Gericht: Gefahr war nicht voraussehbar
Am Anfang war ein Teelicht, das ein Stöckli zerstörte und mehrere Menschenleben gefährdete. Die tragische Geschichte endet nun mit einem Freispruch.
Ein zerstörtes Stöckli, drei Menschen in Lebensgefahr, Tränen und Traumata: All das löste einunbeaufsichtigtes Teelicht aus. Die drei Bewohner des Stöckli in der Gemeinde Vechigen verloren bei dem Brand alles. Was übrig blieb: ein Gerichtsprozess.
Die Richterin Salome Krieger rekonstruierte an der gestrigen Urteilsverkündung in Bern den verheerenden Abend so: Der Angeklagte ging ins Bett und wachte wegen eines verdächtigen Geräuschs auf. Im Wohnzimmer sah er das brennende Sofa. Er probierte das Möbelstück aus dem Stöckli zu bugsieren, dieses verklemmte sich allerdings in der Eingangstüre. Das Feuergriff auf die Holzlaube über und führte in kürzester Zeit zu einer Feuersbrunst.
Das Ehepaar, welches im oberen Stock schlief, hörte plötzlich Schreie. Beide mussten sich über die Laube retten, sprangen zwei Meter in die Tiefe. Sie erlitten eine Rauchvergiftung. In Unterhosen und Finken mussten sie zuschauen, wie ihr Hab und Gut verbrannte. Insgesamt entstand ein Sachschaden von mehr als einer Million Franken.
Nicht fahrlässig gehandelt
Diese Erlebnisse belasten sowohl das Ehepaarals auch den Angeklagten bis zum heutigen Tag. Der Ehemann zog während der Urteilsverkündung immer wieder seine Brille aus, schüttelte den Kopf. Er wirkte aufgebracht. Und als es um die Details des Unglücks ging, verliess er abrupt den Gerichtssaal. Er verlor bei dem Brand Dinge, die mit keinem Geld der Welt ersetzt werden können. So etwa seine Helikopter, die er gern zusammenbaute und einen Wert von 40'000 Franken hatten.
Die Richterin hielt im Saal einen typengleichen Kerzenhalter hoch und erklärte, wie eine normale Rechaudkerze einen solchen Grossbrand auslösen konnte. Als nur noch wenig Wachs in der Kerze war, rutschte das kleine Metallplättchen, der Dochtfuss, an den Rand des Alubechers und erhitzte diesen so stark, dass das Glas zersprang. Was ebenfalls möglich ist: Die Aufhängevorrichtung ging durch die Hitze kaputt, und die Kerze fiel herunter. Sicher ist, dass die Kerze den Stoffbezug des Sofas entzündete und so den Brand auslöste.
Der Angeklagte wurde von der Anschuldigung des fahrlässigen Verursachens einer Feuersbrunst freigesprochen. Dies, weil nicht alle Voraussetzungen für ein fahrlässiges Handeln gegeben seien. Laut der Richterin verletzte der Angeklagte zwar seine Sorgfaltspflicht. Das erlaubte Risiko sei überschritten, wenn man den Raum nicht nur für einen kurzen Moment verlasse, sondern sich ins Bett lege, ohne alle Kerzen auszulöschen. Der Angeklagte habe aber nicht vorhersehen können, dass ein Teelicht in einem dafür konzipierten Produkt so unkontrolliert abbrennen kann.
Sogar Stichflamme möglich
Ein Normalbürger gehe davon aus,dass einTeelicht einfach erlösche, sobald es abgebrannt sei. Bei einem Teelicht rechne man schlichtweg nicht mit einer solchen Gefahr. "Die Wahrscheinlichkeit eines unkontrollierten Abbrennens einer Rechaudkerze ist sehr klein", sagte die Richterin. Ein Brandexperte erklärte in der Verhandlung von vergangener Woche, dass dabei sogar eine Stichflamme entstehen kann. Dieses seltene Ereignis zusammen mit der Aufhängevorrichtung, das die Richterin als "stümperhafte Konstruktion" betitelte, genügte für den tragischen Brandfall. Die Anwalts- und Verfahrenskosten gehen zulasten des Kantons. Gegen das Urteil kann Berufung eingelegt werden.