Münsingen - Vom Bau der Entlastungsstrasse soll auch die Natur profitieren
Dass mit dem Bau der Entlastungsstrasse eine grüne Wiese durchschnitten wird, sorgte bei vielen Leuten für Empörung. Mit der Strasse sollen aber nicht nur die Verkehrsteilnehmer:innen, sondern auch die Tiere und Pflanzen gewonnen haben, wie die Gemeinde mitteilte. Biologin Nora Rieder zeigte BERN-OST, warum am Strassenrand nicht nur Löwenzahn wachsen soll und weshalb sich die seltene Zauneidechse über die Bauarbeiten freuen wird.
Immer weniger sieht es im Münsinger Rossboden nach Baustelle aus. Im September will die Gemeinde die neue Entlastungsstrasse in Betrieb nehmen. «Bereits bei Einreichung des Baugesuchs haben wir geschaut, welche Tiere, Pflanzen und Lebensräume hier vorkommen», sagt Nora Rieder, vom Umweltbüro Impuls AG aus Thun, welches das Bauprojekt aus Umweltsicht begleitete. Ihre Aufgabe war es, den Ersatz der durch den Bau zerstörten Lebensräume zu planen, damit die angestammten Tiere und Pflanzen nicht verloren gehen. Und noch mehr als das: Sie sollten sogar bessere Bedingungen vorfinden als vorher.
103 neue für 18 gefällte Bäume
Auf der westlichen Seite des Bahngeleises säumen 103 neugepflanzte Bäume die Strassen Richtung Psychiatriezentrum. Dank ihnen gibt es auch eine positive Baumbilanz: 18 Bäume wurden gefällt, 103 gepflanzt. Einige der gefällten gehörten dem kommunalen Baumschutzgebiet an und waren Teil eines schützenswerten Ortsbildes. «Die Neupflanzungen sind einerseits eine denkmalpflegerische Kompensation, andererseits aber auch zu Gunsten der Natur. Deshalb haben wir bezüglich Bepflanzung und Landschaftsbild eng mit Landschaftsarchitekten zusammengearbeitet», erklärt Rieder. Davon profitierten beispielsweise die Fledermäuse, welche gerne entlang von Alleen jagten. Zudem fiel die Wahl bewusst auf einheimische Baumarten. «Auf einer einheimischen Eiche können über tausend Insektenleben, auf einem aussereuropäischen. Bäumen teilweise nur gerade zehn», sagt sie.
Die Zauneidechse soll sich wohl fühlen
Gefördert wurden auch die seltenen Zauneidechsen, die an zwei Standorten auf dem Gelände vorkommen. Einer davon war ein verwilderter Garten mit Sträuchern beim neuen Kreisel auf der Bernstrasse, von dem aus die Entlastungsstrasse Richtung Rossboden abzweigt. «Wir ersetzen die verlorenen Lebensräume durch gleiche Lebensräume», so Rieder. So wurden anstelle des Gartens und auch entlang des Bahngeleises im Rossboden wieder Sträucher gepflanzt. Und zwar Dornen- und Beerensträucher, was auch anderen Tieren nützt: «Die Dornensträucher bieten Vögeln Schutz vor Raubtieren, die Beeren dienen ihnen als Nahrung.»
Für die Zauneidechsen gab es zudem neue Verstecke: «Wir haben Wurzelstöcke so in Erdmulden vergraben, dass darunter Hohlräume entstehen. Darin überwintern die Zauneidechsen.» Teilweise stecken die Wurzelstöcke auch in Sand. Davon wiederum profitieren die Wildbienen. «Wir haben ungewaschenen Sand genommen. Er hält die Form, bleibt aber weich im trockenen Zustand.» Ideal für Wildbienen, die darin Löcher für ihre Nester graben.
Tunnel für Kleintiere
Weiter gibt es auch Asthaufen, die Kleintieren Unterschlupf bieten. Und die bestehenden Kleintierdurchlässe unter dem Bahngeleise – eingegrabene Rohre – wurden wieder durchgängig gemacht. «Vor den Ausgängen werden noch Sträucher gepflanzt. So landen die Tiere nicht gleich auf offenem Feld, sondern finden sofort Schutz», sagt Rieder.
Magere Böden, bunte Wiesen
Nicht nur für die Vielfalt der Tiere wurden Massnahmen getroffen. Auch die Pflanzen sollen gefördert werden. Anstatt nur Gras und Löwenzahn sollen auch andere Arten eine Chance bekommen. Darum hat Rieder einerseits artenreiche Saatgutmischungen gewählt. «Der Boden hier ist allerdings sehr nährstoffreich. Hier können sich nur bedingt artenreiche Wiesen etablieren», so Rieder. So profitieren vor allem Pflanzen davon, die mit vielen Nährstoffen gut umgehen können und schnell wachsen – wie Gras und Löwenzahn – und dann allen anderen das Licht wegnehmen. «Kräuter wachsen langsamer. Auf nährstoffarmen Böden haben sie bessere Chancen.»
Die wenigen Stellen, die so sind, hat sie versucht zu unterstützen. Am Hang Richtung Rubigen gibt es solchen trockenen, mageren Boden. «Dort haben wir einen nährstoffarmen Boden mit vielen Steinen angelegt, ideal für artenreiche Wiesen.» Und so sieht man dort bereits auch eine grössere Anzahl anderer Pflanzen spriessen als auf den sattgrünen Graswiesen.
Der Acker kehrt zurück
Die nährstoffreichen Böden eignen sich aber für die Landwirtschaft, wofür der Rossboden vor dem Bau genutzt wurde. Das soll später auch wieder möglich sein. Der Boden wurde schichtweise abgetragen und und je nach Zusammensetzung von Nährstoffen und Struktur separat gelagert. «So, wie der Boden abgetragen wurde, wird er auch wieder aufgetragen», sagt Rieder. Dies wird eine der letzten Arbeiten sein. Auch das Pflanzen weiterer Hecken erfolgt erst im Herbst.