Fussball - Für die Nummer eins von morgen

Für viele Nachwuchsgoalies ist das Trainingscamp von Hermann Haas eine Möglichkeit, zu lernen und sich zu verbessern. Für andere vielleicht sogar der Start zu einer grossen Karriere als Torhüter.

Julian Seidl, Berner Zeitung BZ

Es ist noch früh am Morgen, die Sonnenstrahlen breiten sich langsam über den Grashalmen des Sportplatz Inseli in Konolfingen aus. Die meisten schlummern noch in den Federn, aber einer ist schon unterwegs und stellt das Material für die kommenden drei Vormittage bereit: Hermann «Mändu» Haas. Mändu, wie ihn die meisten aus dem Fussball kennen, organisiert seit acht Jahren Trainingscamps für Torspieler: drei Trainingsvormittage, die ganz im Zeichen der Torhüter stehen – etwas Einzigartiges in der Schweiz.

 

Investition in die Zukunft

Die Idee dazu kam Haas im Jahr 2010, als seine Karriere als Torhütertrainer langsam ins Rollen kam. «Für Feldspieler gibt es unzählige solcher Angebote, nur für die Torspieler hat damals noch etwas Ähnliches gefehlt», sagt Haas, der seit 2013 auch als Trainer im Nachwuchs des FC Thun engagiert ist. In den ersten Jahren fanden die Trainingsvormittage nur einmal pro Jahr statt, seit 2013 gibt es nun für junge Torhüter jedoch im Frühling, im Sommer und im Herbst die Möglichkeit, den Bällen unter professionellen Trainingsmethoden nachzufliegen. Für Haas besteht die Motivation einerseits darin, «etwas Gutes für die Jungen» zu tun, gleichzeitig hat er als Ausbildner aber auch den Selektionsgedanken im Hinterkopf. Denn während der Camps kam es sogar schon mehrmals dazu, dass junge Talente aus kleinen Vereinen den Weg in die Nachwuchsmannschaften des FC Thun gefunden haben. Ein solches Beispiel ist Patrick Koller, der als Torspieler in der U-16-Mannschaft des FC Thun agiert. «Für mich sind die Camps auch eine Investition in die Zukunft», sagt Haas.

 

Spass und Lernbereitschaft

Gegen neun Uhr ist das Material bereit. Die rund dreissig Goalies sind bereits umgezogen und warten hungrig darauf, endlich abzuheben. Trainiert werden sie im Camp von Spielern, die teilweise selber bei Spitzenclubs engagiert sind oder waren. Im Camp in Konolfingen ist etwa Felix Hornung vom Promotionsligisten Breitenrain dabei, der bis zur letzten Saison noch im Profikader des FC Thun stand. Natürlich ist man da als junger, ehrgeiziger Goalie doppelt motiviert. «Es ist cool, mit einem Profi zu trainieren», sagt einer der jungen Torhüter. Trotz der Hitze geben die Talente vollen Einsatz, hören aufmerksam zu, wenn der Coach Anweisungen gibt, und zeigen ab und an spektakuläre Paraden, an denen sich vor allem auch die vielen Eltern freuen, die interessiert das Geschehen auf dem Trainingsplatz beobachten.

 

Viele der Torhüter spielen in einem Verein im Berner Oberland. Für sie ist es eine zusätzliche Möglichkeit, sich weiter zu verbessern und auch einmal eine andere Sicht auf die Aufgaben eines modernen Torspielers zu erhaschen. Auch Patrick Bettoni, Torspielertrainer in der Super League, gesellt sich zu den Zuschauern und ist in stetigem Austausch mit Hermann Haas. Davon profitieren auch die Jungen, denn in den Camps wird nicht nur den Bällen hinterhergehechtet, sondern die talentierten Knaben und Mädchen werden auch generell für die Aufgaben eines Torspielers im modernen Fussball sensibilisiert.

 

Und wer weiss: Vielleicht steht dereinst sogar ein Torspieler in der Super League zwischen den Pfosten, der noch im Camp bei Hermann Haas die Bälle von der Linie gekratzt hat.

 

PATRICK BETTONI

«Nur das Tor zu hüten reicht nicht»

 

Patrick Bettoni, als Ex-Profi und Goalietrainer beim FC Thun wissen Sie um die Wichtigkeit der Ausbildung. Welche Bedeutung haben solche Camps für Goalies?

Patrick Bettoni: Es ist klasse, dass es ein solches Angebot gibt. Zu meiner Zeit gab es so etwas nicht. Meinen ersten Goalietrainer hatte ich erst mit zwanzig Jahren. Die Coachs gehören geschichtlich gesehen also noch zu einer jungen Gattung.

Im modernen Fussball braucht es Goalies, die nicht nur das Tor hüten, sondern aktiv mitspielen. Verwenden Sie deshalb auch gerne den Begriff Torspieler?

Mit dem Begriff möchte ich bei den Jungen das Bewusstsein schärfen, dass es nicht reicht, nur das Tor zu hüten. Der Goalie ist in der Spielauslösung ein wichtiger Bestandteil und muss ausgebildet werden. Etwa 80 Prozent der Aufgaben haben mit der Spielauslösung zu tun, daher passt der Begriff Torspieler.

Wird dem spielerischen Aspekt in der Ausbildung in der Schweiz genug Rechnung getragen?

Wir haben gute Strukturen in der Schweiz. Das Bewusstsein ist da, dass Goalies auch spielerisch immer mehr gefordert werden. Für mich sollte dies in den ersten Jahren der Schwerpunkt sein.

Was braucht es für Torhüter, um dereinst als Profis aufzulaufen?

Freude, Begeisterung, Leidenschaft und Disziplin sind nach wie vor die wichtigsten Eigenschaften.

Interview: Julian Seidl


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Erstellt: 14.08.2018
Geändert: 14.08.2018
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