Dulles, Ritz und Mr. Feelgood: Zu Fuss von Bern via Worb nach Konolfingen

Als wir um neun am Bahnhof Bern loszogen, waren wir bange: Würden wir es trocken nach Konolfingen schaffen? Die Prognose hatte Regen für den Nachmittag verheissen.

Thomas Widmer, Der Bund

Die Frage verblasste schnell. Die elementare Schönheit Berns, des in die Aareschleife gepassten Stadtkörpers aus Sandstein, nahm uns gefangen samt der Kulisse im Hintergrund; die Alpen, die wir den ganzen Tag vor Augen haben würden, waren durch den Restföhn in die Nähe gerückt, eine Wucht von Wand am fahlen Horizont. An der Herrengasse beschauten wir uns die Nummer 23, das Wattenwylhaus; ein Freund hatte mir den Tipp gegeben. 1942 zog Allen Welsh Dulles, Kopf des Office of Strategic Services, wie die Vorläuferin der CIA hiess, in den patrizischen Palast ein. Hier empfing er Agenten, nahm ihre  Berichte über Hitlerdeutschland, Frankreich, Italien entgegen, erteilte  Aufträge. Weil damit zu rechnen war, dass Spitzel feindlicher Mächte vor dem Haus herumlungerten, liess Dulles, der später Chef der CIA wurde, die Strassenbeleuchtung zeitweise abstellen.

 

Fast 20 Jahre lang hatte ich ab 1981 selber in Bern gelebt; beim Wiedersehen stellte ich viel - für mich - Neues fest. Unter der Brüstung der Münsterplattform war ein Netz zur Suizidprävention montiert.  Der Bärengraben hiess nicht mehr so, sondern Bärenpark. Und nachdem wir via Obstgarten zum Ostrand der Stadt vorgedrungen waren, verblüffte mich an der Autobahn das wellenförmig wogende Zentrum Paul Klee.

     

Durch Ostermundigen, später vorbei an dessen Freibad, erstiegen  wir den Amselberg und den Dentenberg. Das Restaurant fünf Minuten unterhalb der Käserei Dentenberg hatte zu, schade. Bei Wannhollen sahen wir ein neugeborenes Kälblein auf Stroh, die Ohren bereits etikettiert. Einige Zeit darauf langten wir in Worb an und assen im Sternen sehr gut: Forelle blau, Wiener Schnitzel, Kalbsbratwurst. Und Linsen für die Vegetarierin. Als wir zufrieden und satt wieder ins Freie traten, war der Himmel von neutralem Grau - keine Regenfront in Sicht.

 

Via Richigen kamen wir zum erhöht liegenden Schlosswil. Dessen Schloss begeisterte uns. Die Lage auf der Krete! Das Weiherchen! Die Hunderte Meter lange Alleepromenade auf dem Kretenkamm! Hier mit dem Rollator spazieren, das wärs, fanden wir; halb im Scherz reden wir auf unseren Wanderungen öfters von der Gründung einer Alters-WG und waren uns einig, dass dieses Schloss uns zusagen würde. Allerdings gehört es einer Stiftung und kommt für uns also nicht infrage. Es beherbergt Ausstellungen, man kann es für Feste mieten, und Paare heiraten gern in seinem herrlichen Ambiente.

 

Zum Hürnberg mussten wir steil aufsteigen. Zum Ballenbühl noch einmal. Er stellte sich als perfekter Aussichtspunkt an der Hangkante heraus. Bald darauf begann der Abstieg nach Konolfingen. Dort nahmen wir in der Bar Mr. Feelgood beim Bahnhof unser Schlussbier auf zur Sitzgelegenheit umfunktionierten Surfbrettern.

 

Zu guter Letzt kaufte ich im Bahnhofsladen eine Büchse Stalden-Creme; Stalden ist ein Teil der Gemeinde Konolfingen. Dass die Creme bei Nestlé in Konolfingen produziert wird, geht auf den Walliser Hotelpionier César Ritz zurück. In seinem Hotel in Cannes war aufgrund schlechter Milch die Cholera ausgebrochen. 1892 gründete Ritz im Bernischen eine Fabrik zur Konservierung von Milch. Und . . . sorry, die Kolumne ist zu Ende. Nur noch dies: Der Regen setzte ein, als wir im Zug nach Bern sassen.

 

[i] Sternen Worb: Mo, Di Ruhetag, http://www.sternen-worb.ch/


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Erstellt: 07.03.2014
Geändert: 07.03.2014
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