Abgesagte Gemeindeversammlungen: Unmögliche Wahl und Kredit per Notrecht
Aufgrund des geltenden Veranstaltungsverbots ist die Durchführung von Gemeindeversammlungen derzeit kaum möglich. In den meisten Gemeinden der Region können die nächsten Termine deshalb nicht stattfinden. Das kann problematisch sein, wenn wichtige Geschäfte anstehen, wie in Oppligen und Bolligen.
In Oppligen steht die dringende Wahl eines Gemeinderatsmitglieds an. Im Dezember verstarb Gemeinderätin Brigitte Blaser unerwartet. "Es ist eine spezielle Situation für uns", sagt Gemeindepräsident Peter Schmid (parteilos). In einer kleinen Gemeinde wie Oppligen gebe es nämlich niemanden, der oder die automatisch nachrücken würde. "Wir sind froh, wenn wir jemanden finden", so Schmid.
Da eine interimistische Wahl rechtlich unmöglich sei, sei Blasers Amt "Sicherheit und Soziales" vorerst auf zwei andere Gemeinderatsmitglieder aufgeteilt worden. Schmid selber betreut nun neben dem Präsidialen und den Finanzen auch die Sicherheit, Karin Anneler übernahm zusätzlich zur Bildung das Soziale. "Das funktioniert im Moment, weil keine Sitzungen stattfinden und wegen des Coronavirus' sowieso wenig läuft", so Schmid.
Keine Wahl ohne Souverän
Die Gemeinde hat für das Amt nun eine Bewerbung. Doch aufgrund des Veranstaltungsverbots und der damit unmöglichen Gemeindeversammlung könne kein Wahlprozedere stattfinden. "Es braucht den Souverän", so Schmid.
Bei dringenden Geschäften gibt es derzeit zwei Möglichkeiten für die Gemeinden: Entweder, sie beantragen eine Urnenabstimmung, wofür sie triftige Gründe geltend machen müssen, oder sie wenden Notrecht an. "Unter Notrecht zu wählen, wäre politisch gesehen sehr speziell, auch wenn es von unseren Bürgerinnen und Bürgern wohl akzeptiert würde", sagt Schmid zu der Oppligen offenstehenden Option. Der Gemeinderat hoffe nun, dass das für die Gemeindeversammlung angestrebte Ersatzdatum im August wahrgenommen werden könne.
Kindergarten dringend gebraucht
In Bolligen geht es um einen Kredit im Umfang von 900'000 Franken für einen neuen Kindergarten. Die Gemeindeversammlung, an der darüber abgestimmt werden soll, ist für den 9. Juni vorgesehen. Das Veranstaltungsverbot gilt zwar vorerst nur bis am 8. Juni, eine Durchführung ist zurzeit aber eher unwahrscheinlich. Falls die Gemeindeversammlung abgesagt werden muss, überlegt der Gemeinderat, den Kredit per Notrecht selber zu beschliessen. Das ist gemäss Gemeindeverfassung in ausserordentlichen Lagen möglich, wenn ein Geschäft unaufschiebbar ist.
Das sei hier der Fall, sagt Gemeindepräsidentin Kathrin Zuber (FDP). Wie lange das Kindergarten-Provisorium an der Flugbrunnenstrasse noch betrieben werden könne, sei unklar. Ob man wirklich zum Notrecht greife, werde der Gemeinderat an seiner nächsten Sitzung beschliessen.
Ein Herausschieben des Geschäfts bis zu einem allfälligen Ersatzdatum für die Gemeindeversammlung komme jedenfalls nicht in Frage, erklärt Zuber, zumal auch noch nicht garantiert sei, dass im Herbst das Versammlungsverbot aufgehoben sei. "Vielleicht kommt dann auch die zweite Corona-Welle."
Die meisten Gemeinden verschieben
In der Region haben gemäss den Recherchen von BERN-OST mit zwei Ausnahmen alle Gemeinden ihre Gemeindeversammlungen abgesagt oder werden es noch tun. Bestehende Traktanden werden auf ein Verschiebedatum oder die nächste reguläre Gemeindeversammlung verschoben. Neben Bolligen hält auch Oberthal vorerst an der für den 15. Juni geplanten Versammlung fest.