Bolligen - In die Selbstständigkeit lotsen

In Bolligen machen Lotsen den Schulweg sicherer. Dauerhafte Lotsendienste hält die Kantonspolizei aber für nicht optimal. Die Kinder müssten lernen, mit den Gefahren des Verkehrs selbst umzugehen.

Liliane Manzanedo, Der Bund
Einen sicheren Schulweg, den wünschen sich alle Eltern für ihre Kinder. In der Gemeinde Bolligen wurde dieser Wunsch pünktlich zum Schulstart erhört und ein befristeter Lotsendienst ins Leben gerufen. Bis zu den Herbstferien werden leuchtgelb bekleidete Lotsen dafür sorgen, dass die Primarschülerinnen und -schüler an der Verzweigung Bolligenstrasse und Sternenweg unversehrt über die Strasse kommen. Denn trotz Zebrastreifen lässt sich an dieser Stelle die breite Strasse im dichten Morgenverkehr nicht so einfach überqueren: Ampeln gibt es hier keine.

Die Gemeinde habe Schwierigkeiten gehabt, genügend Freiwillige für den mehrwöchigen Lotsendienst finden zu können, sagt Urs Klaeger, Präsident der FDP Bolligen. Er finde das erstaunlich: Die Schulung durch die örtliche Polizei nehme doch nur eine Stunde in Anspruch. Deswegen und weil das Thema Sicherheit auf dem Schulweg zum Leitbild der Partei gehöre, habe sich seine Partei bereit erklärt, den Dienst in der ersten Woche zu übernehmen. Entscheidend wohl auch: Im Herbst sind Gemeindewahlen.

Seit Montag stehen Klaeger und Parteikollegin Elisabeth Schweizer nun jedenfalls auf dem Zebrastreifen und strecken die Stopp-Signale in die Luft. «Die Automobilisten haben sich bisher vorbildlich verhalten», lobt Schweizer, die noch bis Freitag täglich im Einsatz sein wird.

«Danke, dass Sie ganz anhalten»

Auf der Verzweigung Bolligenstrasse und Sternenweg passierte gestern aber noch anderes: Schülerinnen und Schüler der 4. Klasse des Schulhauses Lutertal bedankten sich persönlich bei jeder Autofahrerin und bei jedem Fahrer, die vor dem Zebrastreifen anhielten und überreichten diesen ein Geschenk. Dies im Rahmen der Kampagne Rad steht, Kind geht. Ziel dieser Aktion, welche die 4. Klasse gemeinsam mit der Kantonspolizei Bern durchführte, war es, die Verkehrsteilnehmer für die neue Schulwegsituation in Bolligen zu sensibilisieren: Aufgrund der Zusammenlegung der Schulhäuser Flugbrunnenstrasse und Lutertal führt der Schulweg vieler Kinder neu über die Bolligenstrasse. Aktionen wie diese werden in den nächsten Wochen im ganzen Kanton Bern stattfinden und sollen Automobilisten generell für Kinder im Strassenverkehr sensibilisieren. Gemäss Zahlen der Beratungsstelle für Unfallverhütung verunglücken schweizweit jährlich 530 Kinder als Fussgänger, 6 davon tödlich.

Lotsen ist nicht immer hilfreich

«Die Lotsen sind so cool, ich liebe sie», findet die Viertklässlerin Noemi. Sie strahlt. Peter Buchschacher, Verkehrsinstruktor der Kantonspolizei Bern, steht Lotsendiensten dagegen skeptisch gegenüber: «Pädagogisch betrachtet sind sie nicht hilfreich.» So könnten Kinder nicht selbst lernen, mit den Aufgaben, die ihnen der Strassenverkehr stellt, umzugehen. Lotsendienste als zwischenzeitliche Hilfestellung – wie derjenige in Bolligen – begrüsse man hingegen. Buchschacher versteht die Sorgen und Ängste der Eltern, dennoch rät er, «loszulassen». Man müsse nicht von den Gefahren, sondern von den Aufgaben des Strassenverkehrs sprechen: «Kinder lösen Aufgaben». Und offenbar gelingt ihnen das in aller Regel gut: Gemäss Angaben der Verkehrsstatistik 2016 der Kantonspolizei Bern ist im vergangenen Jahr kein Kind auf seinem Schulweg tödlich verletzt worden.

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Erstellt: 18.08.2016
Geändert: 18.08.2016
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