Bolligen - Margret Kiener Nellen bringt die SP in die Zwickmühle

In der SP steht die Frage im Zentrum, ob eine erneute Kandidatur von Margret Kiener Nellen für den Wahlkampf zu einem Problem werden könnte.

Simon Wälti, "Der Bund"

Für SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen geht es am nächsten Mittwoch um das politische Überleben. Am 14. Januar entscheiden die Delegierten des Regionalverbands SP Bern-Mittelland darüber, ob die Bolligerin noch ­Unterschlupf auf der Kandidatenliste für die Nationalratswahlen findet oder nicht. Es liegt ein Antrag aus der Stadt Bern vor, sie zu streichen. Innerhalb der SP mehren sich die Stimmen, dass Kiener Nellen wegen ihrer Steueroptimierung im Wahlkampf zu einer Hypothek für die ganze Partei werden könnte, namentlich wollen sie nicht genannt werden.

Kiener Nellen versucht Gegensteuer zu geben. Ihre Sektion, die SP Bolligen, verschickte Ende Jahr einen Brief, um die Verdienste der Politikerin ins rechte Licht zu rücken und sie für ihre «verdiente» Wiederkandidatur zu empfehlen. Kiener Nellen erklärt sich im Brief bereit, den Sektionen Rede und Antwort zu stehen. Am Montagabend wird sie bei der Juso vorsprechen und die Gründe für ihre Kandidatur darlegen.

Die Ablehnung ist bisher am stärksten innerhalb der städtischen SP spürbar. Im Vordergrund steht die Frage der Glaubwürdigkeit. «Ihre Kandidatur ist nicht sinnvoll», sagt Michel Berger, der den Antrag zusammen mit Barbara ­Nyffeler eingereicht hat. «Steuergerechtigkeit wird ein zentrales Thema sein, aber bei diesem Thema werden die politischen Gegner immer auf das Beispiel Kiener Nellen verweisen.» Werde sie wieder aufgestellt, so könne man das der Wählerschaft nicht erklären, auch wenn die Steueroptimierung legal gewesen sei. Am Mittwoch gehe es aber nicht darum, ein moralisches Urteil zu fällen. «Die Frage ist: Was ist das Optimale für die Partei? Ich bin der Meinung, dass wir besser ohne Kiener Nellen antreten, auch wenn sie eine verdienstvolle Politikerin ist.»

Als Gewerkschaftssekretär politisiert Berger eher am ­linken Flügel der Partei. Nyffeler ist ­Präsidentin der SP Bern-Ost. Auf den Antrag habe er bisher mehr positive als negative Reaktionen erhalten, sagt Berger. «Es gibt aber auch Stimmen in der Partei, die sagen, Kiener Nellen habe ja nichts Verbotenes getan.»

Bereits einen Entscheid gefällt hat die SP Worb: Der Vorstand beschloss einstimmig, Kiener Nellens Kandidatur nicht zu unterstützen. Die «Glaubwürdigkeit» sei belastet, sagt Präsidentin Sandra Büchel. Der «Vertrauensverlust» könne sich auf die SP als Partei auswirken.

Keine Glanzresultate

Sollten die Delegierten mehrheitlich für eine Wiederkandidatur stimmen, so sind die Diskussion damit aber noch nicht beendet. Im Hinblick auf die kantonale Delegiertenversammlung am 4. März würde die Personalie erneut zum Thema. Dabei dürfte eine Rolle spielen, dass Kiener Nellen schon bei den Wahlen 2003, 2007 und 2011 nicht ein Zugpferd für die Partei war. 2003 wurde sie nur gewählt, weil sie dank ­Simonetta Sommarugas gleichzeitiger Wahl in den Ständerat nachrutschen konnte. 2007 litt sie unter den Nachwirkungen der «Mietzinsaffäre» von 2006: Sie machte 49 408 Stimmen, während Ursula Wyss auf über 88 000 und Evi ­Allemann auf mehr als 85 000 Stimmen kamen.

2011 war der Abstand mit 30 000 respektive 39 000 Stimmen auf Wyss und Allemann ähnlich gross. 2011 konnte sie zudem noch auf die Unterstützung der Gewerkschaften zählen. Diese fällt nun weg, wie Johannes Wartenweiler, Sekretär des Gewerkschaftsbundes, bestätigt: «Margret Kiener Nellen hat auf die Unterstützung freiwillig verzichtet.» Zur Frage, ob Kiener Nellen denn noch unterstützt worden wäre, will sich Wartenweiler nicht äussern.

Wer könnte profitieren, wenn Kiener Nellen nicht wieder antritt? In erster Linie sind es Frauen, die 2011 auf den nächsten Ersatzplätzen gelandet sind, wie etwa Flavia Wasserfallen oder Regina Fuhrer-Wyss. Als potenzielle Nachfolgerinnen werden auch Kantonalpräsidentin Ursula Marti, Nicola von Greyerz, Präsidentin des Regionalverbands SP Bern-Mittelland oder die frühere Stadträtin Lea Kusano gehandelt. Nicht gefährdet sind die Bisherigen Evi Allemann und Nadine Masshardt.

Auf der SP-Männerliste, die jeweils klar weniger Stimmen macht als die Frauenliste, gibt es Grund zum Zittern: Der dritte Sitz wackelte bereits 2011 bedenklich, und im Herbst sind im Kanton Bern nicht mehr 26, sondern nur noch 25 Mandate zu vergeben. Derzeit politisieren Matthias Aebischer, Alexander Tschäppät und Corrado Pardini für die SP im Nationalrat.


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Erstellt: 10.01.2015
Geändert: 10.01.2015
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