GP von Bern: Die beste Schweizerin ist etwas später dran
Die Rubigerin Maja Neuenschwander bestreitet das Heimspiel als Tempomacherin – noch ist der Rekordlauf von Hamburg nicht ganz verdaut.
Die beste Schweizer Langstreckenläuferin wird am Samstag nicht die Schnellste sein. Marathonspezialistin Maja Neuenschwander lässt sich am 32. Grand Prix von Bern als Tempomacherin einspannen, die 33-Jährige Rubigerin wird die 10 Meilen in 1:05 Stunden zurücklegen. Hinter der ungewohnten Rolle steht der letzte Einsatz auf der Paradestrecke. Keine vier Wochen sind seit ihrem Auftritt in Hamburg vergangen; noch befindet sich die Bernerin in der Regenerationsphase. «Die Pacemaker-Funktion bietet mir die Gelegenheit, trotzdem dabei zu sein», hält Neuenschwander fest. Die Knochen werden den Hamburg-Marathon bald verdaut haben, dem Kopf bleiben die 42,195 Kilometer am Ufer von Alster und Elbe als wertvolle Erinnerung erhalten.
Erst 4 Kilometer waren absolviert, als Neuenschwander den Fuss der vor ihr laufenden Konkurrentin touchierte, das Gleichgewicht verlor und auf der rechten Hüfte landete. Das sei «schon heftig» gewesen, gesteht die Betroffene. Es gebe Zwischenfälle, die man in der Vorbereitung bewusst thematisiere, «aber mit solch einem Gedanken geht man nicht ins Rennen». Nach dem Malheur dachte sie umgehend an den Körper. «Habe ich mich verletzt? Kann ich weiterlaufen?», habe sie sich gefragt. Ein paar Atemzüge später erfolgte die Erkenntnis, das Missgeschick auszublenden, sich nicht vom Weg abbringen zu lassen. «Ich wurde ruhig, und es gelang mir, die Geschichte zu verdrängen.» 38 Kilometer später überquerte sie die Ziellinie in 2:30:50 Stunden als Zweite, ihren Bestwert unterbot sie gleich um 1:05 Minuten.
Das Fernziel Rio
Im Zusammenhang mit Hamburg spricht Neuenschwander vom wertvollsten Resultat in ihrer Karriere – «bei einem internationalen Marathon stand ich erstmals auf dem Podest». Ihre Reaktion auf den Sturz sei eine Folge jenes Reifeprozesses, welcher vermutlich auf den Turbulenzen des Vorjahres beruhe. Sie meint dabei nicht nur den olympischen Rummel in London, sondern auch jenen nach dem Zürich-Marathon, als ihr ein Unbekannter via Boulevardzeitung vorwarf, sich auf unerlaubte Weise der Hilfe eines Schrittmachers bedient zu haben. Die Steigerung von Hamburg spiegelt den Wandel des Stellenwerts, welchen der Laufsport in Neuenschwanders Leben hinter sich hat.
Ihre Planung reicht bis zu den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro, zwecks Optimierung der Ausgangslage geht sie beruflich einen neuen Weg. So hat die drittschnellste Schweizer Marathonläuferin in der Geschichte ihr Teilpensum als Gymnasiallehrerin Ende März aufgegeben, «das gemachte Nest verlassen», wie sie es umschreibt.
Das Beispiel Maisch
Die Deutsche gewann an der EM 2006 in Göteborg die Goldmedaille – in 2:30:01 Stunden. «Im Marathon weiss man nie, wie das Rennen verläuft. Wird an der Spitze zu lange gebummelt, können sich die Perspektiven schnell verändern.» Neuenschwander ist 33-jährig, demnach im besten Marathonalter – sollte man meinen. Die Athletin jedoch sagt, das Alter sei sekundär. Und ergänzt, sie glaube, jedem Leistungssportler stehe eine gewisse Zeitspanne zur Verfügung, in welcher er das Maximum abrufen könne. «Die einen sind früher dran, die anderen später. Und wer nicht ausgereizt ist, kann sich noch steigern.» Die Bernerin bestritt ihren ersten Marathon 2006, ist also eher etwas später dran. Was auch für den morgigen Tag gilt, obwohl die Differenz nicht so gross sei und es sich um «ein zügiges Training» handle. Ihre GP-Bestzeit liegt bei 58 Minuten – auf die leichte Schulter wird sie das Rennen nicht nehmen.