Gemeindeversammlung Vechigen: Mehr Hundetaxe und zu wenig Fahrgäste im Postauto
An der Versammlung vom Samstag stellte der Gemeinderat in Aussicht, schon bald die Steuern zu senken – ausser für die Hunde, für die in Zukunft 20 Franken mehr pro Jahr fällig sind. Sorge bereitet die ÖV-Nutzung: Um die erweiterten Fahrpläne zu behalten, müssten die Vechiger:innen öfter das Postauto nehmen. Weiter ging es an der Gemeindeversammlung um einen Fussweg und um Flachdächer, die nicht allen gefallen.
Nicht mehr ganz so viele wie letztes Mal fanden am Samstag den Weg nach Utzigen an die Gemeindeversammlung Vechigen. Mit 110 Stimmbürger:innen betrug die Beteiligung 2,6 Prozent.
1. Finanzskandal
Noch bevor Versammlungsleiter Hans Zoss den anwesenden Vechiger:innen die Tagesordnung vorlas, informierte Gemeindepräsidentin Sybille Schwegler (SVP) über die laufende Untersuchung zur Veruntreuung von vier Millionen Franken durch den ehemaligen Finanzverwalter der Gemeinde. Sie bekräftigte, dass sich die Gemeinde Vechigen gegenüber Ittigen nicht als Schuldnerin sehe und informierte über die Arbeitsgruppe, die der Gemeinderat in der Sache gegründet hat (BERN-OST berichtete). Noch immer habe man in der Gemeindekasse kein Loch gefunden, also keinen direkten finanziellen Schaden durch die Veruntreuung. Der Fall beschäftige Gemeinderat und Verwaltung aber nach wie vor.
2. Viel Geld – bald weniger Steuern?
Auch sonst sind die Finanzen der Gemeinde gesund, das zeigt sich im Budget und im Finanzplan für die nächsten Jahre. Der allgemeine, steuerfinanzierte Haushalt schliesst nächstes Jahr mit einem Plus von 843'000 Franken ab. Das Geld legt die Gemeinde in die finanzpolitische Reserve ein, die bis Ende 2023 auf 7,2 Millionen Franken anwächst.
Für die guten Aussichten sorgen vor allem höhere Erträge bei den Einkommenssteuern natürlicher Personen um 700'000 Franken. Insgesamt rechnet die Gemeinde 2023 mit rund 16,6 Millionen Franken Steuereinnahmen. Wegen dem Zuzug neuer Steuerzahler:innen werde dieser Betrag weiter steigen, für die kommenden Jahre rechnet der Gemeinderat mit Ertragsüberschüssen von bis zu 1,2 Millionen Franken pro Jahr. Obwohl in der fünfjährigen Planphase auch Investitionen von total 27 Millionen vorgesehen sind, werde man prüfen, ob 2024 die Steuern gesenkt werden können, kündigte Gemeinderat Hans-Rudolf Galli (SVP) an. Nächstes Jahr bleiben sie noch unverändert bei 1,64 Einheiten. "Wir wissen nicht, was kommt, aber grundsätzlich geht es der Gemeinde finanziell sehr gut", so Galli.
3. Schulraumplanung: Grösster Brocken ist durch
Die Gemeinde Vechigen hat einiges vor in den nächsten Jahren. Totalsanierungen stehen an beim Klassen- und Hallentrakt der Schule Utzigen und beim Hallentrakt der Schule Sinneringen. In Sinneringen ist ausserdem ein neuer Kindergarten geplant und im Schulhaus Lindental eine neue Heizung. Für die nächsten fünf Jahre sind fast 14,5 Millionen Franken eingestellt für die Schulanlagen. Der allergrösste Brocken aber, den hat die Gemeinde schon geschafft. Am Samstag präsentierte Gemeinderat Erich Bolz (SP) die Kreditabrechnung für die Erweiterung und Gesamtsanierung der Schulanlage Stämpbach. Der Kredit von 15,74 Millionen Franken wurde um 440'666 Franken überschritten, das sind 2.8 Prozent. "Zum Glück haben wir das schon fertig", sagte Bolz mit Blick auf die steigenden Kosten von Baumaterial und Energie.
