Enggistein - Hat sich jemand eine goldene Nase verdient?

Die Schliessung des Asylzentrums in Enggistein bringt grundsätzliche Fragen aufs Tapet.

Dölf Barben / Der Bund

Der kantonale Migrationsdienst schliesst in der Gemeinde Worb ein Asylzentrum. Wegen «desolater Zustände», vorab bei den elektrischen Installationen, könne die Sicherheit der rund 100 Bewohner nicht mehr gewährleistet werden («Bund» von gestern). Betrieben wird das Zentrum von der Heilsarmee. Diese erhält von der öffentlichen Hand 10 Franken pro Person und Betreuungstag. Je nach Auslastung ergibt das einen Jahresbeitrag in der Grössenordnung von 300 000 Franken. Die Heilsarmee wiederum liefert dem Liegenschaftsbesitzer einen Mietzins ab - 10 000 Franken pro Monat, 120 000 Franken pro Jahr.


Wenn das Asylzentrum in Enggistein mittlerweile tatsächlich ein Sicherheitsrisiko darstellt, liegt eine Frage auf der Hand: Hat hier ein Privater jahrelang profitiert, ohne sich gebührend um den Unterhalt der Liegenschaft zu kümmern? Angesprochen ist Jürg A. Reusser. Er hat den Gutshof, der früher ein Knabenheim beherbergte, 2003 von der Stadt Bern gekauft. Zuvor war er bereits Pächter des Guts. «Dieser Sichtweise muss ich klar widersprechen», sagt er.

Turnschuhtaugliche Wege

Reusser verweist auf eine Reihe von Massnahmen, die in den letzten Jahren ergriffen worden seien. Das Dach sei zur Hälfte neu gedeckt, die Lukarnen seien erneuert worden. Und gerade im Brandschutz seien für mehrere Zehntausend Franken Optimierungen vorgenommen worden. Dazu habe er Geld ausgegeben für Verbesserungen, die nicht direkt das Haus betreffen, aber in einem Zusammenhang mit dem Zentrum stünden: So habe er Abwasserleitungen verlegen, einen Hochwasserschutz erstellen und Wege sanieren lassen: «Die Bewohner können nun in der Umgebung spazieren - und ihre Turnschuhe bleiben sauber.» Kurz: «Wir kassieren sicher nicht ab.» Er wisse von Asylzentren, die für die Liegenschaftsbesitzer viel einträglicher seien: Dort erhielten die Besitzer pro Platz und Tag doppelt so viel Miete wie er, oder sogar noch mehr.

Reusser stellt auch klar, dass er das Gut keineswegs zu einem Schnäppchenpreis habe kaufen können, wie etwa kolportiert wird. Damals habe jedermann mitbieten können. Er sei froh, dass nun «sauber abgeklärt» werde, was getan werden müsse, sagt Reusser. Er sei sicher, dass die Gebäudeversicherung bei den vorgesehenen Begehungen keine grossen Mängel finden werde.

«Sicher keine Goldgrube»

In Schutz genommen wird der Besitzer auch von Paul Mori, dem Geschäftsleiter der Heilsarmee Flüchtlingshilfe, welche das Zentrum in Enggistein betreibt. «Es ist sicher keine Goldgrube», sagt er. Grundsätzlich müsse man froh sein, dass es überhaupt Leute gebe, die «menschenfreundliche» Liegenschaften zur Verfügung stellten. Solche Unterkünfte gebe es kaum auf dem Markt. Die Alternative seien in den meisten Fällen unterirdische Anlagen. Und dass ein Vermieter einen gewissen Nutzen habe, sei legitim. «Wer hier Kritik übt, soll auch Alternativen aufzeigen», sagt er.

Auch Mori kann der jetzigen Situation etwas Gutes abgewinnen: Nun müsse unter den beteiligten Partnern die Frage geklärt werden, welchen Ansprüchen eine solche Unterkunft denn eigentlich zu genügen habe. Und er weist auf ein grundsätzliches Problem hin: Könnten Mietverhältnisse für solche Zentren längerfristig - und nicht nur für ein halbes Jahr - abgeschlossen werden, wäre es für Liegenschaftsbesitzer weniger riskant, Investitionen zu tätigen.

Kanton: «Wir warten nun ab»

Von öffentlichen Garantien, welche längerfristige Mietverhältnisse erlauben könnten, will man beim Kanton nichts wissen. Zu solchen Gedanken nehme sie nicht Stellung, sagt Iris Rivas, Leiterin des kantonalen Migrationsdienstes. Es sei nun Sache zwischen Mieter (in diesem Fall die Heilsarmee) und dem Vermieter (in diesem Fall Jürg A. Reusser), ihr Vertragsverhältnis so zu regeln, dass im Zentrum in Enggistein wieder Asylbewerber einquartiert werden könnten. Bedingung dafür sei, dass die Liegenschaft den Vorschriften entspreche. «Wir warten nun ab», sagt sie. Und: Sie verstehe, wenn dies bei Mieter und Vermieter zu Diskussionen führe. Ob der Kanton aufgrund der Vorfälle in Enggistein auch andere Zentren unter die Lupe nimmt und ob allenfalls weitere Schliessungen bevorstehen, wollte Rivas gestern nicht sagen.

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Erstellt: 23.02.2012
Geändert: 23.02.2012
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