Bowil - Moritz Müller will Einfluss Berns schmälern
Ländliche Gemeinden fühlen sich in der Regionalkonferenz Bern-Mittelland oft aussen vor gelassen. Mit einer Motion will Moritz Müller, SVP-Grossrat und Gemeindepräsident von Bowil, deren Einfluss stärken.
Lisa Stalder / Der Bund
Moritz Müller hat genug. Der Präsident der Kiesentaler Gemeinde Bowil findet, die Stimmkräfte in der Regionalkonferenz Bern-Mittelland (RKBM) seien ungerecht verteilt. Denn so sehr sich die Verantwortlichen der Regionalkonferenz bemühen, den Graben zwischen den urbanen und ländlichen Gemeinden zu überwinden, so reisst er während der Versammlungen doch immer wieder auf. In der Vergangenheit waren es insbesondere die Vertreterinnen und Vertreter der Gemeinden aus dem Kiesental, die verschiedene Geschäfte mit Rückweisungsanträgen zu verhindern versuchten. So wehrten sie sich beispielsweise gegen den Beitritt zum Verein Hauptstadtregion Schweiz oder aber gegen den Beitrag von 30 000 Franken, den die RKBM an die Zweckmässigkeitsbeurteilung einer zweiten Tramachse in der Berner Innenstadt zahlten sollte. Dies allerdings ohne Erfolg - die Stimmen aus der Stadt und der Agglomeration wogen schlicht zu schwer.
Frust bei den Kleinen sei gross
Um dies zu ändern, hat Moritz Müller, der für die SVP im Grossen Rat sitzt, im letzten November im Kantonsparlament einen Vorstoss eingereicht, in dem er «faire Stimmkraft der Gemeinden in der Regionalkonferenz» fordert. Das sei beim heutigen System (siehe Kasten) nicht der Fall: Von den 96 Gemeinden im Perimeter der Regionalkonferenz bestimmten zehn Prozent mit ihrer Stimmkraft über die 90 restlichen. «Diese Situation widerspricht dem demokratischen Denken», sagt Müller dem «Bund». Damit die Meinung der kleineren Gemeinden auch zum Tragen komme, verlangt der SVP-Grossrat, dass das Maximum der Stimmen künftig bei 15 liegen müsse. Ansonsten, sagt der 48-Jährige, bestehe die Gefahr, dass der Unmut der kleinen und ländlichen Gemeinden weiter zunehme. «Schon heute ist die Tendenz so, dass kleine Gemeinden der Versammlung fernbleiben - aus Frust.»
Angriff auf die Stadt Bern?
Das Pikante an Müllers Vorstoss: Diese Änderung würde einzig die Stadt Bern betreffen, deren Stimmkraft 43 beträgt. Köniz hat als zweitgrösste Gemeinde 14 Stimmen, Ostermundigen als drittgrösste deren 6 zugute. Die Annahme liegt daher nahe, dass Müllers Vorstoss ein Angriff auf die Stadt Bern und insbesondere Stadtpräsident Alexander Tschäppät ist. Hinter vorgehaltener Hand wird an den Regionalversammlungen nämlich immer wieder Tschäppäts Verhalten kritisiert. So soll er schon zu spät an Versammlungen gekommen sein und dort die Zeitung gelesen haben. Doch Müller winkt ab: Zwar sei auch ihm schon zu Ohren gekommen, dass das Auftreten Tschäppäts nicht überall gut ankomme. Er persönlich habe aber kein Problem mit dem Stadtpräsidenten. «Wie ich will auch er nur das Beste für seine Gemeinde.» Zudem habe er es nicht nötig, Tschäppät auf diesem Wege zu attackieren: «Wenn ich ihm etwas zu sagen habe, dann sage ich ihm das direkt.»
Entwicklung wird gebremst
Es sei auch nicht etwa so, dass er etwas gegen die Stadt Bern habe. Doch manchmal fühlten sich die ländlichen Gemeinden in der Tat aussen vor gelassen. So zum Beispiel beim Gesamtverkehrs- und Siedlungskonzept, das die Regionalversammlung im Juni deutlich abgesegnet hat. Dieses sehe die Wohnbauentwicklung vor allem in den urbanen Räumen vor, Einzonungen in den ländlichen Gebieten sollen hingegen die Ausnahme bleiben. Dabei sei es gerade für kleine und ländliche Gemeinden wichtig, neue Bewohnerinnen und Bewohner anzulocken. Denn nur mit genügend Steuereinnahmen sei es möglich, die bestehende Infrastruktur aufrechtzuerhalten, sagt Müller. Nur schon der Unterhalt der Strassen koste eine grosse Stange Geld. Und werde dieser aus finanziellen Gründen zurückgesteckt, heisse es dann vonseiten der Stadt und des Kantons, dass die «Naherholungs- und Freizeitgebiete vernachlässigt würden», sagt Müller. Ihm falle auf, dass die Stadt und die Agglomerationsgemeinden immer wieder verlauten liessen, «man sei offen für die Region». Doch wenn es dann um konkrete Projekte gehe, dann sei von dieser Offenheit nicht mehr viel zu spüren. «Ich wünsche mir manchmal mehr Verständnis von Stadt und Agglomeration.»
