SVP gegen Bolliger Budget: Häckseldienst und Apéro müssen warten
Die SVP Bolligen sammelt Unterschriften gegen das Budget 2022. Im Visier hat sie dabei vor allem die Liegenschaftssteuer. Gemeindepräsidentin Kathrin Zuber wurde vom Referendum überrascht. BERN-OST erklärt sie, worauf die Gemeinde verzichten muss, bis sie wieder ein gültiges Budget vorweisen kann.
Die SVP Bolligen sammelt Unterschriften gegen die von der Gemeindeversammlung beschlossene Erhöhung der Liegenschaftssteuer. Diese war 2019 von 1,2 auf 1 Promille heruntergesetzt und an der Gemeindeversammlung im letzten Dezember auf Antrag der EVP wieder auf 1,2 erhöht worden. Dies mit Blick auf die angespannte Finanzlage der Gemeinde (BERN-OST berichtete). Diesen Entscheid will die SVP mittels Referendum erneut vors Stimmvolk bringen, diesmal an der Urne.
"Wir hatten die Rückmeldung, dass das Budget akzeptiert wird"
Gemeindepräsidentin Kathrin Zuber (FDP) wurde von der Unterschriftensammlung überrascht. Die Gemeindeversammlung hatte den höheren Liegenschaftssteuern mit 67 Ja zu 47 Nein deutlich zugestimmt und das so angepasste Budget in der Schlussabstimmung grossmehrheitlich angenommen. Beides war an der Gemeindeversammlung zwar kritisiert worden. „Aber wir hatten die Rückmeldung, dass das Budget so akzeptiert wird.“
Tatsächlich richtet sich das Referendum der SVP explizit nur gegen die höhere Liegenschaftssteuer und nicht gegen das gesamte Budget. Nur: Über die Liegenschaftssteuer allein könne gar nicht abgestimmt werden, so der Standpunkt der Gemeinde. „Kommt das Referendum zustande, so kann man einzig das im Dezember in der Schlussabstimmung beschlossene Budget 2022 an der Urne entweder annehmen oder ablehnen“, heisst es in der Medienmitteilung des Gemeinderats.“ Das hätten juristische Abklärungen klar ergeben.
Unterschriften schon fast beisammen
Davon wurde wiederum die SVP überrascht. Michael Christen, Präsident der SVP Bolligen sagt: „In der Gemeindeverfassung heisst es, man könne gegen jeden Entscheid der Versammlung das Referendum ergreifen. Wir gehen davon aus, dass das auch für Änderungsanträge gilt, die angenommen wurden.“ Die nötigen 200 Unterschriften habe die SVP fast schon beisammen.
So oder so ist klar, und hier sind sich Gemeinderat und SVP einig: Bis zur Urnenabstimmung hat Bolligen kein rechtsgültiges Budget. Bis dann muss sich die Gemeinde in ihren Ausgaben einschränken. Der Gemeinderat habe die Verwaltung in einem dringlichen Beschluss angewiesen, ab sofort nur noch „unumgänglichen Pflichten“ nachzukommen, heisst es in der Mitteilung. Das heisst: Alles, was vertraglich geregelt ist, wie Löhne und bereits vergebene Aufträge, läuft weiter.
Jede Ausgabe muss geprüft werden
Alles andere wird einzeln geprüft und wenn möglich aufgeschoben. Dazu gehören etwa Unterhaltsarbeiten, für die noch kein Vertrag besteht, Arbeitsmaterial für die Gemeinde, der jährliche kostenlose Häckseldienst der Gemeinde, der Neuzuzüger:innenanlass oder der Wirtschaftsapéro. Betroffen ist auch die Schule.
Zum Beispiel das Skilager, für deren Durchführung man sich in Bolligen trotz Corona entschieden hat. Laut Gemeindepräsidentin Zuber wurden die Mietkosten für Unterkünfte zum Teil bereits bezahlt. Nun müsse der Gemeinderat entscheiden, wie die Verpflegungskosten, die nicht durch Elternbeiträge gedeckt sind, übernommen werden könnten.
Diese Folgen seien zwar bedauerlich, sagt dazu Michael Christen. Vom Referendum ist er trotzdem überzeugt. „Die Senkung der Steuer 2019 erfolgte, weil eine amtliche Neubewertung der Liegenschaften anstand.“ Da die Neubewertung höher ausfiel, müssen die Liegenschaftsbesitzer:innen nun mehr zahlen. Die Senkung des Steuersatzes sollte das ausgleichen.
Abstimmung im Frühling
Für eine Abstimmung am 27. März, wenn die kantonalen Wahlen sind, reiche die Zeit wohl nicht mehr, heisst es auf der Gemeindeverwaltung Bolligen. Realistischer sei der eidgenössische Abstimmungstag am 15. Mai. Wird das Budget erneut angenommen, kann die Gemeinde wieder zum Normalbetrieb übergehen. Folgt das Stimmvolk der SVP und sagt Nein zum Budget, muss der Gemeinderat ein neues an die Gemeindeversammlung bringen, was den budgetlosen Zustand nochmals verlängern würde.
Verfügt die Gemeinde bis am 30. Juni nicht über ein rechtskräftiges Budget, wird der Kanton eines verordnen. Dabei hält er sich meist an den Vorschlag der Gemeindebehörden. In diesem Fall wäre wohl beides möglich: Dass der Kanton das im Dezember genehmigte Budget verfügt, aber auch, dass er das Volksnein aufnimmt und die Liegenschaftssteuer beim tieferen Satz belässt.
[i] Rechenbeispiel: Bei einer Liegenschaftssteuer von 1 Promille zahlt man für ein Einfamilienhaus mit einem (eher hohen) amtlichen Wert von 800'000 Franken jährlich 800 Franken Liegenschaftssteuer. Bei einem Satz von 1,2 Promille werden 960 Franken fällig, also 160 Franken mehr.