, etwa bei der Arbeitssuche oder dem Knüpfen von Kontakten im Dorf. Eine andere wichtige Aktivität sind kostenlose Deutschkurse, geleitet von Freiwilligen. In der Pipeline ist auch das Projekt eines Freitagstreffs, wo sich Einheimische und Zugezogene begegnen könnten.
Die ersten Jahre hatte sich die Gemeinde an der Gruppe beteiligt. Der damalige Gemeinderat Andreas Oetliker leitete die Gruppe und koordinierte die Aktivitäten. Sein Nachfolger im Gemeinderat, Heinz Kähr, nahm bis Anfang Juni dieses Jahres ebenfalls noch an den Sitzungen teil. Dann kam es zum Bruch. Gemäss Susanne Hämmerli, Mitglied der Begleitgruppe Asyl, bat die Gruppe den Gemeinderat via Heinz Kähr um Unterstützung. "Etwa um ein kleines Budget für Kopien und Ähnliches für den Sprachunterricht, aber auch um einen Raum für den geplanten Freitagstreff", sagt sie.
Laut Gemeindepräsidentin Christine Hofer ist dies nicht korrekt. Im Gemeinderat sei ein Antrag um finanzielle Unterstützung nie Thema gewesen. Man habe aber darüber diskutiert, ob es noch Sinn mache, weiter aktiv an den Sitzungen der Begleitgruppe Asyl teilzunehmen. So bekam die Gruppe denn auch einen Brief der Gemeinde, in dem diese ihren Entschluss bekanntgab, sich aus der Gruppe zurückzuziehen, unterschrieben von Gemeindepräsidentin Christine Hofer und dem Gemeindeschreiber.
"Es stimmt schon, es muss nicht jedes Mal ein Gemeinderat dabei sein, die Sitzung kann auch jemand anders leiten. Aber was uns sehr enttäuscht hat, ist, dass wir einfach fallen gelassen wurden. Wir hätten erwartet, dass Heinz Kähr zumindest Hand bietet bei der Suche nach einer neuen Lösung oder auch bei der Klärung von Fragen", sagt Hämmerli.
Demgegenüber steht die Aussage von Heinz Kähr, dass wenn der Gemeinderat sich aus der Begleitgruppe zurückziehe, er nicht mehr verantwortlich sei, um gruppeninterne Lösungen zu finden. Selbstverständlich stehe er für Fragen jederzeit zur Verfügung.
"Investition in die Zukunft"
Gegenüber BERN-OST begründet Christine Hofer den Rückzug der Gemeinde damit, dass Bund und Kantone abdecken würden, was die Flüchtlinge brauchen, um hier leben zu können. "Durch die Abnahme der Flüchtlingszahlen hat sich die Akutsituation verändert und Betreuung und Begleitung sind besser gewährleistet."
Susanne Hämmerli findet diese Haltung kurzsichtig. "Die mit der Flüchtlingsversorgung betrauten Organisationen haben sehr beschränkte personelle und finanzielle Ressourcen. Nach sieben Jahren geht die Verantwortung ausserdem an die Gemeinden. Wenn wir den Leuten also jetzt bei der Integration helfen, ist das auch eine Investition in die Zukunft."
Mit der Gruppe werde es so oder so weitergehen. "Wir arbeiten mit der zuständigen Person bei der Heilsarmee Flüchtlingshilfe zusammen und werden uns auch mit der inskünftigen Kirchlichen Kontaktstelle für Flüchtlingsfragen (KKF) der Region Oberdiessbach, Grosshöchstetten und Konolfingen koordinieren. Auch mit der reformierten Kirche von Grosshöchstetten und mit der FEG sei man in Kontakt. "Wir hoffen aber, dass die politische Gemeinde uns die Räumlichkeiten für den Treff gratis zur Verfügung stellen und werden zu gegebener Zeit einen schriftlichen Antrag stellen."
Bei der Gemeinde ist man offen für diese Idee. „Der Gemeinderat wird den Antrag prüfen und ist offen für Anfragen dieser Art. Ist ein geeigneter Raum vorhanden, werden wir sicher Hand bieten", sagt Gemeindepräsidentin Hofer.