Biglen - Vom Ratssessel auf den Klavierstuhl

Nach zehneinhalb Jahren im Grossen Rat tritt Ursula Stoffer aus Biglen (SP) auf Ende Juli zurück. Sie will sich vermehrt der Musik widmen. Doch die Politik, insbesondere das Bildungswesen, wird die Sekundarlehrerin auch in Zukunft beschäfti

Silvia Ben el Warda-Wullschläger, Wochen-Zeitung
Die Politik gehört bei der Familie Stoffer schon seit jeher dazu, ist ein wichtiger Teil des Lebens. Walter Stoffer politisierte von 1964 bis ‘82 im Grossen Rat und war viele Jahre im Gemeinderat von Biglen. Ursula Stoffer wurde Ende der 80er Jahre eigentlich wider alle Erwartungen und auf Kosten eines Bisherigen in den Gemeinderat von Biglen gewählt. «Dort sammelte ich meine ersten politischen Erfahrungen.» Bei den Grossratswahlen von 1990 landete sie gleich auf dem ersten Ersatzplatz und rutschte schon ein halbes Jahr später für Marcel Fuchs ins Kantonsparlament nach. «Die Belastung als Gemeinde- und Grossrätin sowie als Mutter zweier kleiner Kinder war gross. Das funktionierte nur, weil mein Mann pensioniert und viel zu Hause war.»

Ein Zweihundertstel des Ganzen

Als sich die ersten Aktenstösse auf dem Tisch türmten, merkte Ursula Stoffer, dass sie sich unmöglich mit allen Geschäften intensiv auseinandersetzen konnte. Zuerst beschäftigte sie sich mit der Alters- und Gesundheitspolitik. Weil sie das Bildungswesen als Seklehrerin schon seit jeher faszinierte, entschied sie sich später, in der Bildungsgruppe der Fraktion mitzuarbeiten. Insbesondere befasste sie sich mit Fragen rund um die Universität, Fachhochschule und Musik – einem ihrer grössten Anliegen. «Der Stellenwert der Musik in den Schulen nimmt ständig ab. Sie hat keine Lobby, deswegen setzte ich mich dafür ein.» Es sei aber eine Illusion zu meinen, als Grossrätin oder Grossrat könne man die Welt verändern. «Jeder ist nur ein Zweihundertstel des Parlaments, und das wiederum ist wie eine dickflüssige Gummimasse, die nur schwer in eine andere Richtung zu bewegen ist.»

Mühe mit Sparpaketen

Frustrierend fand Ursula Stoffer, dass in einem Kanton mit zehn Milliarden Schulden kaum mehr Perspektiven für die Zukunft existieren. «Besonders im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsbereich wird gespart, für den Strassenbau und -unterhalt dagegen werden die nötigen Mittel gefunden. Dort ist die Lobby gross genug.» Gerade die Massnahmenpakete hätten ihr zu schaffen gemacht, das Klima im Rat sei oft vergiftet gewesen. Dass es verschiedene Meinungen gebe, sei nötig und gut, findet die 52-jährige Politikerin. «Doch plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, ob wirklich alle das Beste für den Kanton wollen oder ob nicht viele die eigenen Interessen in den Vordergrund stellen.»

Arbeit im Ratsbüro

Was Ursula Stoffer dagegen besonders positiv in Erinnerung bleiben wird, sind die Kontakte zu den verschiedensten Leuten, auch über die Parteigrenzen hinaus. Besonders geschätzt habe sie die Arbeit in den Kommissionen und in dieser Legislatur die Tätigkeit im Ratsbüro. «Dort geht es wirklich darum, objektiv zu sein und nur die Sache zu sehen.»

Musik erhält Vorrang

Der Rücktritt auf Ende Juli fällt der Grossrätin aus Biglen nicht ganz leicht. Die Politik habe ihr Leben geprägt und werde sie auch weiterhin beschäftigen, so zum Beispiel im Bildungsausschuss der Partei. Der Grund des Rücktritts ist in ihrer grossen Leidenschaft, der Musik, zu suchen. Sie habe seit jeher Klavier gespielt. Musik war auch das Hauptfach des Sekundarlehrpatentes. «Letzten November kam mir plötzlich der Gedanke, ob ich nicht das Lehrdiplom machen könnte.» Nachdem ihre Familie die Idee unterstützte, meldete sich Ursula Stoffer für die Zulassungsprüfung an und bestand. «Die Ausbildung ist für mich eine grosse Herausforderung. Täglich muss ich fünf bis sechs Stunden üben und lernen, das geht während der Session natürlich nicht. Deshalb habe ich mich entschieden, zurückzutreten.»

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Erstellt: 12.07.2001
Geändert: 12.07.2001
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