Gericht: In der Tasche vermutete er Nazi-Akten
Es passierte im Zug von Worb nach Bern. Ein psychisch kranker Mann griff eine junge Frau an. Nun muss er sich stationär behandeln lassen.
Stephan Künzi, Berner Zeitung BZ
Als er erwachte, hörte er einen Hund bellen. Ihn durchfuhr der Gedanke, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sei eine Nazi, und dagegen müsse er etwas tun. Nicht einmal eine Stunde später sass er im Vorortzug von Worb nach Bern und schritt zur Tat. Er riss die Tasche einer Schülerin an sich, die mit ihm im Wagen sass. Er habe, sagte er später dem Arzt, Nazimaterial beschlagnahmt.
Die junge Frau setzte sich zur Wehr. Es gelang ihr, die Tasche wieder an sich zu nehmen, worauf er sie packte. Er drückte sie in den Sitz, schüttelte sie und würgte sie sogar. Er sei, sagte er später dem Arzt, ferngesteuert worden.
Für die Staatsanwältin, den Verteidiger und letztlich auch die Richterinnen und Richter war klar: Der Mann ist krank. Von einer paranoiden Schizophrenie war gestern die Rede, als der Fall vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland aufgerollt wurde, davon auch, dass er «wahngeleitet handeln muss». So formulierte es die als Gutachterin beigezogene Karla Thiele – und weiter: «Wenn er den Gedanken entwickelt, dass er verfolgt oder gar vergiftet wird, ist das für ihn emotional schwer zu ertragen.» In solchen Phasen sei die Gefahr gross, dass er sich zur Wehr setze und handgreiflich werde, warnte sie.
Geschlossen oder nicht?
Ins Bild passt, was der Verteidiger am Rand der Verhandlung erzählte: Kurz vor jenem verhängnisvollen Morgen Anfang Oktober 2011 habe sich der Mann einer Operation unterziehen müssen. In der Folge habe er sich in die Überzeugung hinein gesteigert, ihm sei bei diesem Eingriff ein Implantat eingesetzt worden, und nun könne man ihn via Internet dirigieren. Vor diesem Hintergrund drehte sich der Handel gestern vor allem um eine Frage: Gehört ein Mensch mit einer derartigen Krankheit in eine geschlossene Institution?
Ja, fand Staatsanwältin Irma Jaggi. Der Übergriff im Zug sei keine Bagatelle gewesen. Zudem gehe aus dem Gutachten hervor, dass der Mann noch heute einem komplexen Wahnsystem verfallen sei und die Rückfallgefahr gross sei. Erschwerend wirke sich aus, dass er lange Zeit die Krankheit negiert und die Medikation verweigert habe. Nein, fand Verteidiger Matthias Frey. Der Übergriff auf die junge Frau sei zwar überhaupt nicht harmlos gewesen.
Demgegenüber habe der Mann eine zweite Chance verdient. Seit einigen Monaten wohne er auf einem therapeutischen Hof, wo ihm sehr wohl sei, entsprechend habe sich seine Gesundheit stabilisiert. Ihn von hier weg an einen Ort zu verpflanzen, wo er sich eingesperrt fühle, werde sich negativ auswirken. «Er kann auf Druck heftig reagieren.»
Er soll bleiben, wo er ist
In dieser Situation rang sich das Gericht unter dem Vorsitz von Urs Herren zu einem salomonischen Urteil durch. Es verfügte im Sinn der Staatsanwältin eine stationäre Massnahme, überliess den Entscheid, ob diese tatsächlich in geschlossenem Rahmen vollzogen werden muss, aber der Vollzugsbehörde. Nicht ohne klar zu machen: Im Moment spricht nichts dagegen, dass der Mann bleibt, wo er ist.
Ja, fand Staatsanwältin Irma Jaggi. Der Übergriff im Zug sei keine Bagatelle gewesen. Zudem gehe aus dem Gutachten hervor, dass der Mann noch heute einem komplexen Wahnsystem verfallen sei und die Rückfallgefahr gross sei. Erschwerend wirke sich aus, dass er lange Zeit die Krankheit negiert und die Medikation verweigert habe. Nein, fand Verteidiger Matthias Frey. Der Übergriff auf die junge Frau sei zwar überhaupt nicht harmlos gewesen.
Demgegenüber habe der Mann eine zweite Chance verdient. Seit einigen Monaten wohne er auf einem therapeutischen Hof, wo ihm sehr wohl sei, entsprechend habe sich seine Gesundheit stabilisiert. Ihn von hier weg an einen Ort zu verpflanzen, wo er sich eingesperrt fühle, werde sich negativ auswirken. «Er kann auf Druck heftig reagieren.»
Er soll bleiben, wo er ist
In dieser Situation rang sich das Gericht unter dem Vorsitz von Urs Herren zu einem salomonischen Urteil durch. Es verfügte im Sinn der Staatsanwältin eine stationäre Massnahme, überliess den Entscheid, ob diese tatsächlich in geschlossenem Rahmen vollzogen werden muss, aber der Vollzugsbehörde. Nicht ohne klar zu machen: Im Moment spricht nichts dagegen, dass der Mann bleibt, wo er ist.