Gericht: Nach dem Entzug die Strafe

Ein psychisch kranker Mann muss eine Suchttherapie absolvieren und ins Gefängnis. Er war im Psychiatriezentrum Münsingen gewalttätig geworden.

Johannes Reichen, Berner Zeitung BZ

Gerichtspräsident Martin Müller hat das Verdikt längst verkündet, als der Angeklagte mit einer viertelstündigen Verspätung endlich im Gerichtssaal auftaucht. Deshalb erhält der Beschuldigte von seinem Verteidiger das schriftliche Urteil zum Lesen. Als er fertig ist, zerknüllt er das Papier, wirft es auf den Tisch vor ihm und zieht sich beleidigt die Kapuze über den Kopf.

Doch Ruhe gibt er noch lange nicht. Erst fällt er dem Präsidenten ins Wort, beschwert sich lautstark. Dann steht er auf, verwirft die Hände, beschimpft das Gericht. Als er verwarnt wird, hat er genug. Er packt seine Jacke und verlässt den Saal im Nu.

Ihm, einem 42-jährigen Schweizer aus der Region Bern, gefällt so gar nicht, was er gelesen hat. Das Urteil des Regionalge-richts Bern-Mittelland lautet so: eine unbedingte 22-monatige Freiheitsstrafe, eine Geldstrafe von 160 Tagessätzen à 10 Franken und vor allem eine stationäre Suchtbehandlung.

Gewalttätiger Patient

Anfang 2014 war der Angeklagte als Patient im Psychiatriezentrum Münsingen ausfällig geworden. Mit einem Stuhl hatte er eine Pflegerin schlagen wollen, wurde aber gehindert. Auch warf er einen schweren Stein in ein Zimmer, in dem sich mehrere Personen aufhielten, traf indes niemanden (Ausgabe von gestern).

Für das Gericht gibt es keinen Zweifel, dass sich die Vorfälle so abgespielt haben. «Es gibt diverse stimmige Aussagen von Zeugen», sagt Müller. Es verurteilt den Mann wegen versuchter schwerer Körperverletzung. Weitere Schuldsprüche erfolgen wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte, Beschimpfung sowie weiterer Delikte.

Stationäre Therapie

Der Mann leidet unter einer Persönlichkeitsstörung. In den letzten zwanzig Jahren befand er sich mehrmals in psychiatrischer Behandlung. Er ist drogen- und alkoholabhängig, vor fünfzehn Jahren hatte er die letzte Arbeitsstelle. Auch die Gerichtsverhandlung beginnt schlecht. Er verschläft den Auftakt am Donnerstag und lässt das Gremium anderthalb Stunden warten.

«Er machte auf uns nicht den besten Eindruck», sagt Müller. Für das Gericht steht fest, dass nur eine stationäre Suchtbehandlung infrage kommt. Das aktuelle ambulante Setting bringe nichts. Von einer psychotherapeutischen Behandlung will es nicht wissen. «Vor allem muss er von den Drogen und vom Alkohol wegkommen.»

[i] Siehe auch:
News-Bericht "Münsingen - Immer mehr Gewalt in der Klinik" vom 2.3.2017...


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Erstellt: 04.03.2017
Geändert: 04.03.2017
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