Enggistein - Spielen heilt Wunden

Die Pro Juventute schafft seit dem Sommer in verschiedenen Durchgangszentren nachhaltige Spielräume für Kinder. Mit dem Spielbus ist die Stiftung das erste Mal in der Region unterwegs.

Annic Berset, Berner Zeitung BZ
Kinder wuseln umher im Durchgangszentrum Enggistein, viele Kinder. Obwohl es kalt ist an diesem Nachmittag, haben sie sich aber nicht in den Zimmern des Zentrums verkrochen. Sie spielen draussen, stechen Güezi aus und backen sie über dem Feuer oder legen Hand an der selbst gebauten Wippe für die Kleineren an und schleifen die letzten Kanten ab.
 

Dass die über 30 Kinder der Asylunterkunft gemeinsam so draussen spielen können, ist noch nicht lange der Fall. Die Pro Juventute hat mit ihrem Projekt «Spielen ohne Grenzen» das Durchgangszentrum in Enggistein besucht und einen solchen Spielraum zum Leben erweckt.

Kreide, Memory, Seifenblasen
 

Petra Stocker hat das Programm entwickelt und konzipiert. «Wir haben gemerkt, dass es in solchen Zentren häufig an Aussenplätzen fehlt, wo die Kinder spielen können.» Deshalb hat die Stiftung, die Kinder- und Jugendprojekte unterstützt, das Projekt ins Leben gerufen.
 

Seit Juni dieses Jahres fährt ein Spielbus der Fachstelle Spielraum von Zentrum zu Zentrum und hilft dabei, einen Raum explizit für Spiel und Spass der Kinder aufzubauen. «Die Unterkünfte erhalten zwar viel Ware, die für die Kleinen gedacht ist, häufig wissen diese aber gar nicht, was sie damit anfangen sollen», erklärt Petra Stocker.
 

Vieles bleibe unorganisiert und unaufgeräumt liegen, die coolen Sachen würden unter Kopfkissen oder Betten wandern. Dazu komme, dass Eltern oft genug damit zu tun hätten, ihre eigenen Schicksale zu verarbeiten.

Und so hat der Spielbus bereits an elf verschiedenen Stationen in der Schweiz haltgemacht, bevor er erstmals in die Region Bern nach Enggistein kam. Mit im Gepäck eine ganze Palette an Materialien, die die Kinder gemeinsam mit den soziokulturellen Animatoren der Fachstelle zusammenbauen konnten.

Da kommen vie­le Spielsachen zusammen: «Von selbst gemachter Kreide oder Seifenblasenmischungen und Hilfsmitteln für überdimensionale Seifenblasen über zusammengebaute Scooter oder Wippen bis hin zu einem Riesenmemory», zählt Petra Stocker auf. Es hänge auch von den Kindern ab, wie viel die Betreuungspersonen in der einen Woche schaffen, die der Bus beim Zentrum verbringt.

«Diese Produkte bleiben dann im Zentrum und sollen in einem Ausleihsystem weiter genützt werden.» Den Kindern werde so eine ortsbezogene Kultur zum Spielen weitergegeben.

«Wie bringen wir die Kinder dazu, gemeinsam draussen zu spielen?» war die zentrale Frage von Pro Juventute. Es geht aber auch darum, dass sie überhaupt einen Bezug zu einem Spiel erhalten. So zum Beispiel auch zum Thema Schnee. «Die Kinder haben zusammen eine Schneehütte gebaut, der Zusammenhalt in der Gruppe wächst so von alleine», so Petra Stocker.

Die heilende Wirkung
 

Auch die Zentren sollen mithelfen, eine solche Spielkultur zu fördern. «Es braucht jemand, der sich, auch wenn wir wieder weg sind, des Themas annimmt.» Denn: Während eines Spiels passiere viel Heilendes, spielen könne sich wie eine Traumatherapie auswirken.

Davon, dass das Projekt sinnvoll ist, ist auch der stellvertretende Leiter des Durchgangszentrums Enggistein überzeugt. «Die Unterkunft ist abgelegen, die Kinder können nicht einfach schnell auf den Spielplatz im Dorf», sagt Bülent Zengin. Ausser in der Schule gebe es für sie nicht viele Möglichkeiten, wo sie spielen könnten.

Finanzierung unsicher
 

Ausserdem würden die Familien, die vor allem aus Afghanistan, Syrien, dem Irak und Eritrea stammen, durchschnittlich über ein Jahr in Enggistein bleiben.
 

Wie es mit dem Spielbus nächstes Jahr weitergehen wird, ist aber noch nicht klar. «Die Finanzierung des Programms ist noch nicht gesichert», sagt Petra Stocker. Die Pro Juventute habe das Projekt aber bei verschiedenen Stiftungen eingegeben und hoffe auf positiven Bescheid. «Spielen ist ein Grundbedürfnis von allen Kindern.»


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Erstellt: 26.12.2017
Geändert: 26.12.2017
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