Das ganze Spektrum Demokratie: Intensive Gemeindeversammlung in Grosshöchstetten

Die Gemeindeversammlung von Grosshöchstetten hat am Donnerstag einer Steuererhöhung zugestimmt, den Gemeinderat getadelt, aber auch gelobt.

Pascale Groschel / Res Reinhard, info@bern-ost.ch

Die Aula des Schulhauses in Grosshöchstetten war am Donnerstag bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Gemeindeversammlung begann denn auch mit einem Paukenschlag: Weil offenbar viel Unzufriedenheit vorhanden sei, verlangte ein Bürger, die nicht weniger als 16 Orientierungen des Gemeinderates vor dem Budget mit Steuererhöhung zu behandeln. Der Antrag wurde gegen den Willen von Gemeindepräsidentin Christine Hofer (EVP) knapp angenommen.

 

Die Dreifachsporthalle mit Zivilschutzraum

Zunächst erfolgte eine Information zum aktuellen Stand der geplanten Dreifachsporthalle. Aktuell haben interessierte Planungsteams die Möglichkeit, sich zu bewerben. Der Entscheid, dass im Rahmen der Realisierung der neuen Halle mit Mehrzwecknutzung neue Zivilschutzräume entstehen sollen, warf Fragen auf. Gemeinderätin Elena Zink (EVP) informierte, dass kleine Schutzräume aufgehoben werden sollen. Im Gegenzug müssen die Gemeinden grössere Schutzräume bauen. «Die 800 Schutzplätze, die in der Turnhalle eingebaut werden können, bieten eine gute Möglichkeit dafür», so Zink. Was die Kosten betrifft, geht der Gemeinderat davon aus, dass der Planungskredit trotzdem eingehalten werden kann – nicht zuletzt dank Subventionen von Bund und Kanton.

 

Köpferollen bei der Energie Grosshöchstetten (ENGH) AG

Die Versammlung steuerte auf auf einen ersten Höhepunkt zu: Vor ein paar Tagen ist es bei der Energie Grosshöchstetten (ENGH) AG zum grossen Knall gekommen. Der Gemeinderat hat nicht weniger als vier der fünf Mitglieder des Verwaltungsrats abberufen. Grund dafür war, dass die ENGH AG der Errichtung eines Wärmeverbunds Neuhuspark «defensiv gegenüberstand», wie Gemeindepräsidentin Christine Hofer sagte. Hofer erklärte dazu: «Der Gemeinderat musste entscheiden, weil der Neuhuspark mit einer Zusage betreffend Wärmeverbund nicht mehr länger warten konnte.» Die Gemeinde wolle von der fossilen Energie wegkommen. Folgerichtig hat nun der erneuerte Verwaltungsrat der ENGH AG entschieden, den Wärmeverbund zu planen. «Der Gemeinderat übernimmt für das Vorgehen die volle Verantwortung», so Hofer.

 

Gemeinderat Magnus Furrer, neuer Verwaltungsratspräsident der ENGH AG, sagte: «Ich bin unglaublich überzeugt, dass das Projekt eine gute Sache ist.» Ihm sei bewusst, dass es in den ersten Jahren rote Zahlen geben würde, dies sei aber bei allen Wärmeverbunden so. Ein Wärmeverbund lohne sich nur, wenn mehrere Abnehmer vorhanden sind, was durch die Liegenschaft Neuhuspark und die Gemeindeliegenschaften gegeben sei. "Weitere mögliche Abnehmer wären möglich." Ausserdem soll der Verbund 40 bis 50 Jahre lang betrieben werden. Das Fazit von Furrer: «Es ist der richtige Entscheid des Gemeinderats. Die potenziellen Abnehmer seien immer noch im Boot. Der Wärmeverbund Neuhuspark kommt für Grosshöchstetten genau im richtigen Moment.»

