Gemeindewahlen Worb: Pragmatiker gegen wirbligen Macher

Bleibt Niklaus Gfeller Gemeindepräsident von Worb oder löst ihn Jonathan Gimmel ab? Am 25. November entscheiden die Worber zwischen dem ruhigen, sachorientierten Präsidenten und dem Gemeinderat, der die Exekutive mit neuem Schwung führen möchte.

Herbert Rentsch, Berner Zeitung BZ
Niklaus Gfeller (EVP)

Er ist seit vier Jahren Gemeindepräsident. Niklaus Gfeller (48) kandidiert erneut, obwohl er hart kritisiert wird. Der ruhige, pragmatische Gfeller schätzt den Kontakt zu den Menschen. Und er ist zuversichtlich, die Wahl zu schaffen.

Im obersten Stock der Worber Gemeindeverwaltung steht die Tür zu Niklaus Gfellers Büro offen, so wie die meisten andern auch. Der Gemeindepräsident sitzt am Tisch und gibt entspannt Auskunft. Fast vier Jahre ist er im Amt. «Da ist man es den Wählern schuldig, nochmals anzutreten», sagt er. Gfeller gab schon Anfang Jahr bekannt, dass er wieder kandidieren werde. Seine politischen Gegner wären glücklicher gewesen, wenn er auf die Wiederwahl verzichtet hätte. In ihren Augen macht Gfeller keine gute Figur als Gemeindepräsident. Er wurde in den vergangenen zwei Jahren immer wieder kritisiert. Besonders frustriert war Gfeller, als ihm der Gemeinderat diesen Frühling das Departement Planung wegnahm. «In solchen Momenten ist es wichtig, ein Netz von Leuten zu haben, die einen tragen», sagt er. Um Ruhe zu finden, marschiere er oft eine Runde, meist frühmorgens. Kraft bezieht das EVP-Mitglied Gfeller auch aus dem Glauben. Dieser sei ein wichtiger Teil seines Lebens, sagt er.

Zu viele grosse Projekte

Sieht Gfeller rückblickend Entwicklungen oder Geschäfte, bei denen etwas falsch lief? «Die geballte Ladung von grossen Projekten war wohl zu viel», bilanziert er. «Das Projekt Dreiklang hätte um zwei Jahre verschoben werden können.» Ähnliches sagt er über die Ortsplanungsrevision, die an der Urne abgelehnt wurde: «Wir hätten sie ruhiger angehen und besser in der Bevölkerung verankern sollen.» Bei seiner Arbeit als vollamtlicher Gemeindepräsident helfen ihm Ausbildung und Berufserfahrung. Beides verlief nicht geradlinig. Nach der Matur arbeitete er im der Verbandsmolkerei Bern, wo er an Maschinen stand und in der Verwaltung aushalf, zuerst im Vollzeitjob, später Teilzeit als Student. Sein Chemiestudium schloss er an der Uni Bern ab und erwarb den Doktortitel. Sechs Jahre war er Oberassistent an der Uni Bern, dann stieg er in den Lehrerberuf ein. Bis zu seiner Wahl als Gemeindepräsident 2008 unterrichtete er am Gymer Neufeld Chemie, Physik und Mathematik. Seit dreizehn Jahren ist er Grossrat, von 2003 bis 2008 war er Worber Gemeinderat. «Ich habe viel Unterschiedliches gesehen, das prägte mich», sagt Gfeller. Er ist verheiratet und Vater von fünf erwachsenen Kindern. Über Jahre beherbergten die Gfellers zudem Pflegekinder. Fotografieren lässt sich Niklaus Gfeller auf dem Bahnhof Worb Dorf. «Der öffentliche Verkehr ist für Worb ganz wichtig», begründet er. Die Verbindungen seien «supergut, man kommt überall schnell hin». Niklaus Gfeller und seine Frau benützen den ÖV denn auch fleissig. Ein Auto besitzen sie nicht.

«Zäme z Schlag cho»

Noch anderes schätzt Gfeller an Worb. Zum Beispiel die verschiedenen Dörfer der Gemeinde und die teils ländliche, teils fast städtische Bevölkerung. «Da sind unterschiedliche Menschen zusammen unterwegs. Man muss versuchen, ‹zäme z Schlag z cho›, das ist spannend.» Er freut sich auch über den Wislepark. Das sanierte und erweiterte Sport- und Freizeitzentrum ist im Mai eröffnet worden. Der Gemeindepräsident war beim Umbau als AG-Präsident an vorderster Front dabei. Anderes macht ihm Sorgen: das Ladensterben in Worb und Rüfenacht, die Abwanderung von Senioren in die Agglomeration Bern. Letzteres zeigt sich an fehlenden Steuereinnahmen. Deshalb schwebt Niklaus Gfeller im Mühleacker eine Überbauung mit Generationenwohnungen vor. «Unser Ziel muss sein, die Bevölkerungszahl zu halten. Das ist eine grosse Herausforderung, aber realistisch.» Ihm ist auch wichtig, dass nach der Umgestaltung der Bern- und der Bahnhofstrasse immer noch Verkehr durch Worb rollt, damit die Läden weiterbestehen können. Wenn Gfeller am 25. November gewählt wird: Kann der Gemeinderat funktionieren mit Gewählten, die sich vor kurzem von ihm distanziert haben? «Es braucht eine klare Zäsur», sagt er. «Jeder muss sein Ja finden zu den Mitgliedern und zum ganzen Team.»


