Emmental / Worb - Gemeindekader kämpfen gegen Imageproblem

In bernischen Gemeinden herrscht ein Mangel an Kaderangestellten. Die kommunalen Verbände wollen nun den Gemeinden bei der Personalrekrutierung unter die Arme greifen.

Veruschka Jonutis, Wochen-Zeitung
Besonders in kleinen und ländlichen Gegenden scheint es besonders anspruchsvoll, geeignete Personen für die Verwaltungen zu finden. Am vergangenen Donnerstag trafen sich die Mitglieder des Verbandes Bernischer Gemeinden (VBG) und Bernischer Gemeindekader (BGK) in Worb zu einer ausserordentlichen Hauptversammlung, um über das Projekt «Attraktive Arbeitgeberin Gemeinde» zu beraten. «Seit Längerem befasst sich der VBG und das BGK mit der Problematik, wie die Gemeinden ihre Kaderstellen, wie zum Beispiel die des Gemeindeschreibers, besser besetzen können. 2014 haben wir mit dem Projekt gestartet», sagte Thomas Rufener, Präsident des VBG.

Generation Y tickt anders
«Die Zeiten haben sich geändert und wenn sich die Verbände Gedanken machen, wie die Arbeitswelt der Gemeinden im 2020 aussehen, hat das nichts mit Visionen zu tun. Es gilt zu realisieren, dass die Generation Y anders tickt», sagte Thomas Rufener, Präsident des VBG. Er sprach auf die veränderten Ansprüche an die Arbeitsbedingungen der neuen Generation an. «Die jungen Leute haben andere Forderungen an eine Arbeitsstelle. Sie verlangen mehr Freiräume, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen.» Die Generation Y sei nicht mehr bereit, alles dem Beruf unterzuordnen und möchten mehr Raum für Selbstverwirklichung. Diese veränderte Lebensweise passe nicht mehr in die Arbeitsstruktur, wie sie heute auf den Gemeindeverwaltungen anzutreffen sei.

Entwicklung verschlafen
«Das verschärft das Problem zusätzlich, welches die Gemeinden bei der Suche nach Auszubildenden haben. Wir müssen eingestehen, dass wir es etwas verschlafen haben, uns mehr in diesem Bereich zu engagieren», gab Rufener zu. «Der Beruf hat auch ein gewisses Imageproblem. Nebst dem veralteten Erscheinungsbild bieten die Gemeinden nur teilweise geeignete Modelle für die Aus- und Weiterbildung.» Die Löhne seien im Vergleich zu anderen Kaderpositionen in der Privatwirtschaft tiefer. Auch wirken die unregelmässigen Arbeitszeiten wie Abendsitzungen auf viele abschreckend. Allgemein sei der Trend, dass viele gute Schülerinnen und Schüler heute den gymnasialen Weg wählen und so den Gemeinden als angehende Kadermitarbeiter verloren gehen. Durch Mangel an Nachwuchs sind viele Gemeinden auf teure Übergangslösungen angewiesen und die Besetzung einer Stelle bedeute oft ein aufwändiges und kostenintensives Verfahren. Ziel des Projekts sei, einen Leitfaden zu entwickeln, der die Gemeinden  bei der Rekrutierung von Kadern mit konkreten Ideen und Anleitungen unterstützt. «Wichtig ist, dass das Stellenbesetzungsverfahren professionell durchgeführt wird. Die Gemeinden sollen vermehrt Lernende ausbilden und die Schulungen für alle Kaderstufen gewährleisten können», so Rufener. Die Gemeinden müssen ihre Organisation den Ansprüchen der Generation Y anpassen, um so ein attraktives Arbeitsumfeld für qualifiziertes Kader zu schaffen.

90’000 Franken bewilligt
Während den Projektarbeiten habe sich gezeigt, dass weitreichende Arbeiten notwendig sind. «Das ist mit erheblichen Kosten verbunden, was eine Ermächtigung der Hauptversammlung nötig macht. Der beantragte Betrag von 90'000 Franken wird aus dem Guthaben beider Verbände beim Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung (BWD) erfolgen», sagte Thomas Rufener. Die Mitglieder des VBG sowie des BGK zeigten sich überzeugt, dass Handlungsbedarf bei der Besetzung von Kaderstellen in ihren Gemeinden besteht und stimmten dem Antrag mit grosser Mehrheit zu. «Wir sind sicher, dass die Gemeinde Erfolg haben werden, wenn beide Verbände am gleichen Strick ziehen», zeigte sich Thomas Rufener erfreut.

 
«Durch Anpassungen werden Kaderstellen attraktiv»

Monika Gerber ist Präsidentin des Vereins Bernischer Gemeindekader und Gemeindeschreiberin in Thierachern.

Frau Gerber, offenbar haben speziell die Bauverwaltungen in den Gemeinden Mühe, ihre Kaderstellen zu besetzen. Woran liegt das?
In den Bauverwaltungen besteht oft nicht die Möglichkeit, eigene Leute nachzuziehen. Die Stellen werden häufig mit Quereinsteigern aus der Baubranche besetzt. Diese bringen zwar viel Berufserfahrung mit, haben aber noch keinen Tag in einer Gemeinde gearbeitet. Hier soll das Projekt helfen, diese Leute bei der berufsbegleitenden Ausbildung noch besser zu unterstützen.

Dem Projekt «Attraktive Arbeitgeberin Gemeinde» wurde mit grosser Mehrheit zugestimmt. Die Gemeinden erhoffen sich anscheinend einiges.
Der positive Ausgang der Abstimmung freut mich sehr. Ich hoffe, dass die Gemeinden nun für die Thematik sensibilisiert werden. Es ist eine Tatsache, dass sich der Beruf beispielsweise des Gemeindeschreibers verändert. In der Privatwirtschaft geschehen Änderungen und Modernisierungen eines Berufsbildes meist viel rascher. Durch Anpassungen werden die Kaderstellen für junge Leute wieder attraktiv.

Flexiblere Arbeitsmodelle sind gefordert. Was bedeutet dies für einen langjährigen Mitarbeiter?
Von flexibleren Arbeitszeiten profitieren natürlich auch ältere Mitarbeitende, die bis jetzt in festeren Arbeitsstrukturen gearbeitet haben. Niemand wird traurig sein, wenn zum Beispiel Sitzungen nicht immer abends stattfinden oder wenn man durch Home-Office seinen Alltag freier einteilen kann.

Wer ist die «Generation Y»?

Mit der Generation Y wird die Bevölkerungsgruppe bezeichnet, die zwischen 1977 und 1998 geboren wurde. Sie gilt als gutausgebildet und hat oftmals einen Fachhochschulabschluss. Als erste Genera-tion ist sie mit Internet und einem Umfeld von Internet und mobiler Kommunikation aufgewachsen. Sie stellt neue Ansprüche an ihr Arbeitsumfeld und sucht die Balance zwischen Arbeit und Freizeit. Die Generation Y will während der Arbeit Zufriedenheit und Lebensqualität erfahren und fordert neue und flexiblere Arbeitsmodelle. Gefragt sind Teilzeitstellen oder die Möglichkeit, vermehrt von zu Hause aus zu arbeiten, um mehr Zeit für Familie zu haben. 
Für die Generation Y zählt weniger der Status im Mittelpunkt als die Sinnsuche im Leben. 
Quelle: Wikipedia

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Erstellt: 05.02.2015
Geändert: 05.02.2015
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