Biglen: Flott im Bauen, flauer punkto Kultur

Der Neubau der Turnhalle und die Planungsarbeiten für die Sanierung der Rohrstrasse laufen gut. Punkto Kultur sieht es in Biglen etwas weniger flott aus. Gemeindepräsident Urs Schweizer, seit einem Dreivierteljahr im Amt, erzählt, welche Projekte ihn zurzeit herausfordern. Und warum Biglen für ihn eine rundum lebenswerte Gemeinde ist.

Claudia Weiss, claudia.weiss@bern-ost.ch

Seit neun Monaten ist Biglens Gemeindepräsident Urs Schweizer im Amt – biologisch gesehen entspricht das der Dauer einer Schwangerschaft. Auch die Projekte und Veränderungen, die ihn und seine Gemeinde zurzeit beschäftigen, lassen sich ein bisschen mit Ereignissen eines Menschenlebens vergleichen.

 

Geburt einer Turnhalle

Da wäre einmal die Turnhalle – eine Geburt. Eine Zangengeburt zwar, «aber jetzt kommt es gut», sagt Schweizer. Seit 2004 beschäftigt sich die Gemeinde mit der veralteten Turnhalle Feltschen.  An der Urnenabstimmung vom 27. November 2022 hatte die Bevölkerung dem Vorhaben «Neue Doppelturnhalle Typ B» zugestimmt, ein paar Tage später wurde an der Gemeindeversammlung die Steuererhöhung beschlossen. Letzten November wurde die 60-jährige Turnhalle abgerissen.

 

Voraussichtlich ab Februar 2025 soll die neue Turnhalle bereitstehen, damit die Kinder und die Vereine sie nach den Sportferien benützen können. Urs Schweizer ist zufrieden: «Mit den Terminen und den Kosten sind wir im grünen Bereich, so dass Schulkinder und Vereine wohl nicht länger als geplant auf ihre Turnhalle verzichten müssen.»

 

Für Schulkinder und Gemeinde

Die «Doppelturnhalle Typ B», die nach Bedarf in drei Hallen unterteilt werden kann, sei in erster Linie für die Schüler:innen gedacht. Daneben werde sie auch dem Dorfleben und damit der ganzen Gemeinde zugutekommen: «Die Halle wird für Gemeindeanlässe sowie für Ortsvereine und zu guter Letzt auch für auswärtige Vereine zur Verfügung stehen.»

 

Entwicklungsgeschichte Rohrstrasse

Ein anderes grosses Projekt, das den Gemeindepräsidenten gegenwärtig beschäftigt, ist die Sanierung der Rohrstrasse – sozusagen eine Entwicklungsgeschichte. Eine, bei der allerdings nicht die Gemeinde das Sagen hat, sondern der Kanton als Bauherr.

 

Die Sanierung sei eine grosse Herausforderung für alle, sagt Schweizer. Nicht zuletzt für Biglens Gewerbe. Dieses sei an sich gut vertreten und stark: Biglen hat eine Käserei, eine Metzgerei, zwei Bäckereien, ein Blumengeschäft, eine Bank und eine Drogerie, ausserdem je ein ortsansässiger Elektro- und ein Sanitär-Handwerksbetrieb sowie weitere Firmen und Betriebe. «Sie alle sind enorm wichtig für die Gemeinde.»

 

Gewerbe so gut wie möglich unterstützen

Er als Gemeindepräsident will die lokalen Betriebe daher vonseiten der Politik und Verwaltung so gut wie möglich unterstützen: Bauvorhaben im Rahmen des Gesetzes rasch genehmigen, Umbauten speditiv bearbeiten, die Ortsplanungsrevision zügig weiterbearbeiten und abschliessen.

 

Alt und Jung werden betroffen sein

Was das «Projekt Rohrstrasse» in der Realität bedeute, hätte sich den Verantwortlichen der Gemeinde erst gezeigt, als sie die Konsequenzen Punkt für Punkt durchgegangen seien. Gewerbe, öffentlicher Verkehr, Schulkinder, alte Menschen, Personen mit Behinderungen und reduzierter Mobilität, Rettungsdienst und Feuerwehr: «Sie alle werden betroffen sein.»

 

Für einen sicheren und reibungslosen Ablauf werden Gemeindeverwaltung und Gemeinderat einige Entwicklungsarbeit leisten und den Kanton in der Umsetzung unterstützen: «Organisieren, informieren und kommunizieren», formuliert es Urs Schweizer. Und: «Das bedeutet viel Arbeit nebst dem täglichen Geschäft.»

 

«Eine tolle Gemeinde»

Damit beim Baustart im Februar 2025 das Gewerbe nicht zu stark beeinträchtigt wird, will er laufend über den genauen Ablauf informieren und alle Betroffenen von Gemeindeseite her so gut wie möglich unterstützen. So wie er Biglen generell unterstützen und fördern möchte: «Es ist eine tolle Gemeinde.»

