Fussball - Mit viel Fleiss und Schweiss

Michael Frey startet hochmotiviert in seine zweite Saison bei Lille. Der 20-jährige Berner Stürmer ist immer noch herrlich direkt – und hat während seiner Verletzungspause hart gearbeitet.

Fabian Ruch, Berner Zeitung BZ

Wenn man Michael Frey zum ersten Mal zuhört, könnte man denken, hier artikuliere einer seine Bubenträume. Aber es ist anders: Der Berner lebt seine Bubenträume. Und wenn seine Aussagen arrogant klingen mögen, so ist Frey alles andere als arrogant.

Er ist offen, ehrlich, authentisch, sehr von sich überzeugt und verfolgt seine Ziele mit eisernem Willen. Er sagt beispielsweise selbstbewusst: «An der EM nächstes Jahr werde ich im Schweizer Kader sein.» Oder, als es um Transfers bei seinem Verein Lille geht und darum, dass einige Konkurrenten den Klub verlassen haben: «Egal, wer kommt, ich spiele.» Und so geht dieser Michael Frey unbeirrt seinen Weg.

Angesprochen auf Zlatan Ibrahimovic, den Superstar von Paris, meint er: «Mir ist es egal, wer beim Gegner spielt. Eine Partie gegen PSG ist nichts Besonderes.» Und in Paris, der wunderschönen Weltstadt, die nur eine Zugstunde von Lille entfernt ist, war Frey seit seinem Wechsel nach Frankreich nie. «Was will ich da?», fragt Frey. «Die Türme dort kann ich auch später noch anschauen.»

Tränen der Trauer

Michael Frey ist zum Fussballspielen nach Lille gewechselt. Am Freitag rückt er zum Trainingsstart in der neuen Saison ein. Hochmotiviert, topfit, bereit. Jetzt sitzt er in einem Restaurant am Bahnhof Münsingen und blickt auf seine Seuchenmonate zurück. Mitte Januar brach er sich den Knöchel beim Gastspiel in Lorient (0:1), als er mit dem Fuss im Kunstrasen hängenblieb. Frey weinte, als er vom Feld getragen wurde. Das seien Tränen der Trauer gewesen, sagt er, nicht des Schmerzes. «Ich wusste, dass ich lange pausieren muss.»

Der 20-Jährige aber ist ein Kämpfer, schnell arrangierte er sich mit der neuen Situation und schuftete hart an seiner Rückkehr: Kraft, Ausdauer, Spritzigkeit, meistens verbrachte der Angreifer täglich 8 Stunden auf dem Trainingsgelände seines Klubs – nachdem der Gips am Fuss Mitte März entfernt worden war. Und heute sagt er: «Fast jeder Weltklassefussballer war in jungen Jahren schwer verletzt. Das gibt einem die Möglichkeit, wertvolle Aufbauarbeit für den Körper zu betreiben.» Positiv denken, so lautet eine der Devisen Freys, der eng mit Athletik- und Mentaltrainer Hanspeter Sterki zusammenarbeitet. «Er war früher Koch», erzählt Frey, «und wenn er in Lille ist, dann esse ich viel besser. Aber ich verhungere auch nicht, wenn ich selber kochen muss.»

Im Fokus von Petkovic

Für vier Millionen Franken Ablösesumme wechselte Frey im letzten August von YB zu Lille, er verdient jährlich ein Millionensalär, aber abgehoben ist er deswegen nicht. Im Gegenteil. Er sagt, er habe als Unterkunft keine der ihm angebotenen Villen ausgewählt. «Ich nahm eine eher hässliche 2,5-Zimmer-Wohnung. Eine Villa muss ich mir zuerst mit guten Leistungen verdienen.» Im stark besetzten Team Lilles lief es Frey nach Anfangsschwierigkeiten nicht schlecht, er war bis zu seiner Verletzung auf dem Weg zur Fixkraft, bestritt 23 Spiele für den nordfranzösischen Traditionsverein und erzielte vier Tore.

Nach dem enttäuschenden Rang 8 wechselte Lille zuletzt den Trainer, Hervé Renard folgt auf René Girard, aber für Frey ändert sich nichts: «Ich will mich durchsetzen und für den nächsten Schritt aufdrängen.» Für eine Freundin hat er selbstredend keine Zeit, sein Leben dreht sich um Fussball. Und von der Schweizer Auswahl ist der wuchtige U-21-Nationalspieler (188 Zentimeter, 86 Kilogramm) tatsächlich nicht weit entfernt. Nationaltrainer Vladimir Petkovic wollte ihn kürzlich fürs Trainingslager in Spiez und Thun aufbieten. «Aber Lille erlaubte das nach meiner Verletzungspause leider nicht.»

Mehr Muskeln, weniger Fett

Eigentlich hatte der ehrgeizige Frey geplant, noch in der Rückrunde wieder auf Torjagd zu gehen. Doch die Rehabilitation dauerte länger, also baute er Muskeln auf und Körperfett ab («jetzt bin ich unter 6 Prozent»), blieb aber geschmeidig. «Zu viele Muskeln sind nicht gut.» In der Sommerpause hielt er sich meistens zu Hause bei seinen Eltern auf.

Kurt Feuz, legendärer Trainer des Erstligisten FC Münsingen, gab Frey den Schlüssel zum Ballschrank des Vereins – und so betrieb der Stürmer zuletzt täglich auf der Sandreutenen Torschusstraining. Ab und zu assistiert von Buben, die ihn mit Flanken fütterten. Und die Michael Frey als Vorbild betrachten. Sie erhalten besten Anschauungsunterricht: Mit viel Fleiss, Schweiss und Überzeugung lassen sich Träume erfüllen.

Zwei Brüderpaare aus Münsingen

Michael Frey verfolgt seinen früheren Klub YB immer noch sehr intensiv. Er sieht sich heute als Fan der Young Boys und hofft, irgendwann mit seinem Herzensklub noch einen Titel gewinnen zu können. Vorerst aber ist er unterwegs, um als nächster Münsinger eine grosse Karriere im Fussball zu realisieren. Roman Bürki, ebenfalls in Münsingen aufgewachsen, gilt ja als einer der besten Torhüter der Bundesliga – nach dem Abstieg mit dem SC Freiburg wechselt der 24-Jährige nun zu Borussia Dortmund. Bruder Marco Bürki (21) bestreitet die nächste Saison beim FC Thun, der Verteidiger ist eine YB-Leihgabe. Und Michael Freys Bruder David (23) schliesslich, wie die anderen drei einst im YB-Nachwuchs, ist nach der Station FC Thun mittlerweile beim FC Münsingen engagiert.

Die vier Münsinger Fussballspieler sind schon lange befreundet, kürzlich weilten sie zusammen ein paar Tage in den Ferien auf Mallorca.


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Erstellt: 25.06.2015
Geändert: 26.06.2015
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