Gerichtskreis Konolfingen: Staplerfahrer freigesprochen

Freispruch für den Mann, der beim Rückwärtsfahren mit dem Stapler einen Mann schwer verletzt hat. Das Gericht in Schlosswil konnte ihm kein fahrlässiges Verhalten nachweisen, und das Opfer ist in der Zwischenzeit gestorben.

Laura Fehlmann, Berner Zeitung BZ
Der Arbeitsunfall hat sich im August 2008 ereignet. Ein 76-jähriger Mann wollte bei einem Holzverarbeitungsbetrieb in der Region Bern Material abholen. Ein Staplerfahrer wollte diese Ware holen und wies den Kunden an, bei seinem Auto zu warten. Nachdem er die Ware gestapelt hatte, fuhr er rückwärts und übersah den 76-Jährigen, der den Korridor betreten hatte, im toten Winkel. Das Fahrzeug fuhr ihm über das rechte Bein, das später amputiert werden musste (wir berichteten). Der Verletzte selber konnte an den zwei Gerichtsverhandlungen nicht mitreden: Er ist in der Zwischenzeit an den Folgen seiner Diabetes verstorben.

«Schwierige Örtlichkeiten»

Gestern fanden sich der Staplerfahrer und ein Zeuge in Schlosswil ein. Gerichtspräsident Marco Ferrari befragte den Zeugen, einen Instruktor für Stapelfahrkurse. Er kennt den Betrieb, in dem sich der Arbeitsunfall ereignet hat, und sagte, es handle sich um «schwierige Örtlichkeiten». Der Zeuge bestätigte die Meinung eines zweiten Instruktors, wonach der Staplerfahrer in dieser Situation vor dem Rückwärtsfahren hätte absteigen und überprüfen müssen, ob sich niemand im Gefahrenbereich aufhalte. «Kunden sind unberechenbar», so der Zeuge.

«Pflicht wahrgenommen»

Der Verteidiger des angeschuldigten Staplerfahrers zitierte demgegenüber den Unfalltechnischen Dienst der Polizei. Aus diesem geht hervor, dass der Staplerfahrer seine Pflicht durchaus wahrgenommen, das Opfer dagegen die Warnung nicht beachtet habe und dem Stapler gefolgt sei.

«Besonnener Angestellter»

Der Angeschuldigte sei bei seinem Arbeitgeber als besonnener Angestellter bekannt, der täglich an die fünf Stunden mit dem Stapler fahre. Nach der Anweisung an den Kunden, beim Auto zu warten, habe der Staplerfahrer mit keiner Gefahrensituation mehr rechnen müssen. «Ein Aussteigen vor dem Rückwärtsfahren war nicht notwendig», sagte der Verteidiger und plädierte auf Freispruch.

«In dubio pro reo»

Gerichtspräsident Marco Ferrari sprach den Angeschuldigten frei. Die Kosten für Gericht und Verteidigung wird der Staat übernehmen. Ferrari hielt allerdings fest, dass der Angeschuldigte sich nicht vergewissert habe, wo der Kunde stehe. Dies stelle eine Sorgfaltsverletzung dar. Weil er aber dem Unfallopfer keine Fragen stellen konnte, war die Verwertung von dessen Aussagen auf Antrag der Verteidigung verboten. Dies hat gemäss dem Gerichtspräsidenten die Konsequenz, «dass das Gericht nicht wissen kann, wie und wann das Opfer in den Eingangsbereich der Lagerhalle geriet», begründete Ferrari seinen Freispruch und erklärte weiter: «In dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten. Es muss heute davon ausgegangen werden, dass das Unfallopfer vor dem Rückwärtsfahren selbst bei Beachten der Sorgfaltspflicht nicht sichtbar gewesen wäre.»

Bei dieser Sachlage sei die Verletzung der Sorgfaltspflicht für den Unfall nicht mehr relevant, so Ferrari in der Urteilsbegründung.

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Erstellt: 21.05.2010
Geändert: 21.05.2010
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