Bolligen - Kinder sammeln mit Gottes Segen

Im Februar zieht es jeweils Hunderte Kinder in die Kirche Bolligen. Dort erleben sie einen Gottesdienst, wie es ihn sonst kaum gibt – und erhalten ein begehrtes Sammelobjekt.

Markus Zahno / Berner Zeitung BZ
Mutter Paola Bocchini hätte den Segnungsgottesdienst für einmal vergessen, wäre sie nicht von ihrem 9-jährigen Sohn Michele daran erinnert worden. Er möchte heute Abend unbedingt in die Kirche, sagte er, schliesslich sei er bis jetzt jedes Jahr dabei gewesen und habe folglich auch jeden Segnungsanhänger. «Es wäre schade, wenn plötzlich einer fehlen würde.» So ist Michele Bocchini an diesem Abend zusammen mit 20 anderen Buben und Mädchen in die reformierte Kirche von Bolligen gekommen. Die Kinder nehmen im Halbkreis um den Taufstein Platz, die Erwachsenen in der Stuhlreihe dahinter. Als Pfarrerin Christine Schmid in die Runde fragt, warum auf dem Taufstein genau neun Kerzen brennen, strecken einige Kinder ihre Hand sofort in die Höhe. «Weil heute der 9. Februar ist», sagt ein Mädchen, «und weil wir 9-jährig sind.» Das stimmt genau. Vom 1. bis 15. Februar findet in Bolligen nämlich jeden Abend um 18.15 Uhr ein Segnungsgottesdienst statt: am 1. für die 1-Jährigen, am 2. für die 2-Jährigen und so weiter. Bis am 15. die 15-Jährigen an der Reihe sind.

Wie Panini-Bildchen

Die Tradition begann vor 20 Jahren. Seither wurden bereits rund 6000 Kinder gesegnet. Das Konzept blieb stets das gleiche: Die Gottesdienste dauern nur eine halbe Stunde, was auch ungeduldige Kinder aushalten. Es wird gemeinsam gesungen sowie eine kleine, zum Begrüssungsgedicht passende Choreografie eingeübt. Später hören die Kinder eine biblische Geschichte – und zwar in altersgerechter Weise. Den 9-Jährigen zum Beispiel erzählt Sonntagsschullehrerin Elisabeth Michel das Gleichnis des verlorenen Sohns anhand eines Bilderbuches. Danach beginnt das Segnungsritual. Die Pfarrerin oder eine ihrer Helferinnen legt einem Kind nach dem anderen die Hand auf die Schulter, spricht leise mit ihm, und am Schluss erhält das Kind einen Segnungsanhänger um den Hals gehängt.

Diese Anhänger haben es in sich. Pfarrerin Schmid und ihr Helferteam denken sich nämlich jedes Jahr ein anderes Motto aus. Diesmal lautet es, passend zum 20-Jahr-Jubiläum, «Liebi Gescht, chömet a ds Fescht». Die Behindertenwerkstätte SAZ in Burgdorf gestaltet dann jeweils einen dazu passenden Anhänger. Heuer symbolisiert er zwei tanzende Leute. «Die Kinder», berichtet Christine Schmid, «sammeln diese Anhänger mit Begeisterung.» Fast wie Panini-Bildchen.

«Zurück zum Sinnlichen»

In der katholischen Kirche sind Segnungs- und Salbungsgottesdienste seit je an der Tagesordnung. Ob Menschen, Häuser oder Bergbahnen: Hier kann alles gesegnet werden. In der reformierten Kirche dagegen begann vor etwa 30 Jahren eine «Bewegung zurück zum Sinnlichen», wie es Susanna Meyer von den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn formuliert. Seither hätten die Segnungsgottesdienste an Bedeutung gewonnen. Die Art und Weise, wie sie in Bolligen gefeiert würden, sei aber vermutlich einzigartig. «Wir haben Freude an diesem Engagement», sagt Meyer, «weil es uns ein Anliegen ist, dass die Gottesdienste gestärkt werden.» Das Engagement scheint sich auszuzahlen. Der 9-jährige Michele Bocchini und die gleichaltrige Monique Wittwer wollen jedenfalls jedes Jahr wieder kommen, bis sie 15-jährig sind. Warum? «Weil es hier lustig ist», antwortet das Mädchen mit den blonden langen Haaren. «Und weil man danach wieder weiss, dass Gott immer da ist – auch wenn man ihn zwischendurch vergisst.»

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Erstellt: 11.02.2012
Geändert: 11.02.2012
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