Boll - Ein Teenager macht am Broadway Karriere
Giuseppe Bausilio (15) sorgt in Amerika für Furore. Er spielte die Hauptrolle im Musical «Billy Elliot», hat seine erste Kinorolle hinter sich und überzeugt als Sänger. Er will es ganz nach oben schaffen. Doch der Weg ist lang.
Markus Zahno / Berner Zeitung BZ
Giuseppe Bausilio sitzt am Bildtelefon Skype. Er erzählt. Lacht. Und hält dann einen Moment inne. «Wer hätte gedacht», sagt er schliesslich, «dass ein Giel aus Boll plötzlich am Broadway auftritt?» Natürlich komme er immer wieder gerne nach Hause. Zu Besuch. Aber wieder im Bernbiet zu wohnen und tagelang am Bahnhof herumzuhängen wie andere Jungs in seinem Alter – «Nein, das könnte ich nicht.» Sein Lebensmittelpunkt ist nun New York.
New York: Wer es hier schafft, schafft es überall. Sagt man. Giuseppe Bausilio hat es hier geschafft. Als 12-Jähriger setzte er sich im Casting gegen über 2000 Mitbewerber durch und erhielt abwechselnd mit drei anderen Jungs die Hauptrolle für das Musical «Billy Elliot». In Chicago feierte er Premiere, später spielte er die Rolle am Broadway. Er erschien auf den Titelseiten von US-Magazinen, war Gast in Talkshows – und morgen Abend zeigt das Schweizer Fernsehen den Dokumentarfilm «Giuseppe Superstar». Untertitel: «Der steinige Weg zum Ruhm».
Abschied vom Vater
Ja, der Weg nach oben war und ist voller Entbehrungen. Giuseppe Bausilio wuchs in Boll auf, wo seine Eltern – beides ehemalige Tänzer – die AS-Ballett-Tanzschule aufgebaut haben. Von klein auf trainierte er dort mehrere Stunden am Tag. Manche Schulgspändli riefen ihm deswegen «Hey, Ballerina!» nach. Doch wie Billy Elliot, der statt ins Boxtraining in den Ballettunterricht will, machte auch Giuseppe Bausilio weiter. Und wenn er nicht mehr mochte, trieben ihn die Eltern zum Training an.
Mit dem Erfolg am «Billy Elliot»-Casting fiel der Entschluss, auszuwandern. Mutter Sônia Melo, gebürtige Brasilianerin, begleitete ihn. Vater Alfonso Bausilio, ursprünglich Italiener, blieb im Bernbiet und führte die Ballettschule weiter. Am Flughafen flossen bittere Tränen. Seither besucht man sich zwar, so oft es geht. Doch noch heute sagt Giuseppe Bausilio: «Ich vermisse meinen Vater jeden Tag.» Auch den älteren Bruder, der es als Tänzer an der Pariser Oper geschafft hat, und die in Burgdorf lebende Schwester, gelernte Schreinerin, hätte er gerne in seiner Nähe. «Wenigstens können wir uns per Skype sehen», sagt der heute 15-Jährige, der mit seiner Mutter in einem Appartement mitten in Manhattan lebt.
Beschwerlicher Weg
Als Billy Elliot erhielt Giuseppe Bausilio viel Lob. «Er ist einer der grössten Tänzer, die mir je begegnet sind. Er hat eine grossartige Zukunft vor sich», sagte Regisseur Stephen Daldry auf dem roten Teppich vor der Premiere. Komponist Elton John gab vor der Premiere ebenfalls ein Interview. Plötzlich wurde er von kreischenden Teenagern unterbrochen – als Giuseppe Bausilio den roten Teppich betrat.
Doch als sich das «Billy Elliot»-Engagement dem Ende zu neigte, drohte der amerikanische Traum zu platzen. Zwar tanzte, sprach und sang Giuseppe Bausilio für ungezählte Rollen vor. Aber nur wenige bekam er. Mal war er ein paar Zentimeter zu klein, mal waren seine Haare etwas zu dunkel. Ohne Job gibt es aber keine Aufenthaltsbewilligung. Dann hatte Mutter Sônia Melo eine Idee: Sie eröffnete eine Ballettschule, die das nötige Auskommen brachte, damit sie und ihr Sohn in New York bleiben durften.
Hollywood als Ziel
Die Ballettschule hat Erfolg, sodass mittlerweile grössere Räume bezogen werden konnten. Giuseppe Bausilio legte beim Einrichten selber Hand an: «Ich baute richtige Wände mit Isolation ein», berichtet er. «Die Buchhaltung erledigt er ebenfalls», fügt seine Mutter an. Zudem absolviert er eine Onlinehighschool. Trainiert täglich stundenlang in der Ballettschule. Übt Cello und Gitarre. Tritt neu jeden Montag im renommierten Birdland-Jazzclub auf. In der jüngeren Vergangenheit machte er im Kinofilm «Dead Man Down» mit. Spielte die Hauptrolle in einem kleinen Off-Broadway-Theater. Und sang in Sportstadien die amerikanische Nationalhymne.
Tänzer, Sänger oder Schauspieler: Was wird Giuseppe Bausilio in 20 Jahren sein? «Schauspieler», antwortet er, Hollywood ist sein Ziel. Auf jeden Fall will er «top of the top» werden. Der Beste. «Ich möchte, dass mich die Leute auf der Strasse erkennen.» Doch das wollen auch Hunderttausende andere. «Ja», sagt der Teenager, «vermutlich sogar Millionen andere.» Er sei aber bereit, härter als die anderen zu arbeiten. «Wenn ich auch noch ein bisschen Glück habe – dann ist es möglich.»