Heute sähe Entscheid anders aus
Wären Bowil und die anderen Kiesentaler Gemeinden in der Regionalkonferenz Emmental, die im nächsten Jahr zu existieren beginnt, nicht besser aufgehoben? Das sei eine gute Frage, sagt Müller. Während der Planung der Regionalkonferenz Bern-Mittelland wurden die Kiesentaler Gemeinden angefragt, ob sie dereinst lieber zur Region Bern-Mittelland oder doch eher zum Emmental gehören würden. Es sei der Entscheid der Vorgänger gewesen, sich dem Mittelland anzuschliessen, sagt er. Den Ausschlag gab damals die Überlegung, dass das Regierungsstatthalteramt Emmental dereinst in Burgdorf und nicht in Langnau eingerichtet würde. Und da der Sitz des Regierungsstatthalters Bern-Mittelland in Ostermundigen sei und somit an jener S-Bahn-Linie liege, die auch das Kiesental erschliesse, habe man sich für die RKBM entschieden. Nach kurzem Überlegen sagt Müller: «Ich bin mir nicht sicher, ob heute wieder gleich abgestimmt würde.» Eine Möglichkeit, in die RK Emmental zu wechseln, sei die Fusion mit einer Gemeinde aus jenem Perimeter. Doch eine Fusion kommt für Müller nicht infrage.
Grosser Rat Regierungsrat beantragt Ablehnung der Motion
Die Motion «Faire Stimmkraft der Gemeinden in der Regionalkonferenz» von Moritz Müller (SVP, Bowil) wird voraussichtlich in der Septembersession im Grossen Rat behandelt. Der Regierungsrat empfiehlt dem Kantonsparlament aus verschiedenen Gründen die Ablehnung des Vorstosses. Müllers Aussage, wonach 10 Prozent der 96 zur Regionalkonferenz Bern-Mittelland (RKMB) gehörenden Gemeinden mit ihrer Stimmkraft über die restlichen 90 Prozent bestimmten, sei «nicht zutreffend», schreibt der Gemeinderat. So hätten die 86 kleinsten bis mittleren Gemeinden insgesamt 131 Stimmen der Regionalversammlung, die sieben grössten nur 83 Stimmen. Dass die kleinen Gemeinden durch die Stadt majorisiert würden, stimme also nicht. Zudem habe sich gezeigt, dass die meisten Entscheide einstimmig oder zumindest mit grosser Mehrheit beschlossen worden seien. Die Stimmkraft der Gemeinden ist an die Anzahl Einwohner geknüpft: Gemeinden bis und mit 1000 Einwohner verfügen über eine Stimme; danach erfolgt die Erhöhung der Stimmkraft in 3000er-Schritten. Ab 4000 Einwohnern gibt es drei, ab 7000 vier Stimmen, usw. Gemäss diesem System hätte die Stadt Bern rund 70 Stimmen; sie verzichtet aber auf ihre volle Stimmkraft.
Frust bei den Kleinen sei gross
Um dies zu ändern, hat Moritz Müller, der für die SVP im Grossen Rat sitzt, im letzten November im Kantonsparlament einen Vorstoss eingereicht, in dem er «faire Stimmkraft der Gemeinden in der Regionalkonferenz» fordert. Das sei beim heutigen System (siehe Kasten) nicht der Fall: Von den 96 Gemeinden im Perimeter der Regionalkonferenz bestimmten zehn Prozent mit ihrer Stimmkraft über die 90 restlichen. «Diese Situation widerspricht dem demokratischen Denken», sagt Müller dem «Bund». Damit die Meinung der kleineren Gemeinden auch zum Tragen komme, verlangt der SVP-Grossrat, dass das Maximum der Stimmen künftig bei 15 liegen müsse. Ansonsten, sagt der 48-Jährige, bestehe die Gefahr, dass der Unmut der kleinen und ländlichen Gemeinden weiter zunehme. «Schon heute ist die Tendenz so, dass kleine Gemeinden der Versammlung fernbleiben - aus Frust.»
Angriff auf die Stadt Bern?
Das Pikante an Müllers Vorstoss: Diese Änderung würde einzig die Stadt Bern betreffen, deren Stimmkraft 43 beträgt. Köniz hat als zweitgrösste Gemeinde 14 Stimmen, Ostermundigen als drittgrösste deren 6 zugute. Die Annahme liegt daher nahe, dass Müllers Vorstoss ein Angriff auf die Stadt Bern und insbesondere Stadtpräsident Alexander Tschäppät ist. Hinter vorgehaltener Hand wird an den Regionalversammlungen nämlich immer wieder Tschäppäts Verhalten kritisiert. So soll er schon zu spät an Versammlungen gekommen sein und dort die Zeitung gelesen haben. Doch Müller winkt ab: Zwar sei auch ihm schon zu Ohren gekommen, dass das Auftreten Tschäppäts nicht überall gut ankomme. Er persönlich habe aber kein Problem mit dem Stadtpräsidenten. «Wie ich will auch er nur das Beste für seine Gemeinde.» Zudem habe er es nicht nötig, Tschäppät auf diesem Wege zu attackieren: «Wenn ich ihm etwas zu sagen habe, dann sage ich ihm das direkt.»
