FC Münsingen: Den Beruf zum Hobby gemacht
Nach 13 Jahren hat Silvan Aegerter dem Profifussball den Rücken gekehrt und wird für Münsingen spielen.
Der Wechsel von Silvan Aegerter, der in der Super League über 250 Spiele bestritt, kam überraschend. Nach fünf Jahren für den FC Zürich unterschrieb der Mittelfeldspieler im Sommer 2012 bei Lugano einen Zweijahresvertrag. Auf eine erste Saison mit vielen Einsätzen folgte nach dem Trainerwechsel der Stammplatz-Verlust; Aegerter wurde nur noch sporadisch berücksichtigt.
Die Lust am Fussball kam abhanden, der Grenchner schaute sich darum nach Alternativen in seiner Heimatregion um. Er erinnerte sich an einen alten Kumpel aus gemeinsamen Thuner Tagen. «Ich wählte die Nummer von Luca Zanni und erkundigte mich nach der personellen Situation beim FC Münsingen. Er leitete mich umgehend zu Kurt Feuz weiter», erzählt der 33-Jährige. Danach ging alles sehr schnell: Münsingen aus der 1. Liga Classic vereinbarte mit Lugano ein Leihgeschäft. Im Sommer wird der Spieler definitiv übernommen.
Die Tage wurden sehr lang
Für den Allrounder, der mit Thun und Zürich schon in Stadien wie dem Bernabeu (Madrid), dem Highbury (London) und dem San Siro (Mailand) in der Champions League spielte, ist der Wechsel auf die beschauliche Sandreutenen «kein Kulturschock». Als er das erste Mal mit seiner neuen Mannschaft trainiert habe, sei er vom Niveau positiv überrascht gewesen. «Wir haben viele technisch versierte Spieler und agieren als Einheit ohne Einzelgänger», lobt er. Trotzdem musste Aegerter sein Spiel umstellen: «Die Laufwege sind anders, das Balltempo und die Präzision sind tiefer. Da muss man sein Positionsspiel ein wenig anpassen.» Der langjährige Profi hat aber bis jetzt noch nicht die Position eingenommen, die er sich vornahm. «Momentan beschränkt sich meine Führungsrolle darauf, dass ich das Einlaufen leite. Auf dem Feld möchte ich künftig mehr kommunizieren und meine Erfahrung besser weitergeben.»
Die grösste Umstellung musste der Tierliebhaber im persönlichen Alltag vornehmen. Obwohl ihn der FC Lugano noch entlöhnt, hat er sich entschieden, bereits ein halbes Jahr vor dem Vertragsende mit einem Vollzeitpensum in seinen Beruf als Elektriker zurückzukehren. «Ich hatte Glück, dass mich Münsingen bei der Suche nach einer Stelle unterstützte», sagt Aegerter.
Nach über zehn Jahren Abwesenheit musste er einige Dinge neu lernen. Das Schwierigste sei die Veränderung seines Tagesrhythmus gewesen: «Die ersten zwei Wochen waren ziemlich hart, weil die Tage sehr lang wurden.» Eine neue Erfahrung ist für den ehemaligen FCZ-Captain auch, dass er erst nach der Arbeit ins Training geht und sich nicht den ganzen Tag darauf vorbereiten kann. «Das ist für mich aber kein Problem. So nutze ich das Training, um den Kopf zu lüften und auf andere Gedanken zu kommen», meint Aegerter, der trotz konstanten Leistungen nie ein Aufgebot für die Nationalmannschaft erhielt. Auch wenn der ehemalige Basler Junior in Münsingen nur noch dreimal in der Woche trainiert und sein langjähriger Beruf zum Hobby degradiert wurde, bedeutet ihm der Fussball nach wie vor viel. «Die Leidenschaft und der Ehrgeiz haben nicht abgenommen. Ich will immer mein Bestes geben und mit meinem Team Erfolg haben.»
Obwohl Aegerter aus dem Schaufenster des Schweizer Fussballs verschwunden ist und seine grössten Spiele hinter sich hat, scheint er beim FC Münsingen glücklich zu sein. «Ich schätze das ruhige Umfeld und den Zusammenhalt in der Mannschaft. Im Profifussball geht man nach den Trainings eher seinen eigenen Weg», fügt er an, als ihn einige Teamkollegen im Club-Beizli per Handschlag herzlich verabschieden.