Bolligen - Wittwer mag es eisig

Minustemperaturen und Schneefall halten Adrian Alejandro Wittwer nicht von einem Training in der Aare ab. Dreimal in der Woche schwimmt er den Fluss aufwärts und macht sich für die Weltmeisterschaft fit.

Nina-Lou Frey , Berner Zeitung BZ
In Bern sind es minus vier Grad, ein paar Schneeflocken fallen zu Boden, und die Bise weht. Eingepackte Fussgänger spazieren am Ufer die Aare entlang. Aber einer, der ist im Wasser. Adrian Alejandro Wittwer zieht gelassen die Badekappe an, rückt die Schwimmbrille zurecht und beginnt zu crawlen.

Die nächste Viertelstunde trainiert der 30-Jährige im vier Grad kalten Wasser. Dann steigt er entspannt heraus. «Mit der richtigen Einstellung ist es ein grosses Vergnügen», sagt Wittwer schlotternd. Er zieht sich rasch an und sagt: «Im Wasser vergesse ich schnell die Zeit.» Erst draussen merke er dann, wie kalt seinem Körper sei. Seine Füsse und Hände spürt er nicht mehr. «Das ist normal.»

Kalt, kälter und schlottern

Wittwer trainiert das Eisschwimmen die zweite Saison. In der Schweiz ist die Extremsportart relativ unbekannt. «Einige hüpfen im Winter für ein paar Sekunden ins kalte Wasser, aber über 10 Minuten halten es wenige aus», sagt der Bolliger. Im Winter steigt er dreimal pro Woche für gut 20 Minuten in die Aare. Das hat sich ausbezahlt. An den German Open ist er in seiner Alterskategorie Erster geworden. Die 1000 Meter schwamm er in gut 21 Minuten. Damit qualifizierte er sich für die Weltmeisterschaft 2018. «Ich gehöre zu den jüngsten Teilnehmern», sagt Wittwer. Die Sportart sei vor allem im höheren Alter beliebt.

Für den Wettkampf gelten klare Regeln. Das Wasser muss unter fünf Grad sein. An der Meisterschaft in Deutschland Anfang Januar lag die Temperatur bei 2,4 Grad. «Es war saukalt», erinnert sich Wittwer. «Doch danach hatte ich ein befriedigendes Gefühl.» Der Schwimmer darf nur eine Schwimmbrille, eine Kappe und eine normale Badebekleidung tragen. Neoprenanzüge sind verboten. Zudem müssen sich die Teilnehmenden einer ärztlichen Untersuchung unterziehen.

Im eisig kalten Wasser zu schwimmen, sei sehr gesund, sagt Wittwer. «Aber man darf die körperliche Beanspruchung nicht unterschätzen.» Deshalb trainiert Wittwer immer mit einer Boje. «Wenn ich einen Krampf hätte, würde ich noch an Land kommen.» Zudem werde von einigen Profis empfohlen, in Begleitung zu schwimmen. Wittwer trainiert aber meistens allein. «Passanten könnten mir in einem Notfall sicher helfen», meint er. Schlechte Erfahrungen hat der Eisschwimmer bis jetzt keine gemacht. Nach einem 40-minütigen Training sei ihm schwindlig geworden, aber der Körper habe sich dann wieder aufgewärmt. Bei dieser Grenzerfahrung waren seine Eltern dabei.

Von der Regel, dass man die gleiche Anzahl Minuten wie Grade im Wasser sein soll, hält er nichts. «Dann hätte ich heute nur vier Minuten trainieren können», stellt er fest. Anfang Saison gehe er das Training aber langsamer an. «Mittlerweile hat sich der Körper an die tiefen Temperaturen gewöhnt, und ich kann lange Zeit im Wasser sein.» Obwohl der Dezember für sein Training zu warm gewesen ist.

Ab unter die warme Dusche

Schon als Jugendlicher war Wittwer ein begeisterter Schwimmer. Jahr für Jahr stellte er sich neuen Herausforderungen. 2013 wollte er den Bodensee längs durchschwimmen. Die 64 Kilometer lange Distanz konnte er nicht bezwingen. «Dann habe ich mir einfach wieder neue Projekte gesucht.» Gamen, Ausgehen oder Chillen befriedigen ihn nicht. Seine Grenzen auszutesten hingegen schon. «Wenn ich alt bin, möchte ich zufrieden auf mein Leben zurückblicken.»

Neben dem Ziel, an der Weltmeisterschaft 1000 Meter unter 20 Minuten zu bezwingen, möchte Wittwer der erste Schweizer Mann sein, der die Eismeile schwimmt. Die Schweizerin Sabrina Wiedmer hat bereits einen solchen Rekord aufgestellt. «Ich mache gerne aussergewöhnliche Sachen», sagt Wittwer schmunzelnd. Jetzt freue er sich aber erst einmal auf die halbstündige warme Dusche.

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Erstellt: 20.01.2017
Geändert: 20.01.2017
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