Entwicklung wird gebremst
Es sei auch nicht etwa so, dass er etwas gegen die Stadt Bern habe. Doch manchmal fühlten sich die ländlichen Gemeinden in der Tat aussen vor gelassen. So zum Beispiel beim Gesamtverkehrs- und Siedlungskonzept, das die Regionalversammlung im Juni deutlich abgesegnet hat. Dieses sehe die Wohnbauentwicklung vor allem in den urbanen Räumen vor, Einzonungen in den ländlichen Gebieten sollen hingegen die Ausnahme bleiben. Dabei sei es gerade für kleine und ländliche Gemeinden wichtig, neue Bewohnerinnen und Bewohner anzulocken. Denn nur mit genügend Steuereinnahmen sei es möglich, die bestehende Infrastruktur aufrechtzuerhalten, sagt Müller. Nur schon der Unterhalt der Strassen koste eine grosse Stange Geld. Und werde dieser aus finanziellen Gründen zurückgesteckt, heisse es dann vonseiten der Stadt und des Kantons, dass die «Naherholungs- und Freizeitgebiete vernachlässigt würden», sagt Müller. Ihm falle auf, dass die Stadt und die Agglomerationsgemeinden immer wieder verlauten liessen, «man sei offen für die Region». Doch wenn es dann um konkrete Projekte gehe, dann sei von dieser Offenheit nicht mehr viel zu spüren. «Ich wünsche mir manchmal mehr Verständnis von Stadt und Agglomeration.»
Heute sähe Entscheid anders aus
Wären Bowil und die anderen Kiesentaler Gemeinden in der Regionalkonferenz Emmental, die im nächsten Jahr zu existieren beginnt, nicht besser aufgehoben? Das sei eine gute Frage, sagt Müller. Während der Planung der Regionalkonferenz Bern-Mittelland wurden die Kiesentaler Gemeinden angefragt, ob sie dereinst lieber zur Region Bern-Mittelland oder doch eher zum Emmental gehören würden. Es sei der Entscheid der Vorgänger gewesen, sich dem Mittelland anzuschliessen, sagt er. Den Ausschlag gab damals die Überlegung, dass das Regierungsstatthalteramt Emmental dereinst in Burgdorf und nicht in Langnau eingerichtet würde. Und da der Sitz des Regierungsstatthalters Bern-Mittelland in Ostermundigen sei und somit an jener S-Bahn-Linie liege, die auch das Kiesental erschliesse, habe man sich für die RKBM entschieden. Nach kurzem Überlegen sagt Müller: «Ich bin mir nicht sicher, ob heute wieder gleich abgestimmt würde.» Eine Möglichkeit, in die RK Emmental zu wechseln, sei die Fusion mit einer Gemeinde aus jenem Perimeter. Doch eine Fusion kommt für Müller nicht infrage.
Grosser Rat Regierungsrat beantragt Ablehnung der Motion
Die Motion «Faire Stimmkraft der Gemeinden in der Regionalkonferenz» von Moritz Müller (SVP, Bowil) wird voraussichtlich in der Septembersession im Grossen Rat behandelt. Der Regierungsrat empfiehlt dem Kantonsparlament aus verschiedenen Gründen die Ablehnung des Vorstosses. Müllers Aussage, wonach 10 Prozent der 96 zur Regionalkonferenz Bern-Mittelland (RKMB) gehörenden Gemeinden mit ihrer Stimmkraft über die restlichen 90 Prozent bestimmten, sei «nicht zutreffend», schreibt der Gemeinderat. So hätten die 86 kleinsten bis mittleren Gemeinden insgesamt 131 Stimmen der Regionalversammlung, die sieben grössten nur 83 Stimmen. Dass die kleinen Gemeinden durch die Stadt majorisiert würden, stimme also nicht. Zudem habe sich gezeigt, dass die meisten Entscheide einstimmig oder zumindest mit grosser Mehrheit beschlossen worden seien. Die Stimmkraft der Gemeinden ist an die Anzahl Einwohner geknüpft: Gemeinden bis und mit 1000 Einwohner verfügen über eine Stimme; danach erfolgt die Erhöhung der Stimmkraft in 3000er-Schritten. Ab 4000 Einwohnern gibt es drei, ab 7000 vier Stimmen, usw. Gemäss diesem System hätte die Stadt Bern rund 70 Stimmen; sie verzichtet aber auf ihre volle Stimmkraft.