Bolligen - Gölä und seine Revolutionäre

Gölä besingt auf seinem neuen Album den politisch-kulturellen Untergang der Schweiz und ruft zur rechtsbürgerlichen Revolution auf. Seine Fans stimmen in dieses Lied nahtlos mit ein.

Quentin Schlapbach, Berner Zeitung BZ

Wahlplakate säumen den Hang vom Bahnhof Bolligen zum Reberhaus. In drei Wochen finden in der Gemeinde Wahlen statt. Wäre Gölä ein Bolliger, wüsste er vermutlich, was für einen Wahlzettel er in die Urne legen würde. «Die Schweiz ist zu links», sagte er kürzlich gegenüber dem «SonntagsBlick».

Es ist Sonntagmorgen, 9 Uhr, «Büezerzyt» – in Göläs Weltbild drehen sich die von ihm besungenen Philosophiestudenten, Sozialarbeiter und Pädagogen noch einmal im Bett. Der «working class hero» und der Schweizerische Bäcker-Confiseurmeister-Verband haben zum Bäckerzmorge eingeladen. Und natürlich zum CD-Kaufen. «Wir hätten den Saal zweimal füllen können», sagt Verbandsvizedirektor Urs Wellauer zum Publikumsansturm. Göläs Fans sind treu wie Schosshündchen. Und an diesem Sonntagmorgen hat sich der harte Kern von ihnen in Bolligen versammelt.

"Man sieht, dass es bachab geht"

Zum Beispiel Jacqueline Schmid aus Trimbach. Bei ihr geht die Liebe zu Gölä sogar unter die Haut. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Sie hat sich das Antlitz ihres Verehrten auf die Wade tätowieren lassen. Bei den anwesenden Journalisten macht diese Fanliebe sie zum Fotoobjekt der Begierde. Apropos Liebe: «Wenn ich Gölä singen höre, vergesse ich manchmal fast, dass ich verheiratet bin», schwärmt Schmid. Und sie steht dabei hinter jedem gesungenen und gesprochenen Wort von Gölä: «Es stimmt einfach, was er singt. Auch das Politische», sagt Schmid.

Nicht anders tönt es bei Christine Ellmauthaler aus Eriswil und Manuela Röth­lisberger aus Huttwil. Im Lied «Gros­père» singt Gölä, dass es seinem Grossvater «s Härz würd verschrisse», wenn er sehen würde, «wie sini Heimat da unger dr Bach ab geit». Ist das wirklich so? Geht die Schweiz den Bach runter? Absolut, sagt Ellmauthaler: «Jene, die arbeiten gehen, machen sich halb kaputt. Und jene, die zu Hause bleiben, lassen es sich gut gehen.» Und Röthlisberger doppelt nach: «Wenn man heute in die Welt schaut, muss man gar nicht gross diskutieren. Da sieht man, dass es bachab geht.»

Keine Zeit für Revolution

Göläs Endzeitstimmung stösst bei seinen Fans also tatsächlich auf fruchtbaren Boden. Schwer zu glauben, denn dieser Zukunftspessimismus deckt sich überhaupt nicht mit dem Bild, das die Leute im Saal abgeben. Alle wirken sie glücklich und zufrieden, füllen sich am reichhaltigen Buffet die Bäuche und tratschen und lachen zusammen. Auch Gölä strahlt wie ein Maikäfer, witzelt herum und erfüllt jeden Foto- und Autogrammwunsch ohne mit der Wimper zu zucken.

In dieser Hinsicht ist der «Büezerrocker» ganz Profi. Er weiss, was seine Fans wollen: Mundartsongs, lockere Sprüche und «dene z Bärn obe» ans Bein pinkeln. Vorzugsweise natürlich der politischen Linken, auf deren Dauerbetroffenheit kann Gölä zählen wie die Katholiken aufs österliche Urbi et orbi vom Papst. Im Song «I wärche hert» fordert er beispielsweise einen neuen Che Guevara, der dieses Mal den Linken «a Charre fahrt».

Revolutionäre Stimmung will an diesem Sonntagmorgen nicht aufkommen. «Am Sunntigmorge gang i aube go baggere», verrät Gölä seinen Fans. Da ist er wieder, der «Dauerbüezer», bei dessen Arbeitsmoral sogar Zwingli und Calvin ein schlechtes Gewissen haben müssten. Wer so hart «wärchet», hat keine Zeit für Revolution. Aber allemal, um CDs zu verkaufen.

[i] Siehe auch:
Gölä aus Oppligen: Gute Schweizer, schlechte Schweizer vom 14.10.2016

Reberhaus Bolligen: Bäcker-Zmorge mit Gölä vom 6.10.2016
Wichtrach - Gölä rockte in der Backstube vom 23.8.2016


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Erstellt: 17.10.2016
Geändert: 17.10.2016
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