Bolligen - Der Mann, der Bolligen auf Trab hält

36 Jahre lang arbeitete er als Bauverwalter bei der Gemeinde Bolligen. Vor 3 Jahren wurde Ueli Turtschi krankheitshalber frühpensioniert. Seither ist er bei den Behörden gefürchtet. Nun liebäugelt er mit einer Kandidatur fürs Gemeindepräsidium.

Sandra Rutschi / Berner Zeitung BZ

Es gab diesen Moment in Ueli Turtschis Leben, an dem er beschloss, einigen Leuten genau auf die Finger zu schauen. Den Leuten in der Gemeindeverwaltung von Bolligen, mit denen er zuvor zusammengearbeitet hatte. 36 Jahre lang hat Turtschi als Bauverwalter die Gemeinde geprägt. Doch 2005 erkrankte er an einem Hirntumor. Dieser war zwar gutartig, löste aber eine Epilepsie aus. Die Konsequenzen: ein täglicher Medikamentencocktail und die Frühpensionierung 2008. Der inzwischen 63-Jährige ging mit Wut im Bauch. Noch heute, während der stattliche Mann in seinem Wohnzimmer neben einer Büste von Dällebach Kari an einem Espresso nippt, ist seine Enttäuschung spürbar. Der Abgang sei übel gelaufen, sagt Turtschi. «Ich habe nichts verbrochen, doch ich wurde einfach abgeschoben.» Er spricht von schwierigen Situationen mit seinem Nachfolger, von einer missglückten Büroübergabe, ungerechtfertigten Beschuldigungen. Und als er schliesslich frühpensioniert wurde, war er da, dieser Moment: Turtschi wurde zum Behördenschreck.


Behördenschreck als Helfer

Ueli Turtschi wurde zum Mann, der Bolligen auf Trab hält. Der die Gemeindeverwaltung mit Mails bombardiert, der Beschwerden und Einsprachen einreicht, wenn er irgendwo einen Haken sieht. Der an Gemeindeversammlungen und Orientierungsabenden aufsteht und unangenehme Fragen stellt. Der redet, bis einige Anwesende den Kopf schütteln und der Versammlungsleiter ihn unterbricht. «Dabei sollte man mich besser mal ausreden lassen», sagt Turtschi. Denn er suche kein «Gstürm», sondern eine Lösung. Mit seiner hartnäckigen Art mache es Turtschi dem Gemeinderat schon schwer, sagt Gemeindepräsident Rudolf Burger (Bolligen Parteilos). «Denn wenn Ueli die Lösung nicht gefällt oder wenn er kritisiert wird, lässt er nicht locker.» «Natürlich habe ich die Behörden zur Verzweiflung getrieben», sagt Turtschi. Das sei ihm schon bewusst. Doch er versteht sich nicht als Querulant, sondern als Hilfe. Denn bei jedem Geschäft, das er genauer unter die Lupe genommen habe, habe er «grauenhafte Fehler» entdeckt. «Diese Gemeinde ist mein Lebenswerk», sagt Turtschi, «und ich sah dieses flöten gehen.» Anstatt mit ihm zusammenzuarbeiten, habe sich die Gemeinde aber von den Falschen beraten lassen. So etwa bei der Renovation der Schulanlage Flugbrunnen, bei der zuerst mit falschen Zahlen operiert worden sei. Die nun beschlossene Alternative, die Schule Lutertal zu erweitern und Flugbrunnen abzureissen, hatte Turtschi an einer Gemeindeversammlung portiert. Der Gemeinderat prüfte seinen Vorschlag und gab ihm recht. «Er ist zu Recht stolz auf das, was er in all den Jahren für die Gemeinde geleistet hat», sagt Gemeindepräsident Burger. Der Gemeinderat höre deshalb auch auf den Ex-Bauverwalter, nehme ihn ernst.

Der Wunsch nach Versöhnung

Der aktuelle Streitpunkt betrifft die Parkplätze beim Sternen. Nun streben Gemeinde und Turtschi einen Vergleich an – doch noch ist unklar, ob dieser zustande kommt. Er wäre im Sinne der Geschäftsprüfungskommission, der eigentlichen Kontrollinstanz in Bolligen. Deren Präsident Urs Klaeger wäre froh, wenn Gemeinde und Turtschi grundsätzlich einen Schritt aufeinander zu machen würden. «Ueli Turtschi hat grosses Wissen, das es zu respektieren gilt und das nutzbringend eingesetzt werden kann», sagt Klaeger. Doch müsste sich Turtschi in seinen Aktivitäten und auch im Umgangston etwas mässigen. Der zweifache Familienvater Turtschi hat durchaus auch andere Interessen als das Hickhack mit der Gemeinde. Der Mann mit je einer Uhr an beiden Handgelenken ist ein Kunstliebhaber. Neben der Büste von Dällebach Kari zieren weitere Skulpturen und Bilder seines Freundes, des Künstlers Hans-Ruedi Wüthrich, die Wohnung. Im Keller lagern einige gute Jahrgänge – auch Gemeindepräsident Burger durfte schon einen Tropfen mit nach Hause nehmen. «Ueli Turtschi hat eine sehr freundliche und gesellige Seite», betont Burger.

Gemeindepräsident Turtschi?

Turtschi könnte sich vorstellen, vom Behördenschreck zum Behördenmitglied zu werden. Im Herbst sind Wahlen in Bolligen. «Am besten wählt man das Original – und da ich am besten Bescheid weiss über die Gemeinde, sollte man mich eigentlich zum Gemeindepräsidenten wählen», sagt er. Schon vor vier Jahren kandidierte er auf der Liste der SVP für den Gemeinderat, zog aber seine Kandidatur aus gesundheitlichen Gründen zurück. Mittlerweile seien seine Medikamente so gut eingestellt, dass er ein solches Amt übernehmen könnte, glaubt Turtschi – mithilfe eines persönlichen Mitarbeiters. Turtschi lächelt. «Es geht mir ja nur darum, ein bisschen zu provozieren.» Aber wenn jemand auf ihn zukommen und ihn portieren würde, dann wäre er dabei. Mittlerweile ist Turtschi aus der SVP-Ortspartei ausgetreten. Bolligens SVP-Präsidentin Marianne Zürcher sagt zu Turtschis Plänen fürs Gemeindepräsidium nichts. Turtschi wisse viel, und als Bauverwalter habe er den Laden gut im Griff gehabt – nur habe er jetzt wohl schlecht verdaut, dass er aus gesundheitlichen Gründen so abrupt habe gehen müssen. Gemeindepräsident Turtschi. Zumindest er selbst ist überzeugt, dass es Bolligen mit ihm an der Spitze besser ginge. «Gewisse Leute müssten sich aber warm anziehen.»

Fehler gefunden?
Statistik

Erstellt: 03.01.2012
Geändert: 03.01.2012
Klicks heute:
Klicks total: