Enggistein - Der Gutshof ist renoviert, nun ziehen die Familien ein
Die Mängel sind behoben: In Enggistein hat der Kanton gestern das Asyl-Durchgangszentrum wiedereröffnet. Künftig werden hier vor allem Familien mit Kindern leben.
«Das ist kein Vergleich zu vorher. Wie Tag und Nacht», sagt Iris Rivas, die Leiterin des kantonalen Migrationsdienstes. «Wenn man das sieht, realisiert man erst, wie verlottert das Haus vorher war.» Rivas besichtigt das umgebaute Durchgangszentrum in Enggistein. Sie ist zum ersten Mal seit Februar hier: Damals liess der Kanton die Asylbewerber-Unterkunft wegen gravierender Mängel beim Brandschutz und den elektrischen Installationen per sofort schliessen. Seither wurde das Gebäude für mehrere Hunderttausend Franken auf Vordermann gebracht. Gestern Nachmittag fand die offizielle Wiedereröffnung statt.
Farbe ist noch frisch
140 Asylsuchende – 20 mehr als vorher – finden im Durchgangszentrum im Gutshof Enggistein Platz. Der Kanton will hier vor allem Familien mit Kindern aus den Notunterkünften einquartieren. Die ersten Familien aus der Zivilschutzanlage Hochfeld sind bereits letzte Woche nach Enggistein umgezogen. Derzeit leben 30 Leute hier, in den nächsten Tagen und Wochen kommen laufend weitere dazu. Geführt wird das Zentrum nicht mehr von der Heilsarmee-Flüchtlingshilfe, mit der sich Liegenschaftsbesitzer Jürg Reusser nicht mehr über die Mietbedingungen einigen konnte. Neu zeichnet die Asyl Biel und Region für den Betrieb verantwortlich.
Ganz abgeschlossen sind die Umbauarbeiten in Enggistein noch nicht. Vieles ist aber bereits fertig. «Kommen Sie», sagt Zentrumsleiter Roland Meyfarth und führt ins Innere des ehemaligen Knabenheims. Schon im Treppenhaus riecht es nach frischer Farbe. Die alten, dunklen Böden wurden durch helles Laminat ersetzt. Die sanitären Anlagen verbessert. In den Zweier- bis Achterzimmern stehen neue Etagenbetten, dazu je ein Kühlschrank und ein abschliessbarer Wandschrank. Die Waschküche ist mit vier neuen Waschmaschinen und Tumblern ausgerüstet.
Eine neue Schulklasse
Die ländliche Umgebung in Enggistein eigne sich gut für Familien, sagt Iris Rivas. Die Bewohnerinnen und Bewohner werden auch im Garten mithelfen können, und bereits hätten Landwirte angefragt, ob Leute aus dem Durchgangszentrum temporär bei ihnen aushelfen könnten, berichtet Roland Meyfarth. Die Leute in Enggistein, fügt der Worber Gemeindepräsident Niklaus Gfeller an, seien seit vielen Jahren an die Asylsuchenden gewöhnt. Und auch die Schule bietet Hand: Am Montag wird eine Integrationsklasse für die Kinder aus dem Asylzentrum eröffnet. Auf dem Stundenplan steht vor allem Deutsch.
Kanton unter Druck
Für das laufende Jahr rechnet das Bundesamt für Migration schweizweit mit 30 000 Leuten, die ein neues Asylgesuch stellen. Über 4000 werden dem Kanton Bern zugeteilt, wo die Zentren bereits jetzt zu 96 Prozent ausgelastet sind. In den unterirdischen Notunterkünften, gegen die sich in den letzten Wochen verschiedene Protestaktionen gerichtet haben, leben immer noch 39 Kinder. Sie sollen nun alle nach Enggistein zügeln.
Jenen, die bereits angekommen sind, scheint es hier zu gefallen. Sie lachen, rennen, spielen. Nebenan gibt eine Roma-Frau aus Kosovo ein Fernsehinterview: Vorher habe sie in der Notunterkunft Linde in Biel gelebt. Kein Fenster habe es dort gehabt, übersetzt ihr Sohn. «Hier ist es viel besser. Ich hoffe, wir können bleiben.»