4. Mehr Gebühren für Hunde und Baubewilligungen
Wer einen Hund hat muss in Vechigen in Zukunft mehr zahlen. Die Gebühr steigt ab nächstes Jahr auf 80 Franken pro Hund. Bisher zahlte man für den ersten Hund 60 Franken und für jeden weiteren 100 Franken. Mit den Mehreinnahmen von zirka 3500 Franken könne der Betrieb der Robidogkästen wieder gedeckt werden, heisst es in der Botschaft zur Versammlung.
Etwas mehr zahlen müssen auch die Hausbesitzer:innen. Zusätzlich zu den bisherigen Gebühren für den Aufwand der Verwaltung bei Baubewilligungen, zahlen sie ab nächstes Jahr zusätzlich eine baukostenabhängige Gebühr für die Bewilligung an sich. Mit beiden Veränderungen wolle man sicher stellen, dass das Verursacher:innenprinzip eingehalten wird.
5. Postautos werden zu wenig genutzt
Seit einem halben Jahr verkehren mehr Postautos zwischen Boll und Utzigen sowie zwischen Boll und Oberfeld/Obermoos. Auf den beiden Kursen wurden Fahrplanlücken geschlossen und die abendlichen Fahrten bis 21.30 Uhr ausgedehnt. Für den zweieinhalbjährigen Pilotversuch kommt die Gemeinde alleine auf. Werden die zusätzlichen Postautokurse gut genutzt, gehen sie danach ins reguläre ÖV-Angebot über. Dafür reichten die aktuellen Zahlen aber noch nicht, mahnte Hanspeter Steiner von der Vechiger Arbeitsgruppe Energiestadt. Sein Appell an die Bewohner:innen der beiden Ortsteile: "Braucht das Busangebot! Es wäre mein Wunsch, dass es bleibt."
6. Applaus, aber keine Gefolgschaft für Satteldächer
Dass in der entstehenden Überbauung Bollpark Süd Häuser mit Flachdächern gebaut werden, passe nicht ins Dorfbild, fand Martin Rindlisbacher, der vor einem halben Jahr die Gemeindeversammlung mit seinem satirischen Blick auf die Bautätigkeit im Dorf unter "Verschiedenes" entzückt hatte. Das gelte auch für die Überbauungsordnung Schlossstrasse/Lindentalbach, die zurzeit überarbeitet wird. Für seine Ausführungen erhielt Rindlisbacher auch dieses Mal warmen Applaus. Seinen Antrag, im Perimeter Schlosstal/Lindenstrasse nur mit Ziegeln gedeckte Satteldächer zuzulassen, lehnte trotzdem die grosse Mehrheit ab.
7. Fussweg Moosgasse-Ausserhaus: Gemeinde machte alles richtig.
Im Rechtsstreit um die Aufhebung eines Fusswegs, der die beiden Quartiere Moosgasse und Ausserhaus verbindet (BERN-OST berichtete), hat die Gemeinde auf der ganzen Linie recht bekommen. Nicht nur hat ihr der Kanton bescheinigt, dass alles richtig gelaufen und die Entwidmung des Fusswegs legitim sei. Das Tiefbauamt hat die Beschwerde eines Bürgers abgewiesen, gleichzeitig aber auch gesagt, der Bürger sei gar nicht zu einer Beschwerde legitimiert gewesen. Der Entscheid ist noch nicht rechtskräftig. Die Petition für den Erhalt des Wegs werde man im Gemeinderat auch noch behandeln.
[i] Die Beschlüsse der Gemeindeversammlung vom 3. Dezember 2022
- Budget 2023: Das Budget wurde ohne Gegenstimme angenommen.
- Rechnungsprüfungsorgan 2023 - 2024: Als neues Rechnungsprüfungsorgan wurde ohne Gegenstimme die Firma Finances Publiques AG gewählt.
- Gebührenreglement: Die Neufassung des Gebührenreglements wurde mit 106 Ja-Stimmen und einer Gegenstimme genehmigt.
- Erneuerung Regenwasserleitung und Strassenentwässerung Radelfingenstrasse: Der Kredit über 980'000 Franken wurde ohne Gegenstimme genehmigt.
- Kreditabrechnung Sanierung Schulanlage Stämpbach: Von der Abrechnung wurde Kenntnis genommen. Ohne Gegenstimme genehmigt wurde die Entnahme von 3'650'000 Franken aus der Spezialfinanzierung "Planungsmehrwerte".