Bolligen - "Shit happens. Das ist Demokratie"
Es ist die bisher grösste Überraschung des Berner Wahlherbsts: In Bolligen macht der amtierende Gemeindepräsident Rudolf Burger (Bolligen Parteilos) nur halb so viele Stimmen wie Herausfordererin Katharina Zuber (FDP). Wir haben die beiden am Tag nach der Wahl zum Gespräch getroffen.
Rudolf Burger: Ich musste damit rechnen, dass es am Schluss nicht reichen könnte. Aber dass Katharina Zuber so weit vorne liegt, das gibt mir schon zu denken.
Haben Sie bereits Erklärungen gefunden?
Burger: 250 Leute haben bei den Gemeinderatswahlen die Liste von Bolligen Parteilos in die Urne gelegt. Sie haben wohl auch mich als Gemeindepräsident gewählt. Was mir fehlte, waren die Stimmen der Nicht-BP-Wähler. Mein Nachteil war, dass die drei grossen Parteien FDP, SP und SVP gegen mich waren.
Ist Bolligen Parteilos ein Auslaufmodell?
Burger: Wir hatten für den Gemeinderat nur zwei Kandidierende, trotzdem konnten wir den Gemeinderatssitz halten. Das ist nicht schlecht. Ich bin zuversichtlich, dass wir in vier Jahren das 20-Jahr-Jubiläum von Bolligen Parteilos feiern können.
Spielte auch eine Rolle, dass Sie, Frau Zuber, Ur-Bolligerin sind und Herr Burger ursprünglich Aargauer?
Katharina Zuber: Das mag eine Rolle gespielt haben. Ich habe in der Vergangenheit immer etwas für das Dorf gemacht, zum Beispiel den Damenturnverein geleitet und in diversen Kommissionen mitgemacht. Als Seklehrerin hatte ich zudem den Vorteil, dass viele Jugendliche mal durch meine «Maschinerie» gegangen sind. Das bedeutet viele Vernetzungen, viele Kontakte.
Burger: Ich schlüpfe jetzt kurz in die Rolle des Politologen: Aus der Forschung weiss man, dass Ortsverbundenheit bei den Wahlen eine grosse Rolle spielt.
Zuber: Aber die Leute in Bolligen wollten glaub einfach einen Wechsel.
Wann haben Sie die Wechselgelüste erstmals registriert?
Zuber: Bei den Wahlen vor vier Jahren. Mehrere Parteien wollten damals fürs Präsidium antreten, fanden aber keine Kandidaten. (Zu Rudolf Burger:) Dein Wahlresultat war damals ja nicht brillant. Viele legten leer ein.
Burger: Wenn man einziger Kandidat ist, ist das Wahlresultat nie überragend. Und diesmal ist halt das bürgerliche Parteienpäckli zum Tragen gekommen.
Zuber: Es waren aber nicht nur die Bürgerlichen. Auch die SP hat mich unterstützt.
Burger: Das hat mich nicht überrascht. Ich war ich in jungen Jahren selber mal in der SP, trat dann aber aus. Abtrünnige wie mich hat man in der SP nicht gerne.
Als wir titelten «Unterstützung für Burger bröckelt», antworteten Sie, Sie seien von den anderen Parteien gar nie unterstützt worden.
Burger: Ja, das ist so. Ich habe das Gefühl, in der zweiten Legislatur habe ich das Amt besser ausgeführt als in der ersten. Ich hatte das Pensum als Journalist reduziert, konnte mich stärker auf das Amt konzentrieren.
Zuber: Das habe ich auch so erlebt.
Burger: Aber dann kam die Geschichte mit der Pensionskasse, die für viel Geld saniert werden muss. Klar kann man sagen, als Stiftungsrat sei ich dafür mitverantwortlich. Aber das wäre jedem und jeder anderen an meiner Stelle ebenfalls passiert.
Zuber: Ich hätte den Stiftungsratssitz nie angenommen, weil ich in diesem Thema schlicht zu wenig durchblicke. (Zu Rudolf Burger:) Aber ich glaube, schuld ist nicht nur die Pensionskasse . . . Du hast zum Beispiel auch nicht darauf gehört, wenn du bezüglich Personalführung Ratschläge bekommen hast.
Burger: Die Personalführung wird mir immer wieder angekreidet. Aber Fakt ist, dass wir auf der Bolliger Verwaltung weniger Wechsel haben als etwa Ostermundigen oder Ittigen.
Herr Burger, hätten Sie das Mandat im Stiftungsrat der Pensionskasse ablehnen können?
Burger: Nein. Es hiess: Als Gemeindepräsident bist du Arbeitgebervertreter und musst in den Stiftungsrat.
Zuber: Aber das hättest du doch hinterfragen können.
Burger: Ich habe im Stiftungsrat viele kritische Fragen gestellt. Das kannst du mir glauben.
Zuber: Lassen wir das Thema doch ruhen. Das ist passé.
Okay, anderes Thema. Ist es nach diesem Wahlausgang für Sie beide schwierig, bis Ende Jahr gemeinsam im Gemeinderat zu arbeiten?
Zuber: Nein. Meine Kritik war nie gegen die Person Ruedi Burger gerichtet. Wir kennen einander schon lange. Ruedi hat mir bei der Bekanntgabe des Resultats richtig leid getan.
Burger: Es gibt doch die legendäre Nummer von Emil mit dem Titel «Der Wahlverlierer». Natürlich gehts mir im Moment wie ihm. Man fühlt sich schlecht behandelt. Aber so ist nun einmal die Demokratie.
Zuber: Hättest du dir das nicht ersparen können, wenn du nicht mehr kandidiert hättest?
Burger: Ich trat aus zwei Gründen wieder an. Erstens wollte ich nicht, dass Bolligen Parteilos den Gemeinderatssitz verliert. Zweitens fühle ich mich einfach noch nicht als Rentner. Ich bin fit, sehe nicht ein, warum ich mich jetzt zur Ruhe setzen soll. Vielleicht war meine Kandidatur ein Fehler. Aber hey: Shit happens.
Zuber: Vielleicht bin ich in ein paar Jahren ja am gleichen Punkt wie jetzt du.
Frau Zuber, was wollen Sie als Gemeindepräsidentin besser machen als Herr Burger?
Zuber: Nehmen wir als Beispiel die Verwaltung. Ich möchte einen neuen Spirit entwickeln, möchte, dass alle in die gleiche Richtung ziehen. Und zwar auf allen Hierarchiestufen.
Und wie geht es für Sie weiter, Herr Burger?
Burger: Vielleicht werde ich wieder vermehrt journalistisch arbeiten. Doch es wird schwierig; die Verlagshäuser sind bekanntlich am Sparen. So oder so: Ich bin offen für Neues, habe aber grossen Respekt vor der Zeit, die nun auf mich zukommt.