Bolligen - Sprayen – amtlich bewilligt

Ein Dutzend Jugendliche besprayt alle Wände einer Strassenunterführung. Die Gemeinde hat dazu ihren Segen gegeben und sogar die Spraydosen bezahlt.

Markus Zahno, Bernerzeitung BZ
Manche Passanten schauen anfänglich eher skeptisch zu den Jugendlichen, die sich in der Bolliger Eisengasse-Unterführung installiert haben. Die Teenager besprayen die neu gestrichenen Betonwände und -pfeiler. Pffffff. Das typische Spraygeräusch vermischt sich mit den Tönen, die aus dem Lautsprecher eines Handys dröhnen. «How Deep Is Your Love», eine Mischung aus Electro- und Trancemusik. Die Stimmung ist locker, es riecht nach frischer Farbe, und die Jugendlichen sind offensichtlich stolz auf das, was sie machen.

«Keine Angst, wir machen nichts Illegales.» Jugendarbeiterin Stefanie Josi geht sofort auf die Passanten zu. Sie erklärt das Ziel der Aktion: die verschmierten Wände der Unterführung zu verschönern. Zuerst wurden die Wände mit dem Hochdruckreiniger gewaschen, dann gestrichen, und jetzt werden sie mit ästhetischeren Graffiti übersprayt. Das Projekt ist ganz im Sinne der Gemeinde, die sogar 1000 Franken fürs Material – vor allem Spraydosen – bezahlt hat.

Ich, du, wir

Drei Tage dauert das Frühlingsferienangebot der Kinder- und Jugendfachstelle Bolligen. Am Morgen des dritten Tages sind die Graffiti bereits ziemlich weit gediehen. Die 16-jährige Sathiya Maruthappu hat die grösste Wand zur Verfügung. Sie sprayt die Wörter «ich», «du» und «wir» an den Beton – das Leitmotiv der Bolliger Charta, in der die Werte des Zusammenlebens niedergeschrieben sind. Was genau in der Charta steht, ist den wenigsten Jugendlichen geläufig. «Mich fasziniert es einfach, Buchstaben spielerisch darzustellen und Farben zu mischen», sagt Sathiya Maruthappu. Deshalb habe sie sofort zugesagt, als sie vom Graffitiworkshop gehört habe. «Sonst hat man selten Gelegenheit, so etwas zu machen.»

Die Teenager und der Rentner

Einige Graffiti sind wahre Kunstwerke, etwa das Ei, das aus der Schale schlüpft. Andere Teenager sprayen sorgfältig die Anfangsbuchstaben ihres Namens auf den Beton. Fabian Schmid zeigt ihnen dabei ein paar Tricks. Der 19-Jährige hat früher «viel gesprayt», wie er sagt. Heute ist er Fitnesscoach und gibt seine Graffitierfahrung in Workshops weiter. Die Jugendlichen himmeln ihn zum Teil richtig an. Die Chancen stehen also gut, dass seine Botschaft ankommt: «Illegale Graffiti lohnen sich nicht.»

Wenn Jugendarbeiterin Stefanie Josi jeweils das Ziel des Graffitiworkshops erklärt, ist die Skepsis der Passanten in der Regel rasch verflogen. «Ein älterer Herr war so begeistert, dass er sogar selbst zur Spraydose griff», sagt Josi.

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Erstellt: 22.04.2016
Geändert: 22.04.2016
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