Gerichtskreis Konolfingen: Arbeitsunfall mit dem Stapler

Auf Schloss Schlosswil muss sich ein 43-Jähriger verantworten. Beim Rückwärtsfahren mit dem Stapler hat er einen Mann schwer verletzt. Dem Staplerfahrer wird nun fahrlässige schwere Körperverletzung vorgeworfen.

Christian Liechti, Berner Zeitung BZ
Eigentlich wollte der Mann Mitte August 2008 bei einer Firma in der Region Bern seine Ware abholen. Er landete jedoch im Spital, weil ihn der Staplerfahrer des Holzverarbeitungsbetriebs beim Manövrieren verletzte. Die Verletzung war so schwer, dass dem Mann das rechte Bein oberhalb des Knies amputiert werden musste.

Der Staplerfahrer fand sich gestern Nachmittag wegen des Unfalls erstmals vor dem Gericht auf Schloss Schlosswil ein. Gerichtspräsident Marco Ferrari führte eine erste Einvernahme mit dem Angeschuldigten durch. Dem 43-Jährigen Mann wird fahrlässige schwere Körperverletzung vorgeworfen.

Ob der Staplerfahrer wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung verurteilt wird, ist dem Unfallopfer egal. Der Mann ist vor knapp einem Jahr gestorben – nicht an den Folgen des Unfalls, sondern an Krebs.

Klare Anweisung gegeben

Der Angeschuldigte erinnerte sich vor dem Gerichtspräsidenten recht gut daran, was am verhängnisvollen Tag im Sommer 2008 vorgefallen ist. Bevor er die Fragen beantwortete, überlegte der Staplerfahrer jeweils lange. Der Mann sei mit dem Auto vor der Lagerhalle vorgefahren, habe gegrüsst und erklärt, was er wollte. Daraufhin habe er den Kunden angewiesen, draussen vor der Halle zu warten.

Als der Staplerfahrer mit seiner Maschine das Material aus dem Regal geholt hatte und zurückfuhr, erfasste er den Kunden. Der Angeschuldigte erklärte, dass er noch über die Schulter geblickt und hinter seinem Fahrzeug niemanden gesehen habe. Doch der Motor und die Hubgabel hätten einen Teil des Blickfelds verdeckt. «Weil ich den Mann angewiesen hatte zu warten, dachte ich nicht, dass er die Halle dennoch betreten würde», so der angeschuldigte Staplerfahrer. Er habe sein Fahrzeug nur im Schritttempo zurückgesetzt. «Zwischen den Rädern des Staplers und den Gestellen links und rechts ist lediglich ein Zwischenraum vom zehn Zentimetern. Da kann man nicht rasen.»

Bei der Frage, ob der Angeschuldigte die Sicherheitsmassnahmen vorschriftsgemäss eingehalten habe, kam die gestrige Einvernahme ins Stocken. Eine weitere Frage von Ferrari, wieso der Staplerfahrer vor dem Rückwärtsfahren kein Warnsignal abgegeben hatte, blieb unbeantwortet.

«Niemand hupt»

Das Hupen wird im Handbuch des Fahrzeuges ausdrücklich erwähnt. Darin ist nachzulesen, dass die Regalgassen mit dem Stapler langsam anzufahren sind und das Warnhorn betätigt werden muss. «In unserem Betrieb hupt niemand», erklärte der Angeschuldigte. Seine Firma habe ihn auch nicht instruiert, die Hupe zu benützen – auch nicht nach dem Unfall. Zudem habe er von einer solchen Sicherheitsmassnahme in seiner Ausbildung zum Staplerfahrer nichts gehört oder gelesen. Die Ausbildung liege aber schon einige Jahre zurück.

Hauptverhandlung vertagt

Eigentlich war geplant, gleich im Anschluss an die erste Einvernahme die Hauptverhandlung durchzuführen. Weil jedoch gestern zahlreiche Fragen noch unbeantwortet blieben, verschob Ferrari die Hauptverhandlung auf später. Bis dahin werden neuen Beweise gesichtet. Zudem hat der Gerichtspräsident angeordnet, dass Arbeitskollegen des Angeschuldigten und die Sicherheitsbeauftragten der Firma befragt werden.


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Erstellt: 23.01.2010
Geändert: 23.01.2010
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