Gemeindeversammlung Grosshöchstetten: "Schreiben Sie es doch selbst"
Grosshöchstetten und Schlosswil können weiter über eine Fusion verhandeln. Dass der Höchstetter Gemeinderat die Bevölkerung darüber befragte, passte aber nicht allen.
Doris Reber ist sichtlich angespannt. Für die Gemeindepräsidentin von Schlosswil geht es um viel an der Gemeindeversammlung in Grosshöchstetten. Die Anwesenden haben nämlich zu entscheiden, ob die Fusionsverhandlungen zwischen den beiden Gemeinden weitergeführt werden sollen oder nicht. Die Schlosswiler haben bereits Ja gesagt.
Der Höchstetter Gemeinderat meint es gut. Denn die 47 000 Franken für die weiteren Verhandlungen liegen eigentlich in seiner Kompetenz. Eine Abstimmung an der Versammlung wäre somit gar nicht nötig. «Wir wollen aber transparent bleiben», sagt Gemeindepräsident Martin Steiner, deshalb soll sich auch die Bevölkerung dazu äussern können.
Nacheinander präsentieren Doris Reber und Martin Steiner ihre Argumente für eine Fusion. Kurz darauf schnellen die ersten Hände in die Höhe. Was denn Schlosswil zu bieten habe, will ein Votant wissen. «Zusammenarbeit ja, Fusion nein!», tönt es aus den Reihen. «Schlosswil ist uns nah, wir sollten Hand bieten», sagt einer, und ein anderer findet dann aber das Land in der Nachbargemeinde wertlos. Ob der Gemeinderat eigentlich zu wenig zu tun habe, fragt ein Dritter. Und ein Letzter nennt die geplante Fusion gar eine Übernahme. Es scheint, als hätte der Gemeinderat gut daran getan, die Bevölkerung mitreden zu lassen.
Nur einer ehemaligen Gemeinderätin passt die angeregte Diskussion nicht. Sie sagt: «Eigentlich ist der Gemeinderat in der Pflicht, solche Entscheidungen selber zu treffen, das steht so in der Verfassung.» Kurzerhand fordert sie, den Kreditantrag in ein Traktandum zur Kenntnisnahme umzuwandeln und damit die Debatte zu beenden. Dies lässt den Gemeinderat erst mal ratlos zurück. Er unterbricht die Sitzung, um sich zu besprechen. Etwa zehn Minuten später erklärt Gemeindepräsident Steiner, dass es sich hier um einen Ordnungsantrag handle. «Die Versammlung muss zuerst darüber abstimmen. Vorher kann es nicht weitergehen.»
Doch so einfach ist das nicht. Nicht jedem ist noch klar, worüber er entscheiden muss. Ob jetzt über den Ordnungsantrag abgestimmt werde, oder darüber, ob der Kreditantrag überhaupt zulässig sei, will ein Mann wissen. «Erst mal nur darüber, ob ihr dem Ordnungsantrag zustimmen wollt oder nicht», erklärt Gemeindeschreiber Beat Graf. Inzwischen ist aber auch nicht mehr ganz klar, was die Votan-tin eigentlich genau gesagt hat. Deshalb wird beschlossen, den Antrag schriftlich auszuformulieren.
Gemeinderätin Annamarie Dick sitzt am Laptop und schreibt. Alle blicken auf die Leinwand hinter ihr. Etliche Formulierungsvorschläge prasseln auf Dick nieder. Der Cursor geht hin und her, Buchstaben, Wörter und ganze Sätze erscheinen und verschwinden wieder. Irgendwann ruft jemand: «Ich würde ‹in Eigenkompetenz› schreiben…» Hier ist es für Annamarie Dick genug: «Wenn es Ihnen so nicht passt, schreiben Sie es doch selbst!» Und dann geht alles sehr schnell. Innert weniger Minuten wird der Ordnungsantrag deutlich bachab geschickt und der Kreditantrag des Gemeinderates grossmehrheitlich angenommen. Niemand meldet sich mehr zu Wort. Und der Schlosswiler Gemeindepräsidentin Doris Reber fällt sichtlich ein Stein vom Herzen. Jetzt dürfen die beiden Gemeinden weiterverhandeln. Eine allfällige Fusion ist auf Anfang 2018 geplant.