Bolligen - Reberhaus auf Augenhöhe mit Konzert Theater Bern
Was hat das Reberhaus Bolligen mit dem Millionenbetrieb Konzert Theater Bern zu tun? Beide sollen als Institutionen von «regionaler Bedeutung» gelten und von Kanton, Stadt und Regionsgemeinden finanziert werden. Zwei mögliche Listen stehen zur Debatte. Sie spiegeln die Mühen der Berner Kulturpolitik.
12 mal 15 Meter misst der Saal im Reberhaus Bolligen. Da lässt sich einiges anstellen: «Ob Hochzeit, Generalversammlung, Rockkonzert oder Unterhaltungsabend des Turnvereins – der grosse Saal im Reberhaus bietet viel Platz: 160 Personen können darin feiern, abstimmen, singen und tanzen», heisst es auf der Webseite der Lokalität. Und es heisst auch: «Der grosse Saal im Reberhaus ist ein Raum, wo Sie grosszügig Ihre Ideen verwirklichen können.» Ob sich Berns ideenreiche Kulturpolitiker daran ein Beispiel genommen haben? Klar ist: Geht es nach den politisch Verantwortlichen, so wird das Reberhaus Bolligen künftig zu den Kulturinstitutionen gezählt, die von (mindestens) regionaler Bedeutung sind. Und diese werden ab 2016 von vom Kanton, von der Stadt Bern und den Regionsgemeinden gemeinsam finanziert. So sieht es das kantonale Kulturförderungsgesetz vor, das Anfang Jahr in Kraft getreten ist (siehe Box).
Knifflige Umsetzung
Was auf dem Papier klar und konsequent schien, erweist sich bei der Umsetzung nun allerdings als knifflig. Die Frage, welche Institutionen regional geadelt werden sollen, ist eine politische Knacknuss. Zwei mögliche Listen hat der Kanton Ende April in Umlauf gebracht. Noch bis Mitte Juli haben die betroffenen Kulturinstitutionen und Gemeinden Gelegenheit, zu den beiden Varianten Stellung zu nehmen. Sie dürften den Gemeinden der Regionalkonferenz Bern-Mittelland, die bei der Kultur künftig ausnahmslos mitzahlen müssen, noch Kopfzerbrechen bereiten.
Worum geht es? Bisher haben die Regionsgemeinden bloss vier Institutionen mitgetragen (Konzert Theater Bern, Kunstmuseum, Historisches Museum und Zentrum Paul Klee). Künftig sollen es nicht weniger als dreizehn sein. Neun davon sind fest eingeplant, darunter die Camerata Bern, das Effingertheater, die Kulturfabrik Bigla, der Kulturhof Köniz und – das Reberhaus Bolligen. Für die anderen vier Plätze werden acht «Kandidaten» zur Diskussion gestellt. Die (verkürzte) Grundfrage: Sollen die Gemeinden künftig mehr teure städtische Institutionen der Hochkultur unterstützen? Oder mehr kleinere Stadtinstitutionen, die verhältnismässig viel Publikum aus der Region locken?
