Giuseppe Bausilio: "Wir wohnen eng, aber wenigstens in Manhattan"
Der aus Boll stammende, bald 19-jährige Ballett-Tänzer und Schauspieler hat in New York bereits Karriere gemacht.
Markus Dütschler, Der Bund
Wenn Hund Billy nachts um zwei Uhr einmal muss, fährt Giuseppe Bausilio mit ihm im Lift vom 16. Stock hinunter und spaziert mit ihm auf dem Time Square. Dort sei es früher gefährlich gewesen, hat der bald 19-jährige Balletttänzer gehört, in den 1980er-Jahren, als New York versifft war.
Zwar treffe man noch immer Junkies an, die man mit der Zeit kenne, doch aggressiv seien sie nicht. Zumal die Polizei stets präsent sei – besonders an diesem weltberühmten Ort. Mit seiner Mutter Sônia Melo bewohnt «Giusi» eine 1,5-Zimmerwohnung. «Wir wohnen eng, aber wenigstens in Manhattan», sagt Bausilio – gleich wie viele New Yorker, die kleine Wohnungen im Zentrum bevorzugen, um nicht im günstigeren, aber weiter entfernten New Jersey wohnen zu müssen.
Sein Vater Alfonso Bausilio – er betreibt in Bern und Boll die mit Sônia Melo aufgebaute AS-Ballettschule weiter – kommt so oft wie möglich nach New York, dazwischen wird der Kontakt über Skype-Computertelefon gepflegt. «Es ist aber nicht das Gleiche», sagt der Sohn: «Der Vater fehlt mir sehr.» Der Hund heisst nicht zufällig Billy. «Billy Elliot» war die Rolle, für die Bausilio 2009 als 12-Jähriger aus unzähligen Bewerbern ausgewählt wurde – sein Karrierestart in Amerika.
Der Popstar Elton John schrieb für den weltweit gespielten Musical-Hit die Musik. Einmal, an der Opening Night in Chicago, als Elton John über den roten Teppich ging, fingen junge Mädchen zu kreischen an, aber nicht wegen des älteren Herrn, sondern wegen Giuseppe Bausilio, dem Hauptdarsteller.
«Billy Elliot» ist eine Art Rocky-Geschichte mit anderen Vorzeichen: Ein Bub soll nach dem Willen seines Vaters Karriere als Boxer machen, entdeckt aber das Ballett. Der Vater hat Mühe damit, ist für ihn Ballett doch etwas «für Frauen und Schwule».
Giuseppes richtiger Vater teilte diese Meinung natürlich nicht (siehe unten), im Gegenteil. Seit diesem Engagement hat «Giusi» das beschauliche Boll gegen die «Hauptstadt der Welt» eingetauscht, wie der Big Apple apostrophiert wird.
Rund um den Broadway hatte Giuseppe Bausilio in kleineren und grösseren Produktionen Auftritte, da sind kurze Wege zu den wichtigen Leuten im Showbiz wichtig. «Zentraler als wir kann man kaum wohnen», sagt Bausilio. Wenn er überraschend zu einer Audition eingeladen werde, einem Vorsprechen, Vortanzen oder Vorsingen, laufe er in die Wohnung und hole etwa sein Bewerbungsdossier oder ein bestimmtes Kostüm.
Verfügbar zu sein ist im Showbiz das A und O. Einmal sei eine Anfrage gekommen: ob er morgen Nachmittag vorbeikommen könne. Da er gerade in Asien in den Ferien weilte, war die Anfrage erledigt, und ein anderer bekam eine Chance. In Amerika hat Giuseppe seine Fähigkeiten erweitert, indem er die Sprache erlernte und Schauspielunterricht nahm.
«Heutzutage muss man schauspielern, singen und tanzen können», sagt das Multitalent. Eine Produktionsfirma nehme lieber einen Actor, der alles könne, statt drei Leute zu besetzen. Derzeit nimmt er Kurse bei einer Trainerin, die auch Nicole Kidman und andere Hollywood-Stars weiterbildet. Die Weiterbildung findet nachts statt, von abends sechs bis morgens sechs.
Ballett und Schauspielerei seien zwei verschiedene Dinge, sagt Bausilio. Mit viel Fleiss und Training könne man beim Ballett vieles erreichen, doch als «Actor» zähle die Persönlichkeit noch viel mehr. Zuschauer im Kino oder im Theater wollten Gefühle erleben, Tränen vergiessen, ergriffen werden. Bausilio blättert während des Interviews in seinem Schweizer Pass, in dem die neueste US-Genehmigung klebt, damit er gestern den Flug nach New York antreten konnte. Dann zeigt er auf dem Smartphone Szenen aus einer TV-Show.