 

"In Schlosswil funktionierts auch"

Ein Votant zweifelte an der Fachkompetenz des Verwaltungsrates. «Wir erwerben uns diese, dort wo wir das Wissen nicht haben, oder wir haben uns die Fachkompetenz dazu geholt», antwortete Hofer.

 

Ein weiterer Votant fragte «Will der Gemeinderat die Planung, den Bau und die Instandhaltung in Eigenregie durchziehen?» Weiter zeige der Gemeinderat, dass er das Projekt «um z verrecke» durchziehen wolle. Es erinnere ihn an eine Bananenrepublik. Beantwortet wurde diese Kritik nicht zuletzt mit Verweis auf Schlosswil, wo ein Wärmeverbund seit Jahren problemlos funktioniere.

 

Ein anderer Votant bemerkte, dass ein Wärmeverbund nicht ökologischer sei als eine Ölheizung. Ein anwesender Experte widersprach der Behauptung. Eine weitere Stimme wiederum sprach für den Wärmeverbund: «Seid mutig und macht es, auch wenn es kostet. Es dauert eben, bis es rentiert.»

 

"Dieser Zug ist abgefahren"

Viel Kritik musste sich der Gemeinderat auch wegen des Fahrverbots auf den Thalibühl (BERN-OST berichtete) anhören. Der Entscheid liege nun beim Regierungsstatthalteramt, sagte Gemeinderätin Elena Zink. Trotzdem stellte ein Versammlungsteilnehmer sogar noch den Standort und den Bau des Pumptracks in Frage. Dieser Zug sei aber abgefahren, sagte Gemeinderätin Karin Wüthrich Leemann (FWG).

 

Widerstand gegen Steuererhöhung...

Das Budget von Grosshöchstetten rechnet fürs nächste Jahr mit einem Aufwandüberschuss von 280‘000 Franken. Dies bei einem Gesamt-Umsatz von 19.4 Millionen Franken. Der Gemeinderat beantragte der Gemeindeversammlung deshalb eine Steuererhöhung von 1.52 auf 1.62 Einheiten.

 

Es seien unter anderem 400'000 Franken von einem guten Steuerzahler weggefallen, so die zuständige Gemeinderätin Caroline Devaux (FDP). Es sei nun an der Zeit Altlasten aufzuräumen. «Ein riesiger Schwachpunkt von Grosshöchstetten ist, dass wir auf Fremdkapital angewiesen sind. Denn auch die Zinskosten steigen», sagte Devaux.

 

Auch hier meldeten sich verschiedene Bürger:innen. Bis jetzt habe man immer bessere Abschlüsse gehabt, als budgetiert wurde. Ein anderer sagte, man sollte es doch noch einmal mit dem aktuellen Steuersatz versuchen.

 

Es wird knapp…

Ein Bürger stellte den Antrag, den Steuerfuss bei 1.52 zu halten. Sein zusätzlicher Ordnungsantrag, geheim über den Steuerfuss abstimmen zu lassen, scheiterte, das notwendige Drittel an Zustimmung wurde nicht erreicht. 122 Bürger:innen stimmten schliesslich für die Steuererhöhung, 85 für den alten Steuerfuss. Das gesamte Budget wurde mit 122 zu 85 Stimmen genehmigt.

 

Abschluss mit weihnächtlichem Wunsch

Die Gemeindeversammlung von Grosshöchstetten war spannend und zeigte das ganze Spektrum an Demokratie. Der Gemeinderat wurde getadelt, zwischendurch auch immer wieder gelobt und sogar mit Applaus bedacht.

 

Kurz vor Mitternacht endete die Versammlung mit einem weihnächtlichen Wunsch: Eine Bürgerin aus Schlosswil bat darum, auch ihren Ortsteil mit einer Weihnachtsbeleuchtung zu versehen.


Fehler gefunden?
Statistik

Erstellt: 18.12.2023
Geändert: 18.12.2023
Klicks heute:
Klicks total: