Ernst Zürcher, Grosshöchstetten: Ein grosser Schaffer lässt los

Ab 1. Januar ist Ernst Zürcher (BDP) nicht mehr Gemeindepräsident von Grosshöchstetten. Der 63-jährige Vizevorsteher des kantonalen Amtes für Gemeinden und Raumordnungen kehrt der Gemeindepolitik den Rücken.

Laura Fehlmann, Berner Zeitung BZ
Wenn er sich engagiert, dann voll und ganz. Ernst Zürcher ist ein Mensch, der immer Vollgas gibt. Er weiss nicht nur über fast alle Projekte und Geschäfte in der Gemeinde Grosshöchstetten Bescheid, er kennt auch Details und Hintergründe. Er nimmts genau und bleibt dabei grosszügig. Die Gemeindeversammlungen zog er jeweils zügig durch und liess trotzdem genügend Raum für Diskussionen. Der ehemalige SVP-Mann ist seit Frühling Präsident der BDP Oberes Kiesental. Nicht nur er, sondern alle SVP-Mitglieder des Grosshöchstetter Gemeinderates sind in die BDP übergetreten. «Ich konnte nicht mehr Ja sagen zum Stil der Schweizer SVP und hatte genug davon, mich ständig für meine Partei rechtfertigen zu müssen», sagt der 63-Jährige, der sein Gemeindepräsidentenamt per Ende Jahr niederlegt. Sein Nachfolger, der Vize Walter Hofer (BDP), wurde still gewählt (wir berichteten).

Bindeglied zum Kanton
 
Der in Mirchel aufgewachsene Bauernsohn hat 26 Jahre Gemeinderatserfahrung, davon 16 Jahre als Präsident. Letzteres war er während je acht Jahren in Oberhünigen und Grosshöchstetten. Er arbeitet beim Kanton, ist Vorsteher der Abteilung Gemeinden und stellvertretender Vorsteher des Amtes für Gemeinden und Raumordnung (AGR). Damit ist er Bindeglied zwischen Gemeinde und Kanton. Kam er in dieser Sandwichposition nie in Interessenkonflikte? «Bei Geschäften, die Grosshöchstetten betrafen, trat ich beim Kanton immer in den Ausstand», sagt Zürcher. Seine Funktion beim Kanton verlange dagegen ja gerade, dass er die Interessen der Gemeinden vertrete. «Meine 30 Jahre beim Kanton und die 26 Jahre in Gemeinden schufen Verständnis für beide Seiten.»
 
Zwei verschiedene Hüte
 
Was ihm als Gemeindepräsident oft Mühe bereitet habe, war, dass Bürger Leistungen fordern und sich dann beklagen, wenn es etwas kostet. Im Vordergrund stünden bei vielen leider aber nicht mehr das Resultat, sondern Beschwerden wie: «Es ist ja wahnsinnig, was der Gemeinderat mit den Steuergeldern macht.» Später kriegen die Behörden zu hören: «Warum habt ihr nicht noch gleichzeitig dieses und jenes gemacht?» Das seien zwei verschiedene Hüte. Er habe seine Aufgabe auch darin gesehen, auf derlei Widersprüche aufmerksam zu machen. «Es gehört zu meinen Stärken, Verständnis auf beiden Seiten zu schaffen», sagt Ernst Zürcher von sich selber.

Erleichtert und traurig
 
Nur noch für ein paar Tage bleibt Zürcher Präsident von Grosshöchstetten. «Ich nehme jetzt Abschied», sagt er. Gleichzeitig hat sich der neu zusammengesetzte Grosshöchstetter Gemeinderat konstituiert und hat Sitzungen, bei denen Zürcher nicht dabei ist.

Er fühle sich einerseits erleichtert, weniger Verpflichtungen zu haben. Andererseits spüre er auch Traurigkeit, sage sich ganz bewusst, dass er loslassen müsse und vorwärtsschauen wolle. Eine «tolle Crew» sei der Gemeinderat alle die Jahre gewesen. «Wir haben durchs Band eine gute Gesprächs- und auch eine Streitkultur gepflegt.»
 
«Es gibt noch anderes»

Aus der Gemeindepolitik zieht sich Zürcher zurück. Das Präsidium der BDP Oberes Kiesental behält er für eine Legislatur. «Nach meiner Pensionierung in zwei Jahren nehme ich noch mehr Abstand von der Politik. Es gibt ja noch anderes im Leben.» Er wolle mehr Zeit mit seiner Partnerin, der Bewegungs- und Tanztherapeutin und Gemeindeschreiberin Esther Ammann, verbringen. «Meine Naturverbundenheit will ich pflegen und, das ist ein alter Traum von mir, einmal mit dem Velo den Grimselpass bezwingen.» Es sei wichtig, auf Berge zu steigen, hinunterzuschauen und «die eigene Kleinheit wahrzunehmen».

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Erstellt: 18.12.2009
Geändert: 18.12.2009
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