Bowil - Der General und der Käse

Zwölf Jahre nachdem er dem "Wüstenfuchs" Rommel in Afrika das Fürchten gelehrt hatte, liess sich Bernard Montgomery im Emmental beeindrucken – von der Art, wie man hier Löcher in den Käse bringt.

Susanne Graf, Berner Zeitung BZ
Es war vor genau sechzig Jahren. Die Sonne schien, eine Schulklasse und die Bewohner des Weilers Steinen zwischen Bowil und Signau standen vor der Käserei Spalier. Gegen 10 Uhr fuhr ein Auto vor, dem ein Mann im dicken Schafpelzmantel entstieg.

Es war Bernard Montgomery, der britische Feldmarschall, der im Zweiten Weltkrieg Weltruhm erlangt hatte, als er in der Schlacht um El Alamein Erwin Rommels Afrikakorps besiegte. Auf Einladung der Käseunion nutzte der populäre britische Heerführer seinen Ferienaufenthalt, um sich über die schweizerische Milchwirtschaft ins Bild zu setzen.

«Es kann uns nicht wundern, dass der Mann, der während Jahren Löcher in die Front des Gegners geschlagen hat und wissen muss, wie schwer es ist, sie gross und wirksam genug zu machen, nun auch wissen wollte, wie die Löcher im Emmentaler entstehen.»

Das schrieb die «Schweizerische Milchzeitung», die damals in einer zweiseitigen Reportage über den hohen Besuch berichtete. Warum gerade die Käserei Steinen für die Demonstration auserkoren wurde, erklärte das «Emmenthaler-Blatt»: weil sich diese «erstklassig eingerichtete und als eine der ersten elektrisch arbeitenden Käsereien» besonders dafür geeignet habe.

Rasch beliebt

Doch bevor der hohe Gast die Käserei betrat, lauschte er einem Schülerchor. Die Oberschüler werden den ehemaligen Oberbefehlshaber in bester Erinnerung behalten haben: Er habe sich bei ihrem sangesfreudigen Lehrer «zum Fürsprecher der kleinen Schar» gemacht und ihnen als Dank einen schulfreien Nachmittag erwirkt, schrieb die «Milchzeitung». Dann aber habe er besorgt gefragt: «Sollte man jetzt nicht zum Käse schauen?»

Wissbegier erwachte

Der Feldmarschall wird als äusserst interessierter Käsereibesichtiger beschrieben. Er habe über den Elektrobetrieb gestaunt und genau wissen wollen, wie lange die Milch im Kessi geheizt und gerührt werde, und was mit der Schotte passiere. «Doch vollends erwachte seine Wissbegier im Käsekeller», rapportierte das Fachblatt und fuhr fort: «In der Vorheizung legte er die Hand auf den Käselaib, in welchem die Bakterientätigkeit mit Wärme angeregt wird, und bereits mit Kennermiene sah er auf die im Reifekeller liegenden Stücke.»

Dann habe Monty, wie er gern genannt wurde, das eben Gelernte zusammengefasst: «So, also kommen die Löcher in den Käse, indem man ihn bei verschiedenen Temperaturen schaffen lässt und den Gas bildenden Bakterien gute Verhältnisse bietet.»

Besuch der «Käsemetropole»

Als Geschenk der Käseunion überreichte Gottfried Gerber, der Käser in Steinen, seinem Besucher einen echten Schweizer Käse. «Als er nun mit einem Käse hinten im Wagen zur Besichtigung der Käsemetropole Langnau weiterfuhr, wird es wohl das erste Mal gewesen sein, dass ein Feldmarschall im Emmental Käse transportiert hat», vermutete der Redaktor der «Milchzeitung».

Es handelte sich dabei aber um keinen neunzig Kilogramm schweren Emmentaler, sondern um einen nicht halb so schweren Greyerzer. Dieser war für das von Montgomery betreute Waisenhaus in England bestimmt.

Auch in Langnau bot die Schuljugend einen «begeisterten Empfang». Hier besichtigte der Feldmarschall die Schachtelkäsefabrik Röthlisberger&Co., die später als Tiger-Käse AG bekannt wurde. Er habe gestaunt, dass die Schachtelkäse nicht aus Milch, sondern aus nicht exportfähigen Käselaiben fabriziert würden, schrieb die «Milchzeitung». Und weiter: «Trotz der fehlerhaften Lochungen liess es sich Montgomery nicht nehmen, einige Kostproben zu machen, und erklärte schmunzelnd, den Käse habe er doch lieber als die Löcher.»

Nicht «farblos fabrikmässig»

Am Schluss stand ein Besuch in der Käsehandelsfirma Gebr. Joost auf dem Programm. Hier wurde der Feldmarschall in die Geheimnisse der Lagerung und Pflege des Emmentalers eingeweiht. Alphornklänge zum Abschied sollten den Eindruck unterstreichen, «dass eben unsere Käse von Anfang bis Ende etwas an die schweizerische Eigenart Gebundenes darstellen, das mit einer farblosen fabrikmässigen Herstellungsweise nichts gemein hat, weil jeder an der Käseherstellung Beteiligte nicht nur eine materielle, sondern auch eine persönliche Beziehung zum Erzeugnis hat.»

Das schrieb die «Milchzeitung» vor sechzig Jahren – zu einer Zeit also, als die Produzenten nicht dem Wettbewerb ausgesetzt waren. Damals bestimmte noch der Bundesrat, was die Käser für ihren an die «schweizerische Eigenart gebundenen» Emmentaler zugute haben.


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Erstellt: 27.01.2015
Geändert: 27.01.2015
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