 

Angenehm zum Wohnen

Und es sei auch ein angenehmer Ort zum Wohnen: Schweizer selbst, inzwischen pensioniert, ist vor neun Jahren nach Biglen gezogen und geniesst die Lage. «Ländlich, mit schöner, intakter Natur und dennoch bestens erschlossen», zählt er auf. Auch ohne in einem Verein mitzumachen, könne man sich unmittelbar vor der Haustür im Freien bewegen.

 

Guter öffentlicher Verkehr

Ein grosser Mehrwert für die Gemeinde sei auch der gut ausgebaute öffentliche Verkehr mit Zug und Postauto in alle Richtungen: «Thun, Worb und Bern, Langnau, Luzern und Solothurn sind bestens erreichbar.» Daneben sei auch für die gute Bildung der Jugendlichen gesorgt. Nebst der eigenen Oberstufe mit Sekundarschule befinden sich die Gymnasien in Bern, Thun und Burgdorf in praktischer Reichweite.

 

Und viele Angebote

Und nicht zuletzt biete die Gemeinde den Einwohner:innen viel Annehmlichkeiten mit Vereinen, Anlässen, der Espacearena und demnächst der neuen Dreifachturnhalle. Dass für deren Ausbau die Steuern angehoben werden mussten, hätten inzwischen viele verschmerzt, hofft der Gemeindepräsident. «Und Auswärtige schreckte es offenbar nicht ab», ergänzt er: Über 100 Neuzuzüger:innen habe er an der Bundesfeier vom 31. Juli  begrüsst.

 

Aber auch das Ende der Kulturfabrik

Er überlegt kurz, ob er alles aufgezählt hat, dann nickt er. Vieles ist da. Aber doch nicht ganz alles: Die Kulturfabrik Biglen AG konnte sich von den Nachwirkungen der Pandemie nicht mehr erholen. Und so hat Urs Schweizer als Gemeindepräsident nur noch das Ende miterlebt.

 

Rettung nicht möglich…

Der Kulturverein habe sich enorm engagiert, das rechnet Schweizer allen Beteiligten hoch an. Sogar Unterstützung von der Stadt Bern haben  sie erhalten, und auch der Kanton Bern ist bereit gewesen, sich zu beteiligen.

 

…weil sich niemand fand

Das jedoch wäre mit allzu hohen Auflagen verbunden gewesen. «Da mussten wir irgendwann sagen: Das kommt nicht mehr zum Fliegen und wir können es nicht mehr stemmen.» Bis spätestens am 31. März dieses Jahres hätte eine gute Nachfolgelösung stehen müssen, damit sich am 30. Juni der Verein nicht hätte auflösen müssen. «Aber es liess sich keine andere Organisation finden», bedauert Schweizer.

 

«Exitus» auch für das Restaurant Bären

Ende Jahr wird zudem das Restaurant im Bären Biglen endgültig geschlossen. «Das ist ausgesprochen schade», findet Urs Schweizer. «Ein Gasthof täte der Gemeinde gut.» Es sei wie überall: Viele hätten Respekt vor dem finanziellen Aufwand, der hohen Arbeitsbelastung und den vielen Auflagen punkto Toiletten, Parkplätze, Feuerpolizei oder Rollstuhlgängigkeit.

 

«Für die Gemeinde ein grosser Verlust»

Für das Dorfleben sei das jedoch ein herber Verlust: «Es ist wichtig, dass die Leute einen Ort haben, an dem sie sich treffen können.» Das sehe er auch nach den Sitzungen mit dem Gemeinderat: «Manchmal gehen nicht alle Geschäfte so einfach durch, und wir müssen ein wenig kämpfen», sagt er. «Danach ist es wichtig, dass man noch einen Moment gemütlich zusammensitzen und sich austauschen kann.»

 

Risiken abwägen...

Aus seiner Arbeitszeit als Leiter Katastrophen- und Krisenmanagement ist er sich gewohnt, Risiken zu analysieren, zu beurteilen und einen Entscheid zu fällen. «Das hilft mir jetzt auch in meinem Amt.»

 

...und die Leute verstehen

Trotzdem wolle er die Gemeinde keinesfalls knallhart managen, sagt Urs Schweizer: «Viel wichtiger ist mir, dass ich die Leute verstehe.» An dieser Haltung haben auch die Erlebnisse der ersten neun Monate im Amt nichts geändert.

 

 

[i] Informationsanlass von Kanton, Bauunternehmen und Gemeinde Biglen: Primarschulhaus Feltschen, Feltschenweg 6, 3507 Biglen, jeweils um 20.00 Uhr. Montag, 2. Dezember 2024 (nur für Gewerbebetriebe) und Dienstag, 3. Dezember 2024 (öffentliche Informationsveranstaltung)

 

[i] Informationen der Gemeinde: Sanierung Ortsdurchfahrt


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Erstellt: 10.10.2024
Geändert: 10.10.2024
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