Bolligen - Briten filmen die direkte Demokratie
Die Gemeindeversammlung war Schauplatz eines Filmdrehs. Ein britisches Kamerateam dokumentierte den Anlass, um die direkte Demokratie zu veranschaulichen. Die Fernsehleute sehen einige Vorteile im Schweizer Modell.
Das Team des kommerziellen Fernsehsenders ITV News dreht einen Beitrag zur bevorstehenden Abstimmung über den EU-Austritt Grossbritanniens, auch Brexit genannt. Am 23. Juni werden die Inselbewohner zur Urne gebeten – eine Seltenheit in der Geschichte des Vereinigten Königreichs.
Die TV-Crew geht im Film der Frage nach, ob das Schweizer Modell der direkten Demokratie eine Alternative wäre für Grossbritannien. Dafür weilen die Fernsehjournalisten fünf Tage in der Schweiz und befragen verschiedene Persönlichkeiten über ihre Ansichten. Der TV-Beitrag von ITV News wird Ende April ausgestrahlt.
Interviews mit Bolligern
«Viele Schweizer befürchten, dass bei einem Beitritt zur EU die direkte Demokratie beeinträchtigt würde», sagt der Politjournalist Robert Peston von ITV. Deshalb sei sein Team nach Bolligen gekommen. Weil sich die direkte Demokratie an einer Gemeindeversammlung besonders unmittelbar zeige.
Vor dem Beginn pickten sie einige Englisch sprechende Bürger heraus und befragten sie vor laufender Kamera über ihre Meinung zum schweizerischen System. «Dass die Schweiz noch kein EU-Mitglied ist, liegt wohl daran, dass das Volk mitbestimmen kann», vermutete ein älterer Herr. Und eine junge Frau sagte ins Mikrofon, die schweizerische Demokratie funktioniere vor allem, weil die Schweiz kleinräumig sei.
Neu: Das Bürgermeisteramt
Die direkte Demokratie ist eine Schweizer Besonderheit. Grossbritannien dagegen ist zentralistisch geführt und von der Monarchie geprägt. Dort bildeten sich erst in den letzten Jahren Bürgermeisterämter in den Städten. «Zuvor gab es bei uns keine lokalen Schaltstellen zwischen dem Volk und der Führung», erklärt Robert Peston.
Den grössten Vorteil der direkten Demokratie sieht er darin, dass diese die Leute dazu motiviere, sich für die Politik zu interessieren. «Die Menschen in Grossbritannien und anderswo haben das Vertrauen in die Politik verloren», sagt er. Sie in das System zu integrieren, sei eine der grössten Herausforderungen moderner Gesellschaften.
«Können die Bürger bei Anliegen, die sie betreffen, auch mitbestimmen, so engagieren sie sich», ist Peston überzeugt. Dies bedinge insbesondere eine «authentische, lokale Demokratie», wie sie in der Schweiz gelebt wird – und in Bolligen erfahrbar war.