"Brain-Truck" Konolfingen: In die Welt von hirnverletzten Menschen eintauchen

Im «Brain-Truck» können Kinder und Jugendliche erleben, welche Auswirkungen eine Hirnverletzung haben kann. Pro Integral hat das Projekt vor zwei Jahren ins Leben gerufen.

Veruschka Jonutis, Wochen-Zeitung
Noch bis heute steht der «Brain-truck» mit einem Showzelt auf dem Schulhof des Oberstufenschulhaus Konolfingen. «Wir haben uns zum Ziel gesetzt, vor allem Schülerinnen und Schüler gegenüber Hirnverletzten zu sensibilisieren. Den Menschen mit einer Hirnverletzung sieht man die Beeinträchtigung meistens nicht an und sie stossen auf Ablehnung und Unverständnis», erklärt Franz Müller, Schulungsleiter und Präsident des Gönnervereins Pro Integral. Um den Kursteilnehmern einen bleibenden Eindruck zu vermitteln, hat die Organsiation im Brain-Truck verschiedene Posten aufgebaut.

Mit einer speziellen Brille wird simuliert, wie schwer das Schreiben einem Menschen mit einer Beeinträchtigung fällt. Diese spezielle Brille lässt die Buchstaben dopplet erscheinen und es fällt schwer, sich zu orientieren. «Mit dieser Art des direkten Erfahrens möchten wir den jungen Menschen zeigen, wie schwierig es für den Betroffenen ist, seinen Alltag zu bewältigen.» 

Einschränkung nach dem Unfall

Mittlerweile sind die Sekschülerinnen und Schüler der 9a mit ihrer Lehrerin Sibylle Aeschimann eingetroffen. Noch etwas verhalten setzten sie sich im Kreis ums Franz Müller. «Ein Ziel heute Vormittag ist, euch ein wenig die Funktion unseres Hirns zu erklären.» Anhand eines Plastikhirns zeigt er den Kursteilnehmern, wo zum Beispiel das Sprach- oder Sehzentrum liegt. «Stellt euch vor, durch einen Unfall wird eine dieser Gehirnregionen verletzt. Dann könnt ihr, obwohl eure Augen absolut unbeschädigt sind, nicht mehr richtig sehen.» Schulungsleiterin Diana Glauser verteilt nun allen ein Papier mit der Geschichte eines 25-jährigen Mannes, der mit sieben Jahren einen Velounfall hatte.

«Wenn ihr diese gelesen habt, dann spiele ich euch eine Aufnahme vor. Ihr werdet den Betroffenen hören, wie er die Geschichte vorliest.» Der junge Mann liest mit monotoner Stimme vor, langsam und fast unverständlich. Einige Schüler lachen peinlich berührt. «Was hat das Gehörte in euch ausgelöst?», möchte Franz Müller wissen. Die Antwort fällt den Besuchern schwer und die meisten blicken zu Boden. «Der Mann ist nicht blöd oder zurückgeblieben, auch wenn es so klingen mag. Er leidet seit seinem Unfall an einer starken Einschränkung», sagt Franz Müller.

Mehr Geduld mit Betroffenen

Die Teilnehmer werden in Gruppen aufgeteilt und tasten sich neugierig an die einzelnen Posten heran. Yara versucht, die Konturen eines Sterns nachzuzeichnen. Die Schwierigkeit ist, dass sie dabei nicht direkt auf das Blatt, sondern nur via einem Spiegel auf die Vorlage schauen darf. «Ich zeichne in die falsche Richtung, alles ist irgendwie verkehrt herum», stellt die 15-Jährige fest. Ähnlich ergeht es ihrer Kollegin Isabelle, als sie versucht, mit nur einem Arm einen Kittel anzuziehen und zuzuknöpfen. «Das dauert ja ewig bis man da angezogen ist», sagt sie. Noch schwieriger erscheint es den Jugendlichen, einen Schuh einhändig zuzubinden. «Das ist absolut aussichtslos», meint ein Schüler und gibt auf.

Zum Schluss sind alle froh, die Doppelbilderbrillen hochklappen zu können und wieder beide Hände benutzen zu dürfen. «Ich hoffe, ihr konnten einen Eindruck gewinnen, wie anstrengend ein Tag eines Hirnverletzten sein kann. Wie es sich anfühlt, ‹zu wollen aber nicht zu können› und ihr nun einem Betroffenen mit mehr Geduld und Verständnis begegnen könnt», sagt Franz Müller. Abschiessend zeigen beide Schulungsleiter auf, was die  Schülerinnen und Schüler selber zum Schutz ihres Gehirns beitragen können. «Die meisten von euch fahren mit dem Velo zur Schule und das zu Zeiten, in denen enorm viel los ist auf den Strassen. Selbst wenn ihr korrekt fahrt, kann euch trotzdem ein Auto anfahren. Dann kann ein Velohelm eine Hirnverletzung verhindern helfen. Die Folgen einer Verletzung habt ihr heute hautnah erleben können. Darum: Der Helm gehört auf den Kopf und nicht an den Lenker – Frisur hin oder her.»

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Erstellt: 13.05.2015
Geändert: 13.05.2015
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