Er spielt darin Prince Alfie, königlicher Sohnemann aus der Schweiz (!), als ob Helvetien nicht eines der republikanischsten Länder wäre. Auch einige Brocken Schweizerdeutsch kommen darin vor. Zwei Mädchen deuten auf Bausilio und sagen: «Das isch dä Prinz Alfred.» Der Film-Alfie, der eher wie ein Latin Lover aussieht denn wie ein rotbäckiger Eidgenosse, hatte die Produzenten vergeblich gebeten, den Prinzen lieber in eine andere fiktive Monarchie zu verlegen.
Manchmal übt Giuseppe Bausilio auf dem Balkon im 16. Stock auf seinem weissen Cello. «Als ich anfing, fand ich, es sei nicht so mein Instrument», sagt Giuseppe, der auch Klavier und Gitarre spielt. Doch er sei froh, dass ihn seine Mutter zum Weitermachen ermutigt habe. Ein Streichinstrument zwinge einen zum genauen Hören. «Früher habe ich beim Singen keinen Ton getroffen, doch dank des Cellos habe ich Singen gelernt.» Was steht als nächstes an? Das dürfe er erst sagen, wenn der Vertrag unterschrieben sei.
Von Boll nach New York.
Etwas Druck braucht es
Giuseppe Bausilio wird erst 19, hat aber schon eine jahrelange Karriere hinter sich. Im Alter von 12 Jahren wurde er für die Titelrolle im Musical «Billy Elliot» ausgewählt, das in vielen Städten gespielt wurde (siehe Haupttext).
Der Apfel ist nicht weit vom Stamm gefallen. Die Eltern, der gebürtige Italiener Alfonso Bausilio und die gebürtige Brasilianerin Sônia Melo, tanzten früher im Stadttheater Bern und gründeten später in Bern und Boll die AS-Ballettschule.
Giuseppes älterer Bruder Yannick Bittencourt tanzt derzeit in Paris, einzig die Schwester Simone Bausilio betrieb Ballett als Hobby, hat Schreinerin gelernt und arbeitet jetzt als Innenarchitektin.
Ballett wird oft mit «Tigermüttern» in Verbindung gebracht, die vor lauter Ehrgeiz ihre Kinder zu irgendwelchen Hobbys zwingen. Giuseppe Bausilio relativiert: «Wenn ein Kind keine Freude daran hat, wird es auch keinen Erfolg haben.»
Andrerseits brauchten Kinder «etwas Druck», damit sie eine Sache überhaupt probierten und nicht beim ersten Frust aufhörten. Dass seine Karriere so verlaufen sei, verdanke er seinen Eltern, die ihn immer wieder ermutigt und zum Weitermachen motiviert hätten.
Zwar treffe man noch immer Junkies an, die man mit der Zeit kenne, doch aggressiv seien sie nicht. Zumal die Polizei stets präsent sei – besonders an diesem weltberühmten Ort. Mit seiner Mutter Sônia Melo bewohnt «Giusi» eine 1,5-Zimmerwohnung. «Wir wohnen eng, aber wenigstens in Manhattan», sagt Bausilio – gleich wie viele New Yorker, die kleine Wohnungen im Zentrum bevorzugen, um nicht im günstigeren, aber weiter entfernten New Jersey wohnen zu müssen.
Sein Vater Alfonso Bausilio – er betreibt in Bern und Boll die mit Sônia Melo aufgebaute AS-Ballettschule weiter – kommt so oft wie möglich nach New York, dazwischen wird der Kontakt über Skype-Computertelefon gepflegt. «Es ist aber nicht das Gleiche», sagt der Sohn: «Der Vater fehlt mir sehr.» Der Hund heisst nicht zufällig Billy. «Billy Elliot» war die Rolle, für die Bausilio 2009 als 12-Jähriger aus unzähligen Bewerbern ausgewählt wurde – sein Karrierestart in Amerika.
Der Popstar Elton John schrieb für den weltweit gespielten Musical-Hit die Musik. Einmal, an der Opening Night in Chicago, als Elton John über den roten Teppich ging, fingen junge Mädchen zu kreischen an, aber nicht wegen des älteren Herrn, sondern wegen Giuseppe Bausilio, dem Hauptdarsteller.
«Billy Elliot» ist eine Art Rocky-Geschichte mit anderen Vorzeichen: Ein Bub soll nach dem Willen seines Vaters Karriere als Boxer machen, entdeckt aber das Ballett. Der Vater hat Mühe damit, ist für ihn Ballett doch etwas «für Frauen und Schwule».
Giuseppes richtiger Vater teilte diese Meinung natürlich nicht (siehe unten), im Gegenteil. Seit diesem Engagement hat «Giusi» das beschauliche Boll gegen die «Hauptstadt der Welt» eingetauscht, wie der Big Apple apostrophiert wird.
Rund um den Broadway hatte Giuseppe Bausilio in kleineren und grösseren Produktionen Auftritte, da sind kurze Wege zu den wichtigen Leuten im Showbiz wichtig. «Zentraler als wir kann man kaum wohnen», sagt Bausilio. Wenn er überraschend zu einer Audition eingeladen werde, einem Vorsprechen, Vortanzen oder Vorsingen, laufe er in die Wohnung und hole etwa sein Bewerbungsdossier oder ein bestimmtes Kostüm.
Verfügbar zu sein ist im Showbiz das A und O. Einmal sei eine Anfrage gekommen: ob er morgen Nachmittag vorbeikommen könne. Da er gerade in Asien in den Ferien weilte, war die Anfrage erledigt, und ein anderer bekam eine Chance. In Amerika hat Giuseppe seine Fähigkeiten erweitert, indem er die Sprache erlernte und Schauspielunterricht nahm.
«Heutzutage muss man schauspielern, singen und tanzen können», sagt das Multitalent. Eine Produktionsfirma nehme lieber einen Actor, der alles könne, statt drei Leute zu besetzen. Derzeit nimmt er Kurse bei einer Trainerin, die auch Nicole Kidman und andere Hollywood-Stars weiterbildet. Die Weiterbildung findet nachts statt, von abends sechs bis morgens sechs.
Ballett und Schauspielerei seien zwei verschiedene Dinge, sagt Bausilio. Mit viel Fleiss und Training könne man beim Ballett vieles erreichen, doch als «Actor» zähle die Persönlichkeit noch viel mehr. Zuschauer im Kino oder im Theater wollten Gefühle erleben, Tränen vergiessen, ergriffen werden. Bausilio blättert während des Interviews in seinem Schweizer Pass, in dem die neueste US-Genehmigung klebt, damit er gestern den Flug nach New York antreten konnte. Dann zeigt er auf dem Smartphone Szenen aus einer TV-Show.
Er spielt darin Prince Alfie, königlicher Sohnemann aus der Schweiz (!), als ob Helvetien nicht eines der republikanischsten Länder wäre. Auch einige Brocken Schweizerdeutsch kommen darin vor. Zwei Mädchen deuten auf Bausilio und sagen: «Das isch dä Prinz Alfred.» Der Film-Alfie, der eher wie ein Latin Lover aussieht denn wie ein rotbäckiger Eidgenosse, hatte die Produzenten vergeblich gebeten, den Prinzen lieber in eine andere fiktive Monarchie zu verlegen.
Manchmal übt Giuseppe Bausilio auf dem Balkon im 16. Stock auf seinem weissen Cello. «Als ich anfing, fand ich, es sei nicht so mein Instrument», sagt Giuseppe, der auch Klavier und Gitarre spielt. Doch er sei froh, dass ihn seine Mutter zum Weitermachen ermutigt habe. Ein Streichinstrument zwinge einen zum genauen Hören. «Früher habe ich beim Singen keinen Ton getroffen, doch dank des Cellos habe ich Singen gelernt.» Was steht als nächstes an? Das dürfe er erst sagen, wenn der Vertrag unterschrieben sei.
Von Boll nach New York.
Etwas Druck braucht es
Giuseppe Bausilio wird erst 19, hat aber schon eine jahrelange Karriere hinter sich. Im Alter von 12 Jahren wurde er für die Titelrolle im Musical «Billy Elliot» ausgewählt, das in vielen Städten gespielt wurde (siehe Haupttext).
Der Apfel ist nicht weit vom Stamm gefallen. Die Eltern, der gebürtige Italiener Alfonso Bausilio und die gebürtige Brasilianerin Sônia Melo, tanzten früher im Stadttheater Bern und gründeten später in Bern und Boll die AS-Ballettschule.
Giuseppes älterer Bruder Yannick Bittencourt tanzt derzeit in Paris, einzig die Schwester Simone Bausilio betrieb Ballett als Hobby, hat Schreinerin gelernt und arbeitet jetzt als Innenarchitektin.
Ballett wird oft mit «Tigermüttern» in Verbindung gebracht, die vor lauter Ehrgeiz ihre Kinder zu irgendwelchen Hobbys zwingen. Giuseppe Bausilio relativiert: «Wenn ein Kind keine Freude daran hat, wird es auch keinen Erfolg haben.»
Andrerseits brauchten Kinder «etwas Druck», damit sie eine Sache überhaupt probierten und nicht beim ersten Frust aufhörten. Dass seine Karriere so verlaufen sei, verdanke er seinen Eltern, die ihn immer wieder ermutigt und zum Weitermachen motiviert hätten.