Deisswil - Berner Vorzeigeunternehmen braucht dringend mehr Platz
Neben der stillgelegten Kartonfabrik Deisswil wollte die Kablan AG ihren neuen Firmensitz bauen. Doch der Ortsbild- und Landschaftsschutz legte sein Veto ein. Nun versucht es die Firma mit einem kleineren Projekt.
Die Kablan AG ist das, was man eine Vorzeigefirma nennt. Innert 24 Jahren ist sie vom Zweimannbetrieb zur 150-Mitarbeiter-Firma gewachsen. Nicht auf einen Schlag, sondern Schritt für Schritt. Ihr Hauptgeschäft ist der Handel mit Kabeln, vom dicken Kupferkabel bis zum haardünnen Glasfaserkabel. Sie alle werden innert 24 Stunden in gewünschter Länge und mit den gewünschten Steckern an die Kunden, insbesondere an Elektrofirmen, geliefert.
Doch nun hat die Kablan AG ein Problem. An ihrem Hauptsitz im Ostermundiger Industriegebiet Tägetli lagern mittlerweile über 1000 Kabeltrommeln. Viele sind mehrere Tonnen schwer und stehen so dicht nebeneinander, dass sie mit Staplern zuerst eine Viertelstunde lang umplatziert werden müssen, bis das vom Kunden gewünschte Kabelstück abgeschnitten werden kann.
«Das ist nicht sehr wirtschaftlich», sagt Geschäftsführer Sandro Jaussi. Im Tägetli kann sich die Firma aber nicht mehr weiter ausdehnen. Deshalb sah sie sich nach Alternativen um – und fand diese am anderen Ende der Gemeinde, in Deisswil.
«Ein riesiges Tütschi»
Neben der ehemaligen Kartonfabrik Deisswil hat die Kablan AG das Schwandi-Areal gekauft. Dieses umfasst eine alte Papierlagerhalle, weitere kleinere Hallen, den Sportplatz des FC Deisswil und eine Wiese. Auf das Areal wollte Kablan den neuen Hauptsitz bauen: ein 300 Meter langes Gebäude mit 80'000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche.
Doch die Überbauungsordnung stiess in der öffentlichen Mitwirkung auf Kritik. Vor allem die Ortsbild- und Landschaftsschutzkommission fand den Neubau zu gross. Auch die Nachbargemeinde Stettlen meldete «Bedenken gegenüber diesem riesigen Tütschi» an, wie Gemeindepräsident Lorenz Hess sagt.
So hatte das Projekt beim Kanton keine Chance. Also brachen die Gemeinde Ostermundigen und die Kablan AG die Übung ab und verkleinerten das Projekt. Das Schwandi-Areal wird nun zweigeteilt: Die eine Hälfte bleibt vorderhand unbebaut, auf der anderen sind zwei kleinere Hallen geplant. Weil diese den Platzbedarf der Firma nicht decken, behält Kablan auch den bisherigen Firmensitz im Tägetli.
Viermal um die Welt
Ein grosser Firmensitz wäre rentabler als zwei kleinere. «Wegziehen wollen wir trotzdem nicht», sagt Sandro Jaussi. Zwar hätten Solothurner Gemeinden die Kablan AG umworben, aber man fühle sich in Ostermundigen gut aufgehoben. Und vor allem: «Wir wollen unsere Angestellten nicht verlieren. Sie sind unser Kapital.» Dank ihnen könne die Kablan auch gegen die Konkurrenz aus China bestehen.
«Schauen Sie», sagt Jaussi und weist den Weg in die Konfektionierung. Hier sitzen Frauen an Pulten und montieren unter Laborbedingungen kleine Stecker an Glasfaserkabel. Jeder Handgriff sitzt.
«Unsere Mitarbeiterinnen sind schneller und genauer als der beste Fabrikationsroboter», lobt Jaussi. Pro Tag konfektioniert jede der Frauen etwa 500 Stecker an die vorgeschnittenen Kabel. Pro Jahr verkauft Kablan so viele Kabel, dass sie locker viermal um die Erde reichen würden.
2017 fertig?
Ostermundigens Gemeindepräsident Thomas Iten hofft, dass wenigstens die reduzierten Kablan-Pläne in Deisswil Tatsache werden. Alles andere wäre für ihn eine Enttäuschung: «Wenn der Kanton Boden gutmachen will, sollte er das Potenzial in Deisswil nutzen», sagt er. Da die neuen Pläne auf dem bestehenden Zonenplan basieren, stehen die Chancen nicht schlecht, dass der Kanton zustimmt. Der Entscheid fällt laut Iten wohl noch vor den Sommerferien.
In diesem Fall würde die Kablan AG, die noch heute im Besitz von Gründer Hans Röthlisberger ist, der Gemeinde Ostermundigen definitiv erhalten bleiben. Die Bauarbeiten würden im Frühjahr 2016 beginnen. Und 2017 möchte die Kablan AG ihren Neubau in Deisswil in Betrieb nehmen.
FC Deisswil sucht neue Heimat
Mit insgesamt 22 Berner-Meister-Titeln und 11 Cupsiegen gilt der FC Deisswil als erfolgreichstes Firmenteam im Kanton Bern. Jetzt steht der Klub vor einer einschneidenden Veränderung: Die ehemalige Firmenmannschaft der Kartonfabrik hat ihren Fussballplatz in der Schwandi, dort, wo Kablan bauen will. Sie zahlt keine Miete, übernimmt dafür den Unterhalt der gesamten Anlage.
Vereinspräsident Michael Burkhard geht davon aus, dass Ende Jahr fertig ist und der Sportplatz dem Kablan-Neubau weichen muss. Der FC Deisswil will dennoch weitermachen und sucht nun nach Alternativen. Möglich wäre, auf einen Platz in der Umgebung auszuweichen oder nächste Saison alle Spiele auswärts auszutragen. Kaum Hoffnungen macht sich Burkhard dagegen, dass sich die Kablan-Baupläne abermals verzögern und der Deisswiler Fussballplatz ein weiteres Jahr zur Verfügung steht. «Bis September möchten wir eine neue Lösung haben», sagt der Präsident.
Nach der Schliessung der Kartonfabrik musste sich der ehemalige FC Karton in FC Deisswil umbenennen. Dieser nimmt heute noch mit einer Seniorenmannschaft in der Firmenliga teil.