Worb - Gemeinderat darf in Zukunft Land kaufen

Der Grosse Gemeinderat von Worb hat gestern einem Rahmenkredit von 10 Millionen zugestimmt, mit dem die Gemeinde Land kaufen und so die Entwicklung des Dorfs beeinflussen kann. Die Vorlage geht auf einen Vorstoss von SP und Grünen zurück. Der Kredit und die dafür notwendige Verfassungsänderung hatten aber nur dank der FDP überhaupt eine Chance. Das letzte Wort hat das Stimmvolk.

Anina Bundi, anina.bundi@bern-ost.ch

Vor rund zwei Jahren nahm der Grosse Gemeinderat von Worb (GGR) einen Vorstoss der Fraktion SP plus Grüne für eine "Aktive und nachhaltige Boden- und Wohnbaupolitik" an. Die Motion hatte verlangt, die in den Legislaturzielen des Gemeinderats festgehaltene aktive Bodenpolitik gesetzlich zu regeln und dafür eine neue Spezialfinanzierung einzurichten.

 

Mehr Einfluss der Gemeinde

Instrumente dieser aktiven Bodenpolitik sollten unter anderem Kauf, Verkauf und Tausch von strategisch wichtigen Grundstücken, sowie die Abgabe von Land im Baurecht oder als Realersatz sein. Das Ziel: Mehr Einfluss für die Gemeinde beim Entwickeln des Dorfzentrums. Zum Beispiel indem sie Grünflächen erhält oder die Ansiedlung von Unternehmen fördert, aber auch indem sie Forderungen stellt an die Qualität von Neubauten oder den gemeinnützigen Wohnungsbau unterstützt.

 

Die Motion wurde am 9. Dezember 2019 als erheblich erklärt. Eine vom Gemeinderat eingesetzte überparteiliche nicht ständige Kommission entwickelte aus dem Anliegen eine konkrete Vorlage. Juristische Abklärungen hätten ergeben, dass für die Umsetzung der Motion ein Rahmenkredit der beste Weg sei, schreibt der Gemeinderat in seinem Antrag an den GGR. Zuständig für die einzelnen Kredite, um einen Kauf zu tätigen ist der Gemeinderat. Zusätzlich ist es nötig, die Definition von "Rahmenkredit" in der Gemeindeverfassung anzupassen. 

 

"Nicht Aufgabe der Gemeinde"

Dem Rahmenkredit und der Verfassungsänderung stimmte der GGR gestern Abend mit 26 Ja- zu 7 Nein-Stimmen zu. Dagegen stimmte nur die SVP-Fraktion. "Es ist nicht die Aufgabe der Gemeinde, mit Boden zu spekulieren", argumentierte Hans Ulrich Steinmann. Die Gemeinde sei zuständig, für die Rahmenbedingungen. Aktiv Land zu kaufen, schränke dagegen den freien Markt ein.

 

Sternenmatt überzeugte Kritiker:innen

Erfreut über den Entscheid sind SP und Grüne. Guido Federer (SP) war als Mitglied der nichtständigen Kommission am Ausarbeiten der Vorlage beteiligt. So richtig erstaunt ob der breiten Zustimmung ist er nicht. "In der Kommission gab es am Anfang noch kritische Stimmen, das hat sich aber mit der Zeit verändert." Grund dafür seien Ereignisse gewesen wie der Verkauf der Sternenmatt (BERN-OST berichtete).  "Da wäre mehr Mitbestimmung möglich gewesen, wenn die Gemeinde das Land gekauft hätte." Den GGR-Entscheid nennt er einen "Meilenstein".

 

Eher ungewöhnlich mutet das Ja der FDP an. Zwar hatte sie 2019 die SP-plus-Grüne-Motion unterstützt. Noch 2007 aber hatte sie in einer einfachen Anfrage an den Gemeinderat einen zur Diskussion stehenden "Fonds für eine aktive Bodenpolitik" als "ideologisch geprägte Massnahme" bezeichnet, um Grundstücke und Immobilien "einer staatlichen Kontrolle unterzuordnen".

 

"Finger drauf halten"

Was hat sich in diesem Jahrzehnt geändert? Sven Christensen (FDP) kann die Frage nicht genau beantworten. "Ich war damals noch gar nicht in der Politik." Klar ist er dafür in der jetzigen Haltung. Auch er nennt die Sternenmatt als Beispiel. "Zum Teil hat man es verpasst, auf wichtige Grundstücke den Finger drauf zu halten, um Einfluss zu nehmen." Der übliche, politische Weg sei dafür zu träge. Beim Kauf von Grundstücken müsse man manchmal sehr schnell reagieren. 

 

Das letzte Wort über den Rahmenkredit und die Verfassungsänderung hat die Worber Stimmbevölkerung. Abstimmungstermin ist der 13. Februar 2022.

 

[i] Sitzung des Grossen Gemeinderates vom 18. 10. 2021: Die Beschlüsse

- "Einführung einer zweiseitigen Spezialfinanzierung Feuerwehr", Motion der SVP-Fraktion: die Motion wurde grossmehrheitlich abgelehnt.

- Aktive und nachhaltige Boden- und Wohnbaupolitik: die Vorlage des Gemeinderats wurde mit 26 Ja- zu 7 Nein-Stimmen zuhanden der Stimmberechtigten genehmigt.

- Wasserversorgung; Netzersatz und Strassensanierung Blümlisalpstrasse: Der Kredit wurde einstimmig genehmigt

- "Beschaffung Elektrofahrzeuge", Postulat der SP+Grüne Fraktion: Das Postulat wurde mit 20 Ja- zu 12 Nein-Stimmen für erheblich erklärt und mit 22 Ja- zu 11 Nein-Stimmen als erledigt abgeschrieben.


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Erstellt: 16.11.2021
Geändert: 17.11.2021
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