Extremläufer: "Da musste ich mich übergeben"

Hansjörg Gosteli aus Worb ist seit letztem Mittwoch unterwegs nach Nizza. Er legt die 600 Kilometer joggend zurück. BERN-OST hat mit ihm in der Mittagspause telefoniert. Er sagt wie er sich unterwegs erholt und warum er sich dies antut.

Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch

Hansjörg Gosteli rennt zusammen mit einem Laufpartner vom Genfersee quer über die Alpen bis nach Nizza. Jeden Tag rennt er um die 55 Kilometer und legt täglich 2500 Höhenmeter zurück. Das ist viel. Sehr viel sogar.

 

BERN-OST: Guten Tag Herr Gosteli. Wie geht es Ihnen?

Hansjörg Gosteli: Es ist sehr streng. Wir sind schon fast in der Hälfte. Im Moment läuft es recht gut, es ist schon happig. Wir sind jeden Tag acht bis zehn Stunden Nettolaufzeit unterwegs. Der Routenplaner hat uns noch "versecklet". Wir haben die Route online geplant und merkten, dass es jeden Tag noch etwa fünf Kilometer mehr sind. Das nervt ein wenig.

 

Werdet ihr begleitet? Wie macht ihr das mit dem Gepäck?

Wir sind allein unterwegs und haben alles bei uns. Einen Rucksack, der sehr minimalistisch gepackt ist. Etwas Kleider, Essen, ein paar Riegel, Gel. Wenn eine Hütte kommt, schauen wir, dass wir uns verpflegen können. Die Hütten und Hotels haben wir im Voraus gebucht.

 

Wie sind die Reaktionen? Kriegen die Leute unterwegs mit, was ihr da leistet?

Die Franzosen sind recht neugierig. Der GR5, das ist die Route durch die Alpen, die wir laufen. Diese Route ist bekannt. Wir haben schon viele Leute getroffen. Wanderer:innen sagen zu uns, sie seien 15 Tage unterwegs, wir sagen dann, dass wir am 6. Tag sind. Die schauen uns dann schon komisch an. Viele sind beeindruckt. Eine Frau fragte, wie wir es mit so wenig Gepäck schaffen.

 

Wie läuft es konditionell, sind Sie noch nicht am Anschlag?

Es geht gut. Muskulär hatte ich noch keine Probleme. Ich hatte Probleme mit dem Magen, musste mich auch mal übergeben. Da fehlt einem ein wenig die Energie. Bis jetzt hatten wir Wetterglück. Zu Beginn war es zu warm. Aber wir hatten noch nie richtig Regen oder ein Gewitter. In der Region Chamonix liefen wir über ein Schneefeld, da waren wir auf über 2500 Metern.

 

Wie ist es morgens loszulaufen? Sind Sie da nicht müde?

Mit dem Schlafen ist es so eine Sache. Es ist oft schwierig durchzuschlafen. Um 5:30 Uhr stehen wir auf und frühstücken. Meistens gibt es Brot, Käse und Kaffee. Um 6:30 Uhr laufen wir los. Wir starten gemütlich, die erste Stunde gehen wir nicht allzu "gäch". Wir laufen pro Stunde sechs bis sieben Kilometer, nicht zu schnell. Es geht meistens bergauf.

 

Wie erholt ihr euch?

Das ist schwierig. Wir versuchen, wenn es runter geht, dass wir den Puls unten halten können. Wenn es aufwärts geht, schauen wir, dass der Puls unter der Schwelle bleibt. Wir machen auch alle zwei Stunden eine kleine Pause und essen ein Mars oder ein Biberli. Dann machen wir noch ein, zwei Pausen, um ein Sandwich zu essen.

 

Warum tut man sich das an?

Das fragen uns alle. Ich habe Spass am Trailrunning in der Natur. Es geht aber auch um Ehrgeiz. Es ist eine Grenzerfahrung, ich finde es spannend herauszufinden, ob Körper und Geist in der Lage sind diese Leistung zu bringen. Es gibt Phasen, wo wir uns unterhalten. Dann gibt es auch den Tunnelblick, ich versuche mir gut zuzureden und die positiven Seiten zu sehen. Wenn es nicht mehr geht, sag ich mir, es geht nicht mehr weit, du schaffst es. Einfach positiv bleiben.

 

Wie sind Sie auf diese Route gekommen?

Meine Frühlingsrennen wurden abgesagt, also startete ich mein eigenes Projekt. Das Schwierigste war einen Laufpartner zu finden. Mit Simon ist es super, wir harmonieren.

 

Wie nehmt ihr die Route wahr?

Ich bin beeindruckt von dieser Bergwelt. Ich kannte diesen Teil Frankreichs nicht. Es ist endlos weit und sehr eindrücklich. Wir nehmen das bewusst wahr. Wenn wir an einem Wasserfall oder so vorbeikommen, machen wir auch mal Halt und geniessen den Moment.

 

[i] Hansjörg Gosteli (54) betreibt in Worb ein Treuhand Büro. Er ist schon verschiedene hochalpine Marathons gelaufen. Darunter Läufe wie den Transalspine Run über 255 Kilometer von Garmisch-Partenkirchen nach Brixen in Italien.

 

[i] Strecke: Genfersee-Nizza, GR5


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Erstellt: 27.07.2021
Geändert: 27.07.2021
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