Letztere Variante – als Variante Blau im Gespräch – dürfte vielen Gemeinden attraktiver erscheinen. Auch weil sie damit finanziell besser wegkommen – um insgesamt knapp 400 000 Franken. Der Haken: Die Variante hat Konsequenzen auf den Verteilschlüssel. Kommt «Blau» zum Zug, erhöht sich der Beitragssatz der Regionsgemeinden von 11 auf 12 Prozent, während jener der Stadt von 49 auf 48 Prozent sinkt. Das wäre ein Erfolg für die Stadt: Der Verteilschlüssel ist seit Jahren ein Politikum, und die Gemeinden beharrten bisher auf 11 Prozent. «12 Prozent bedeuten im Moment sogar eine geringere Beitragsleistung für die Gemeinden, weil die Institutionen auf der blauen Liste weniger kosten», sagt Thomas Hanke, Präsident der Kulturkommission der Regionalkonferenz Bern-Mittelland. «Doch die finanziellen Folgen in der Zukunft sind kaum berechenbar. Falls eine grössere Institution mal mehr Geld braucht, wird es die Regionsgemeinden stärker treffen. Das ist das Risiko.» Auch der kantonale Kulturdirektor Bernhard Pulver hält fest: «Im Moment wären 12 Prozent vor allem psychologisch relevant. Aber natürlich ist es ein Vorentscheid für die Zukunft.» Die blaue Liste sei «regionalpolitisch» ausgerichtet, erklärt Pulver. Sie gewichte mehr die Publikumsströme und stütze sich auf eine Besucherumfrage der Stadt Bern. Dagegen orientiere sich die rote Liste an der Kulturstrategie des Regierungsrats. Sie enthalte «kulturpolitisch bedeutendere, aber auch umstrittenere Institutionen», so Pulver. «Beide Varianten sind grundsätzlich gleichwertig. Deshalb stellen wir beide zur Diskussion.»
«Festgeschnürte Pakete»?
Die Stadt Bern hat ihre Stellungnahme bereits beim Kanton deponiert. «Der Gemeinderat ist sich der kultur- und finanzpolitischen Auswirkungen der beiden Varianten vollumfänglich bewusst und überlässt den Regionsgemeinden den Entscheid», heisst es darin. Zugleich pocht die Stadt darauf, dass es sich um «festgeschnürte Pakete handelt, die nicht ausgepackt und neu verteilt» werden könnten. «Der Beitragssatz von 12 Prozent gehört fest zum Paket Blau, sonst wäre es für die Stadt nicht akzeptabel», betont die städtische Kultursekretärin Veronica Schaller. Pulver zeigt sich flexibler: «Es gibt ausgehandelte Pakete. Das Feld wird sicher nicht mehr vollständig geöffnet. Aber ich will nicht ausschliessen, dass man aufgrund der Eingaben plötzlich noch eine kluge neue Lösung findet.» Auch Hanke sieht es weniger eng: «Die Varianten sind zwar als Paket gedacht. Aber Diskussionen kann man nie ausschliessen.» Hanke macht keinen Hehl daraus, dass die Kulturkommission der Regionalkonferenz die blaue Variante favorisiert. Weil sie kleinere, teils populärere Institutionen enthält, gilt sie als «weniger problematisch», wenn es darum geht, die Gemeinden ins Boot zu holen. «Die Kommission wird aber selber keine Stellungnahme deponieren», sagt Hanke. «Das macht jede Gemeinde für sich, und sie ist völlig frei.» Dem Vernehmen nach haben einige Gemeinden bereits eine ablehnende Haltung beim Kanton deponiert. Hanke kann dies nicht bestätigen. Skepsis herrscht aber bei manchen Institutionen (siehe Zweittext). Erstaunlich ist dies nicht: Die beiden Listen sind das Ergebnis von Verhandlungen, nicht von klaren Kriterien. Weshalb ausgerechnet die Kulturfabrik Bigla, der Kulturhof Köniz und das Reberhaus Bolligen Aufnahme gefunden haben, kann nicht einmal Hanke eindeutig beantworten. «Uns war es wichtig, dass nicht nur Stadtberner Institutionen auf der Liste sind. Was eine Institution von regionaler Bedeutung ist, bleibt jedoch trotz aufgestellter und angewandter Kriterien immer auch noch eine Ermessenssache. Es war ein pragmatisches Herantasten», so Hanke. Pulver hält fest: «Die Auswahl dieser Institutionen war ein politischer Entscheid der Regionalkonferenz. Das akzeptieren wir.» Laut Pulver wird die Kantonsregierung im Oktober über die Liste befinden. «Welche Variante sich durchsetzen wird, ist offen. Aber ich werde im Regierungsrat eine Variante beantragen müssen. Falls die Rückmeldungen gemischt sind, habe ich sicher mehr Spielraum.» Kein Zweifel: In diesem Fall schlägt das Herz des grünen Politikers Bernhard Pulver für rot.