Gemeindeversammlung Bolligen: Unfreundliche Szene um den Genderstern*

An der Gemeindeversammlung von Bolligen wurde der Umzug der Verwaltung ins alte Schulhaus Flugbrunnen beschlossen. Für unfreundliche Szenen sorgte die Diskussion über das "Gendersternchen".

Anina Bundi, anina.bundi@bern-ost.ch

„Das heutige Ziel ist, niemanden blosszustellen.“ Die Bemerkung von Peter Muntwyler, dem Leiter der Bolliger Gemeindeversammlung bezog sich auf den Eklat um einen streitbaren Gemeinderat der Nachbargemeinde Ittigen und war scherzhaft gemeint.

 

So ausgeartet wie in Ittigen ist die Versammlung in Bolligen nicht. Was aber zum Ende des langen Abends geschah, war auch nicht eben ein Glanzstück des politischen Respekts. Aber von vorne.

 

Defizit wird wachsen

Auf dem Programm standen der Umzug der Verwaltung, das Budget und der Finanzplan. Um die Bolliger Finanzen steht es nicht besonders gut. Das Budget für das Jahr 2022 sieht ein Defizit von 596'400 Franken vor. Zwar kann es aus den Reserven der Gemeinde gedeckt werden, es wird aber in den kommenden Jahren bestehen bleiben und wachsen. Nicht zuletzt, weil in den nächsten fünf Jahren Investitionen von 42,7 Millionen Franken anstehen, unter anderem für zusätzlichen Schulraum und eine neue Verwaltung.

 

Die Vertreter der Parteien äusserten ihre Besorgnis, empfahlen aber trotzdem, dem Budget zuzustimmen, was die Versammlung mit wenigen Gegenstimmen tat. Auch der Antrag eines Bürgers, die Liegenschaftssteuer, die erst vor zwei Jahren auf 1 Promille heruntergesetzt worden war, wieder auf 1,2 Promille anzuheben, wurde angenommen.

 

Verwaltung zügelt ins Schulhaus

Zu diskutieren gaben auch der Rückkauf des alten Schulhauses an der Frutigenstrasse und dessen Umnutzung als Gemeindeverwaltung für 7,6 Millionen Franken. Hier gab es Anträge, weniger Parkplätze zu bauen und den Kredit auf 6,4 Millionen zu kürzen. So viel hätte das Vorgängerprojekt gekostet, das aber nicht realisiert wurde. Beide Anträge wurden abgelehnt und der Kredit bewilligt.

 

Zu unschönen Szenen kam es gegen Schluss der Versammlung unter Verschiedenes, kurz vor elf Uhr abends. Ex-Gemeindepräsident Rudolf Burger (Forum Parteilos Bolligen) stellte den Antrag, die Gemeinde solle in ihrer Kommunikation wieder auf das Gendersternchen * verzichten. Es mache die Sprache weniger verständlich und sei ein Beispiel dafür, wie Minderheiten der Mehrheit ihren Willen aufdrängten. „Ich bin sicher, dass eine Mehrheit meiner Meinung ist.“ Dafür erhielt er aus der Versammlung Applaus.

 

Abgang während die Gemeinderätin sprach

Versammlungsleiter Muntwyler beschied Burger, der Entscheid liege in der Kompetenz des Gemeinderats. Ein Antrag sei nicht möglich. Während Gemeinderätin Catherine Meyer (Grüne) dann auf die Kritik antwortete, verliess ein Teil der Anwesenden unter Murren den Raum, Meyer war zeitweise kaum zu verstehen. Als wieder Ruhe eingekehrt war, beendete sie ihre Erklärung und liess danach ein:e nichtbinäre Bürger:in zu Wort kommen.

 

„Emily“ stellte sich nur mit Vornamen vor und erklärte, warum das Sternchen die zurzeit beste Lösung sei, um Leute in die Sprache einzuschliessen, die sich, wie Emily selber, weder als Mann noch als Frau sehen. Auch Meyer und Emily erhielten von den noch Anwesenden Applaus.

 

"Wenigstens respektvoll"

Der laute Abgang von Leuten während Meyers Rede irritierte. „Ich habe es schon als Zeichen empfunden“, sagt Meyer dazu. „Es ist schade, dass das Thema so politisiert wird. Es geht doch einfach darum, alle anzusprechen.“ Mit negativen Reaktionen habe sie gerechnet, sei also nicht erstaunt. „Aber wenigstens respektvoll sein und einander zuhören wäre schon wichtig.““

 

„Sehr störend“, bewertet Gemeindepräsidentin Kathrin Zuber die Szene. Sie sei über die Reaktion mancher Leute erstaunt gewesen. Zwar komme es durchaus vor, dass Leute die Versammlung verliessen, wenn ein bestimmtes Thema erledigt sei. Zudem seien die Leute müde gewesen, nach der doch eher langen Versammlung. „Aber hier grenzte es schon an Respektlosigkeit.“

 

"So etwas ist nie gut"

Auch Rudolf Burger ist nicht glücklich über das Verhalten seiner Mitbürger:innen. „So etwas ist nie gut. Man sollte sich immer auch die Gegenargumente anhören.“ Weiterverfolgen werde er das Thema nicht. Er hoffe aber, dass der Gemeinderat irgendwann auf den Entscheid zurückkomme.

 

[i] Transparenz: Die Autorin ist mit Rudolf Burger verschwägert.

 

[i] Die Beschlüsse:

1. Gemeindeverwaltung, Verlegung –Rückkauf altes Schulhaus an der Flugbrunnenstrasse 16 / Sanierung und Umbau: Der beantragte Verpflichtungskredit von total 7,6 Mio. Franken für den Rückkauf der Liegenschaft, den Erwerb von Parkplätzen sowie für die Sanierung und den Umbau des Gebäudes wurde grossmehrheitlich mit 73 Ja-Stimmen bewilligt.

2. Budget2022: Der Antrag des Gemeinderates, die Liegenschaftssteuer bei 1,00‰ des amtlichen Werts zu belassen, unterlag einem Antrag auf Erhöhung dieser Steuer um 0,20 ‰ auf 1.20 ‰ mit 47 zu 67 Stimmen. Zusammen mit dieser Erhöhung hat die Versammlung für das Budget 2022 grossmehrheitlich die Steueranlage auf 1,6 Einheiten der einfachen Steuerund die Hundetaxe auf Fr. 100.00 festgesetzt, beide wie bisher.

Stimmbeteiligung: Von insgesamt 4'586 Stimmberechtigten waren 127 oder rund 2.7 % anwesend.


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Erstellt: 16.12.2021
Geändert: 16.12.2021
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