Claudia Jaussi: "Ich habe den Schritt noch nie bereut"

Claudia Jaussi ist seit etwas mehr als einem Jahr Gemeindepräsidentin von Bowil. Im BERN-OST Interview spricht sie über ihren Start im Corona-Jahr und darüber, was ihr an Bowil besonders gefällt.

Rolf Blaser, rolf.blaser@bern-ost.ch

Claudia Jaussi, Sie haben im Januar 2020 das Gemeindepräsidium übernommen, dann kam Corona – wie war Ihr Einstieg ins Amt?

Es veränderte den Einstieg komplett. Es gab eine Zeit, wo ich mit dem Gemeindeschreiber häufiger telefonierte, als ihn zu treffen. Ich war viel am Telefon und weniger auf der Verwaltung. Wir hatten dann die Phase, als die Hälfte des Teams im Homeoffice war.

 

Leider litt auch der Kontakt zur Bevölkerung. Der wurde abrupt abgeklemmt. Das war nicht förderlich um zu einer Ansprechperson zu werden. Aber auch der Austausch mit dem Gemeinderat fand phasenweise nur über Videokonferenzen statt. Das war schwierig.

 

Welchen Einfluss hatte Corona auf Bowil?

Wenn ich mit meinen Hunden unterwegs war und mit Leuten ins Gespräch kam, dann war der Grundton stets: "Ja gäu, mir hei's ja guet." Die Leute hier leben nicht in einer engen Stadtwohnung. Viele haben einen Garten oder sind schnell im Grünen. Was aber vermisst wurde, war das Gesellschaftliche, da keine Anlässe mehr stattfanden und die Restaurants zu waren.  

 

Werden Sie von den Leuten auch auf Probleme angesprochen?

Es sprechen mich schon Leute an, wenn ich zu Fuss unterwegs bin. Aber hier ist es eigentlich so, dass wenn jemandem etwas nicht passt, dann melden sie sich eher beim Gemeindeschreiber. Wir hatten auch zwei Gemeindeversammlungen, da hatten die Einwohner:innen Gelegenheit sich zu äussern.

 

Sie sind in Bowil aufgewachsen und zur Schule gegangen – wie fühlt es sich an die Gemeinde zu präsidieren?

Stellen Sie sich vor, nie hätte ich das geplant. Das Leben macht spezielle Wege mit einem. Noch vor fünf Jahren hätte ich das nicht gedacht. Ich begann erst darüber nachzudenken, als der damalige Gemeindepräsident Moritz Müller seinen Rücktritt ankündigte. Ich wusste von meiner Arbeit beim Radio, dass Gemeinden oft Mühe haben Kandidat:innen zu finden. Das war auch in Bowil so. Wir hatten schon lange keine Kampfwahl mehr, diese Zeiten sind vorbei.

 

Mein Mann war vor Jahren Gemeinderat in Bowil. Damals, als unsere Kinder noch klein waren, hätte ich mir das nicht vorstellen können. Ich wurde vor ein paar Jahren angefragt, ob ich beim Regionalen Führungsorgan Kiesental (RFO) eine Aufgabe übernehmen möchte. Ich bin dort für die Kommunikation zuständig. Das RFO war der Wegbereiter in die Gemeindepolitik. Ich meldete mich von mir aus. Ich war dann die Einzige und wurde gewählt.

 

Macht das Amt Spass?

Ich habe den Schritt noch nie bereut. Klar ist nicht alles nur einfach. Es gibt auch Momente, in denen man beissen muss. Darauf war ich vorbereitet, da ich vom Job her wusste, wie das laufen kann. Ich habe gelernt damit umzugehen.

 

Wie gross ist Ihr Pensum als Gemeindepräsidentin?

Es liegt wohl zwischen 20 und 30 Prozent. Es gibt Einladungen an Anlässe, bei denen ich selbst entscheide, bringt es etwas oder nicht. Wenn ich überall hinginge, wäre das Pensum höher.

 

Wird das Amt bezahlt?

(lacht) Ja, ich verdiene schon etwas. Zudem habe ich noch ein 40-Prozent-Pensum beim Radio Neo1.

 

Was gefällt Ihnen an Bowil?

Man muss irgendwann im Leben weg, das ist mein Empfinden. Mal schauen wie's an anderen Orten ist. Mit 22 zog ich nach Wichtrach, dann nach Konolfingen, nach vier Jahren kehrte ich nach Bowil zurück. In Wichtrach grüsste man sich, mehr nicht. Hier sprechen die Leute miteinander. Hier kenne ich die Leute, sei es mit den Kindern auf dem Spielplatz oder unterwegs. Es war für mich ein "Heimkommen" nach Bowil.

 

Wir hatten den Wunsch auf dem Land zu leben. Da war das Haus, welches mein Grossvater gebaut hatte. Da meine anderen Geschwister kein Interesse hatten, war für mich war klar, ich komme wieder heim.

 

Mit welchen Problemen kämpft Bowil?

Wir haben keine existenziellen Probleme. Eventuell kommen nun finanziell magere Jahre, da muss man schauen, dass man klarkommt mit dem, was wir haben. Wir werden auch entscheiden müssen, worauf wir verzichten können. Wir haben zwei Schulhäuser, Primar- und Realschule, da werden noch Investitionen in den nächsten Jahren auf Bowil zukommen.

 

Haben Sie einen Lieblingsort in Bowil?

Wenn wir Gäste aus dem Ausland haben, sage ich ganz offen und ehrlich: In Bowil ist man eher auf dem Weg, der sehr schön ist, und für die Sehenswürdigkeiten muss man über die Gemeindegrenze. Dann fahren wir aufs Chuderhüsi oder auf die Blasenflueh.

 

[i] Claudia Jaussi ist Mitglied bei der SP Schweiz. Die Mitgliedschaft kommt aus der Zeit, als es noch eine Bowiler SP-Sektion gab.


Fehler gefunden?
Statistik

Erstellt: 04.07.2021
Geändert: 20.01.2022
Klicks heute:
Klicks total: