Biglen - Anekdoten aus der Ortsgeschichte

Ernst Rothenbühler entziffert leidenschaftlich gerne alte Dokumente. Er durchstöbert dabei das Gemeindearchiv und die Aufzeichnungen seiner eigenen Familie.

Simon Marti, Berner Zeitung BZ
Auf dem schweren Esstisch stapelt sich das Papier. In rascher Folge zieht Ernst Rothenbühler diverse vergilbte Blätter hervor, anhand deren er Teile der Ortsgeschichte Biglens aus dem Stegreif abhandelt. Kommt er auf die alten Steuerlisten mit dem bezeichnenden Namen «Häüsch-Rödel» zu sprechen, wird der pensionierte Finanzverwalter beinahe zum Rechnungsprüfer seiner historischen Vorgänger. Zügig überfliegt er die Zahlenkolonnen mit den Einnahmen des Ortes aus früheren Zeiten und macht dabei auf heute Ungewohntes aufmerksam: So musste ein gewisser Andreas Moser gegen Ende des 18. Jahrhunderts «alte Hühner und junge Hahnen» im Wert von insgesamt drei Pfund als Steuern an die Kirchgemeinde abtreten. Der Kirchmeier, der damals die Steuern eintrieb, besserte mit dem Federvieh wiederum sein eigenes Gehalt auf, erläutert Rothenbühler.

Seit Jahrzehnten beschäftigt er sich nun schon mit den alten Dokumenten des Dorfes. «Während meiner Zeit als Finanzverwalter war das Archiv eigentlich mein liebster Ort im Gemeindehaus», sagt er. Und erzählt mit grosser Begeisterung von den vielen vergessenen Geschichten, die er wieder ans Tageslicht gebracht hat. Wie jene des Soldaten aus Biglen, der kurz vor dem Einmarsch der Franzosen 1798 aus Unachtsamkeit sein Gewehr in den Rhein fallen liess. Dessen Kompaniekommandant schrieb an die Gemeinde, man möge ihm doch Geld schicken, damit er ein neues kaufen könne. Dem Gesuch wurde nicht entsprochen.

Familie als Ausgangspunkt

Einmal im Monat erscheinen ausgewählte Abschriften Rothenbühlers samt Abdruck des Originals im Ortsblatt «Biglebach». Er habe positive Reaktionen darauf erhalten, sagt er. «Von älteren Leuten werde ich öfters darauf angesprochen. Bei den Jungen scheint es allerdings weniger ein Thema zu sein», sagt Rothenbühler lachend.

Zu Beginn seiner Beschäftigung mit den alten Schriften standen aber nicht amtliche Dokumente, sondern die Aufzeichnungen seiner Familie. «Meine Vorfahren waren Bauern, die sorgfältig alles Schriftliche aufbewahrten. Und zum Glück haben sie nie ihr Heim bei einem Brand verloren.» So blieben die Papiere erhalten. Sie berichten von längst vergangenen Erbteilungen und Landkäufen, Eheschliessungen und Geburten. Und von einem gewissen Gottlieb Baumgartner, der im Stöckli der Familie wohnte und einen Teil der Miete mit Heuen und anderen Arbeiten beglich. Sein Urenkel Klaus Baumgartner sollte später Stadtpräsident von Bern werden.

Am Sonntag habe sein Grossvater jeweils den Papierstapel aus der Tischschublade geholt und der Familie gezeigt. «Irgendwann einmal, vor Jahrzehnten, hat es mich dann gepackt», erzählt Rothenbühler. In seiner Freizeit begann er, die Familiengeschichte akribisch nachzuzeichnen. Ein bis ins Jahr 1650 zurückreichender Stammbaum mit über tausend Einträgen zeugt davon. Eine Heidenarbeit sei das gewesen. Ein Blick auf einzelne Blätter bekräftigt dies. Nicht jeder Schreiber der Vergangenheit hat eine leserliche Feder geführt. «Und bei den Massen und den Gewichten herrschte früher ein richtiges Chaos», berichtet er weiter.

Zeit einteilen

Eine Zeit lang transkribierte Ernst Rothenbühler auch die schriftlichen Hinterlassenschaften anderer Familien. Damit sei nun aber Schluss, so gerne er dies auch gemacht habe. «Ich muss mir meine Zeit gut einteilen», meint der 73-Jährige. Für ihn stehe deshalb die Beschäftigung mit den familieneigenen Dokumenten im Vordergrund. Da gebe es schliesslich auch noch genügend zu entdecken. Sagt Ernst Rothenbühler und beugt sich wieder über den Stapel auf seinem Esstisch.

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Erstellt: 30.10.2012
Geändert: 30.10.2012
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