Elektrizitätsversorgung Grosshöchstetten: "Das heutige System ist nicht mehr zeitgemäss"

Die Elektrizitätsversorgung soll in eine AG umgewandelt werden. Die Gemeinde würde Alleinaktionärin. Das Geschäft kommt am 14. Juni an die Urne.

Silvia Ben el Warda-Wullschläger, Wochen-Zeitung
Die Liberalisierung des Strommarktes beziehungsweise das neue Stromversorgungsgesetz hat Auswirkungen auf die Rechtsform der Stromversorgung in Grosshöchstetten. Schon heute könnten Kunden, die pro Jahr über 100’000 Kilowattstunden Strom beziehen, den Lieferanten frei wählen, erklärt Hanspeter Heierli, Gemeinderat mit dem Ressort Betriebe. Bereits würden Diskussionen laufen, den Markt auch für kleinere Kunden zu öffnen. «Das bedingt ein flexibles Handeln; man muss auf Änderungen am Markt, beispielsweise beim Einkauf, rasch und unkompliziert reagieren können.»

Am Markt benachteiligt

Heute ist die Elektrizitätsversorgung in Grosshöchstetten als unselbständiges Gemeindeunternehmen organisiert. Für die operative Führung ist die Elektrizitätskommission verantwortlich, für die strategische Leitung der Gemeinderat. Er entscheidet zum Beispiel über Stromtarife und Reglemente. Diese Form bringe mit der neuen Gesetzgebung Wettbewerbsnachteile mit sich, betont Hanspeter Heierli. Man sei gegenüber Stromlieferanten und -kunden nicht rasch genug handlungsfähig. Heute müssen zwingende verwaltungsinterne Abläufe und Fristen eingehalten werden, insbesondere bei Entscheiden mit grosser finanzieller Tragweite. «Ein Geschäft über 200’000 Franken müsste zum Beispiel vor die Gemeindeversammlung; bis das soweit wäre, ist die Offerte längst nicht mehr gültig.» Das heutige System sei schlicht nicht mehr zeitgemäss. Zudem entspreche es den gesetzlichen Anforderungen nicht mehr. «Eigentlich können wir so gar nicht markt- und reglementskonform arbeiten; eine Änderung ist dringend notwendig.»

Rasch, flexibel, fachkompetent

Der Gemeinderat habe mehrere Varianten geprüft, erklärt Hanspeter Heierli. «Zur Diskussion standen nicht nur eine Genossenschaft oder eine GmbH, sondern auch die Verpachtung oder der Verkauf des Netzes sowie ein Zusammenschluss mit anderen Neztbetreibern.» Schliesslich hätten die Vorteile einer AG aber den Gemeinderat überzeugt. Die Struktur und Führung sei im Obligationenrecht klar definiert. Vor allem aber werde die Handlungsfähigkeit erhöht. Der Verwaltungsrat könne rasch und flexibel auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren. Die strategische Führung könne neu mit fachkompetenten, nicht zwingend politisch gewählten Personen sichergestellt werden. Die Rechnungslegung in der AG würde gemäss Obligationenrecht erfolgen und nicht mehr nach dem Gemeinderecht. «Die finanziellen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betriebes sind so transparent einsehbar», sagt Heierli. Es werde auch möglich, sich weiteren Geschäftsfeldern zu öffnen, um etwa einen Wärmeverbund zu realisieren.

Der Gemeinderat hat sich auch mit den Nachteilen einer AG befasst. Der politische Einfluss der Eigentümerin reduziere sich. «Bei unternehmerischen und betrieblichen Entscheiden besteht nur noch bedingter Einfluss. So entfällt beispielsweise die Genehmigung von Investitionen des Unternehmens», steht in der Abstimmungsbotschaft. Den zweiten Nachteil, die Steuerpflicht der Aktiengesellschaft, entkräftet der Gemeinderat gleich selber: «Die Steuerpraxis im Kanton Bern erlaubt einer gemeindeeigenen Aktiengesellschaft im Bereich von Monopolaufgaben weiterhin eine Steuerbefreiung auf Antrag.» Dieser wurde von Bund und Kanton bereits genehmigt.

Gemeinde zu 100 Prozent Besitzerin

Die neu zu gründende Aktiengesellschaft soll zu 100 Prozent im Besitz der Gemeinde sein. «Es kommt zu keiner Privatisierung», betont Hanspeter Heierli. Der Verwaltungsrat wird durch den Gemeinderat gewählt; dieser ist mit einem Sitz in diesem Gremium vertreten. Der Verwaltungsrat wiederum wählt die Geschäftsführung. Das Aktienkapital soll bei einer Million Franken liegen. Es würde aus Reserven der heutigen Elektrizitätsversorgung gebildet. 

Die Gemeinde könne künftig – je nach Geschäftsgang – mit Einnahmen aus Konzessionsabgaben und Dividenden von jährlich 300’000 Franken rechnen; rund 50’000 Franken mehr als bisher, sagt Heierli. Dies wie auch die leicht tieferen Strompreise für die Kunden (Konzessionsabgabe minus 0,3 Rappen) seien ein angenehmer Nebeneffekt. 

Am Donnerstag, 28. Mai, 19.30 Uhr, informiert der Gemeinderat in der Aula der Sekundarschule über das Geschäft. Dieses kommt am 14. Juni zur Abstimmung an der Urne. Bei einem Ja wird im August die Energie Grosshöchstetten AG gegründet. Sie würde ihre Geschäftstätigkeit am 1. Januar 2016 aufnehmen.

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Erstellt: 21.05.2015
Geändert: 21.05.2015
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