Jonathan Gimmel (SP)

Er gilt als Macher und zielgerichteter Stratege: Jonathan Gimmel (41) möchte Worb neuen Schwung verleihen. Er hat zahlreiche Ideen, wie er als Gemeindepräsident die Attraktivität des Dorfes steigern könnte.

Jonathan Gimmel hat sich aufs Treffen mit dem Journalisten vorbereitet. Auf einem Dutzend Blätter sind seine wichtigsten Grundsätze und Ideen ausgedruckt, die auch auf der Website stehen. In der Lounge des Wisleparks, Worb – Gimmel ist Vizepräsident der AG und hat Sanierung und Neubau des Sport- und Freizeitparks mitgeprägt –, gibt er auf die Fragen Antwort, meistens spontan, teilweise zitiert er aus seinen Blättern. Kurz zuvor hat sich Gimmel für den Fotografen auf den Parkplatz neben dem Migros-Kreisel gestellt. «Wohlklang statt Missklang», heisse die Devise, sagte er und spielt damit auf das Projekt Dreiklang an: Seit Jahren wird eine Überbauung mit Geschäften und Alterswohnungen geplant, die Verhandlungen mit den Investoren sind noch im Gang. Gimmel zeigt auf den Platz und den Wislepark. «Das ist ein bedeutender Ort für die Zukunft Worbs. Hier der Wohn- und Geschäftsbereich und dahinter der Wislepark für eher jüngere und sportliche Leute.»

Er will viele Projekte anpacken

Für Gimmel ist klar: Die Überbauung Dreiklang wird realisiert. Doch auf vielen Gebieten sieht er Stillstand. In Worb bestehe grosser Handlungsbedarf. Er verhehlt nicht, dass es im Gemeinderat unter Gemeindepräsident Gfeller nicht so gelaufen ist, wie er es sich gewünscht hätte. Das ist auch der Grund, warum er fürs Präsidium kandidiert. Auf dem Blatt zu seiner Kandidatur kritisiert er die Arbeit seines Gegenspielers. Und er legt dar, wie er sich die Führungsrolle des Gemeindepräsidenten vorstellt: kommunikativ, zielgerichtet, auf Strategien aufbauend, mit Visionen im Blick und selber anpackend. All das vermisst er bei Gfeller. Wenn es um die Zukunft Worbs geht, sprudelt es nur so aus Gimmel heraus. Enthusiastisch nennt er Projekte, die er als Gemeindepräsident anpacken würde: einen Familienspielplatz lancieren, die wirtschaftliche Entwicklung im Worbboden forcieren, mit Anlässen im Worber Zentrum den Einkaufsort stärken, Attraktionen für den Wislepark etablieren und auf die Einzonung der Bächtelmatt hinarbeiten, um ein neues Siedlungsgebiet zu schaffen und die Umfahrungsstrasse weiterzuführen. Sind das nicht etwas viele Projekte, die Gimmel in Angriff nehmen möchte? «Nein», sagt er. «In Worb haben wir Vereine, Sportklubs,Gewerbetreibende, eine starke Verwaltung und einen motivierten Gemeinderat. Wenn man das nicht nutzt, ist dieses Potenzial vergeigt.» Jonathan Gimmel ist in Münsingen aufgewachsen. Seit 1991 lebt er in der Gemeinde, zuerst in Rüfenacht, heute in Worb. Der 41-Jährige ist verheiratet und Vater eines Sohnes und einer Tochter. Der Personalfachmann hat die Fachhochschule Bern mit einem Master abgeschlossen, Schwerpunkt: Führung öffentliche Verwaltung. Gimmel arbeitet seit 22 Jahren bei der Präsidialabteilung der Stadt Bern, heute als stellvertretender Leiter Personal, Finanzen und Berufsbildung.

Zweiter Anlauf ist breit abgestützt

Seine politische Laufbahn begann bei den Freien Wählern Worb. Für sie zog er 1994 in den Grossen Gemeinderat (GGR). Später, als sich die Freien Wähler auflösten, trat er der SP bei. Dem Gemeinderat gehört er seit 2005 an, er leitet das Departement Finanzen. Vor vier Jahren trat er schon einmal zur Präsidentenwahl an – für die Nachfolge von Peter Bernasconi (SP). Er schied damals im ersten Wahlgang gegen Niklaus Gfeller (EVP) und Hanspeter Stoll (FDP) aus. Jetzt stehen die Vorzeichen anders. Gimmel greift den amtierenden Präsidenten an. Und er geniesst breite Unterstützung. Hinter seiner Kandidatur stehen die grossen Parteien SP, SVP und FDP und das Worber Gewerbe. Fest steht: Wenn Jonathan Gimmel Gemeindepräsident wird, zieht sich Niklaus Gfeller aus dem Gemeinderat zurück. Was aber, wenn Gimmel die Wahl nicht schafft? «Ich bin Sportsmann», sagt er. «Es ist ein demokratischer Prozess: Wer als Herausforderer antritt, muss mit einer Niederlage umgehen können.» Würde er aber im Gemeinderat bleiben? Gimmel bleibt vage: «Das bewerte ich, wenn es so weit kommt. Es hängt auch von der Konstellation im Gemeinderat ab.»

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Erstellt: 09.11.2012
Geändert: 09.11.2012
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